23. Mai 2022 · Wirtschaft

Scholz will LNG-Plan für Wilhelmshaven als Prototypen für den Netzausbau

Der beschleunigte Ausbau der LNG-Terminals in Wilhelmshaven ist aus Sicht von Bundeskanzler Olaf Scholz ein Musterbeispiel – für weitere Großvorhaben in Deutschland, deren Umsetzung sich bisher verzögert. „Die Landesregierung treibt das voran“, sagte Scholz erst am Wochenende beim SPD-Landesparteitag in Hildesheim. Dabei geraten vor allem die erforderlichen Stromleitungen von Nord- Richtung Süddeutschland ins Blickfeld, Südlink ist nur ein Beispiel dafür. Tennet-Chef Tim Meyerjürgens teilte vor Kurzem mit, dass sich das Vorhaben immer noch im Genehmigungsverfahren befinde, obwohl doch in diesem Jahr eigentlich der Bau hätte starten sollen. Bei den Details der Verfahren geht es zunächst vor allem um den „vorzeitigen Maßnahmenbeginn“, der nur unter bestimmten strengen Bedingungen möglich ist. Vor wenigen Tagen erst hat Umweltminister Olaf Lies (SPD) im Landtag erklärt, in den nächsten Jahren werde man insgesamt 25 Strom- und Gasleitungen (über die später dann auch verflüssigter Wasserstoff transportiert werden soll) neu bauen, erneuern oder anpassen müssen. Lies schlug vor, neue Trassen so zu bündeln, dass nebeneinander verschiedene Leitungen verlegt werden können. Damit könnten Planungen und Bürgerbeteiligung abgekürzt werden.

Olaf Scholz spricht vor den Delegierten in Hildesheim. | Foto: Link

Den Anfang macht das schwimmende LNG-Terminal in Wilhelmshaven, das dort schon Ende dieses Jahres betriebsbereit sein soll. Dafür ist nun bereits Anfang Mai beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz (NLWKN) der „vorzeitige Maßnahmenbeginn“ beantragt worden. Das heißt: Bauarbeiten können schon starten, auch wenn noch keine abschließende Genehmigung vorliegt. Voraussetzungen sind allerdings die folgenden: Das öffentliche Interesse muss überwiegend sein (die Unabhängigkeit der Gasversorgung von Russland kann das begründen), der erwartete rechtliche Erfolg der geplanten Anlagen muss prognostiziert werden und der Antragsteller muss zusichern, bei einem Scheitern der Genehmigung den früheren Zustand auf eigene Kosten wieder herzustellen. Da kein Unternehmen den letzten Schritt wagen dürfte, haben Bund, Land und Investoren einen öffentlich-rechtlichen Vertrag unterzeichnet. Das heißt, der Staat tritt für das Risiko ein. Experten für Verwaltungsrecht wie der Hamburger Dennis Hillemann betonen aber, mit einem solchen Vertrag dürften keine rechtlichen Vorgaben ausgeschlossen werden. So sei vieles möglich, nur nicht ein Umgehen der Bestimmungen des Bundes- und Europarechtes. Hillemann hält es deshalb für durchaus geboten, dass der Bund die rechtlichen Grundlagen ändert und LNG-Terminals als „privilegiert“ bezeichnet. In diesem Fall, meint der Verwaltungsrechtler, wären Bund und Land Niedersachsen klar im Vorteil – und weil laut Bundesimmissionsschutzgesetz auch eine „sofortige Vollziehbarkeit“ einer Genehmigung verhängt werden kann, dürfte der Bau rasch beginnen können, auch wenn die Verhandlungen über mögliche Klagen noch dauern. Mit der Gesetzesentscheidung im Bundestag und -rat Mitte Mai sind entsprechende gesetzliche Schritte geschehen. Das heißt: Auf Bundesebene gelten LNG-Terminals jetzt als „privilegiert“.

„Elf Projekte erscheinen uns unplausibel. Zwei LNG-Terminals, die schwimmend konzipiert sind, sollten reichen, um die Notlage zu decken.“

Spannend wird die Frage sein, inwieweit die Umweltverbände nach anfänglichen Widersprüchen gegen die Planungen tatsächlich zur Klage schreiten werden. Argumentiert wird damit, dass die lauten Bauarbeiten in Wilhelmshaven den Lebensraum des seltenen Schweinswals gefährden könnten. Die Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) soll für die schwimmenden LNG-Terminals ausgesetzt werden, nicht aber für die geplanten festen Terminals, die in den kommenden Jahren folgen sollen. In manchen Positionen von Umweltverbänden klingt inzwischen allerdings auch der Wille zum Dialog und zur Verständigung an. In einem internen Entwurf für die Privilegierung von LNG-Plänen war sogar von elf möglichen Standorten in Deutschland die Rede. Nun meint Niedersachsens Nabu-Vorsitzender Holger Buschmann gegenüber dem Politikjournal Rundblick: „Elf Projekte erscheinen uns unplausibel. Zwei LNG-Terminals, die schwimmend konzipiert sind, sollten reichen, um die Notlage zu decken.“

Dieser Artikel erschien am 24.5.2022 in Ausgabe #097.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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