Darum geht es: Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz plädiert für eine Korrektur der Agenda 2010. Er will unter anderem die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes 1 für über 50-Jährige wieder verlängern. Ein Kommentar von Martin Brüning.

Präsentiert seine Forderung auf dem Seniorenteller: Martin Schulz – Foto: SPD, Susie Knoll

Die politischen Kämpfe der Zukunft werden nicht mehr zwischen links und rechts ausgetragen, sondern zwischen Jung und Alt. Vielleicht ist die Gesellschaft derzeit zu politikfern, um bereits zu bemerken, dass der Verteilungskampf bereits begonnen hat. Die Ankündigung des designierten SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz, die Reformen der Agenda 2010 teilweise zurückzudrehen, ist eine weitere Kampfansage an die junge Generation, die den Preis  für so eine Politik wird zahlen müssen. Nach der teuren und falschen Entscheidung der Großen Koalition für die Rente mit 63 wäre es ein weiterer Schlag gegen die jungen Menschen in Deutschland. Ab dem Jahr 2020 werden die sogenannten Baby-Boomer in Rente gehen, mit entsprechenden Auswirkungen auf das Rentenniveau. Ab dann wird von Jahr zu Jahr deutlicher werden, dass der Ausgleich zwischen den Generationen in Schieflage geraten ist.

Dabei ist das Ansinnen von Martin Schulz durchaus verständlich. Natürlich wird es nicht als gerecht empfunden, wenn ein Arbeitnehmer nach jahrzehntelanger Arbeit in die Erwerbslosigkeit rutscht und dann nach einer bestimmten Anzahl von Monaten den Anspruch auf Arbeitslosengeld I verliert. Das ist für den 50-Jährigen aber genauso ungerecht wie für den 45-Jährigen, und Hartz IV wird nach 20 Monaten als genauso ungerecht empfunden werden wie nach 15 Monaten. Das nachträgliche Herumdoktern an den Arbeitsmarktreformen wird sich politisch nicht bezahlt machen. Schulz wird hochgesteckte Wünsche nicht bezahlen können. Da ist Frust vorprogrammiert.

Hinzu kommt, dass eine Korrektur der Agenda in diesem Fall ein vollkommen falsches Signal ist. Noch immer redet diese Republik gerne über Wertschätzung und Bedeutung älterer Arbeitnehmer. In der Realität sind sie viel zu häufig immer noch die ersten, derer sich Unternehmen bei „Reformen“ entledigen. Der Zukunftspakt bei Volkswagen wird immer wieder mit dem unanständigen Begriff „sozialverträglich“ in Zusammenhang gebracht. Aber ist Altersteilzeit wirklich sozialverträglich? Es ist eine Entscheidung gegen die Gesellschaft. Und Martin Schulz fügt über 50-jährige Arbeitnehmer mit seiner Forderung indirekt dem alten Eisen zu. Schulz macht sogenannte „Silver Surfer“ wieder zu Senioren. Gute alte SPD, alles so wie früher.

Früher, da war Deutschland der kranke Mann Europas. Verantwortlich dafür war auch die Kohl-CDU, die den Dingen ihren Lauf ließ, anstatt sich den Problemen zu stellen. Erst die SPD hatte die Kraft, dem Patienten eine nicht ganz leichte Therapie zu verordnen, so dass er sich heute wieder allerbester Gesundheit erfreut. Doch wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis. Die Uhren sollen wieder zurückgestellt werden. Die Rechnungen dafür wird die junge Generation bezahlen müssen, wenn sie es überhaupt kann. Das hat mit Gerechtigkeit überhaupt nichts zu tun.

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