21. Juni 2021 · 
Wirtschaft

Ruppige Anhörung um Nachtflüge in Hannover

Während einer Fachanhörung der Landtagsfraktionen von SPD und CDU zum Thema „Nachtflüge“ hat es am Montag einen Eklat gegeben. Der Geschäftsführer des Flughafens Hannover-Langenhagen, Raoul Hille, wollte dem Diplom-Physiker Berthold Vogelsang das Wort geben, damit dieser über den Zusammenhang zwischen Lärmbelästigung und Gesundheitsschäden berichtet. Doch CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer, der die Veranstaltung leitete, lehnte das ab. Vogelsang sei vorher nicht ausdrücklich in den Kreis der Anzuhörenden aufgenommen worden, daher dürfe er nicht sprechen.

Foto: Marcus Millo

„Hier soll ja offenbar nicht ergebnisoffen gesprochen werden“, meinte daraufhin ein sichtlich verärgerter Hille. Toepffer sprach von einem „Verstoß gegen Spielregeln“ und war im Übrigen auch mit Hilles Beschreibung der aktuellen Lage unzufrieden: „Es ist unanständig, wenn sie jetzt über die Gefahr von Entlassungen und die Notwendigkeit von Sozialplänen reden.“

Auslöser des Streits ist ein aktueller Entschließungsantrag, den SPD und CDU im Landtag beschließen lassen wollen. Damit soll die Landesregierung aufgefordert werden, ein unabhängiges Gutachten zu den Lärmemissionen entlang der tatsächlichen Flugrouten und zur betriebswirtschaftlichen Relevanz von Nachtflügen in Auftrag zu geben. Hintergrund sind die veränderten Rahmenbedingungen des Airports in Hannover-Langenhagen.

Es ist unanständig, wenn sie jetzt über die Gefahr von Entlassungen und die Notwendigkeit von Sozialplänen reden.

Während die Zahl der Flugbewegungen in den vergangenen 15 Jahren um elf Prozent zurückging, wuchs im gleichen Zeitraum die Zahl der Nachflüge um 46 Prozent. Viele Anwohner gerade in der Region Hannover, oft entlang neuer Routen, würden zunehmend in ihrer Nachtruhe gestört, das habe gesundheitliche Folgen. Toepffer und Thordies Hanisch (SPD) stellten aber klar, dass man auf keinen Fall Arbeitsplätze beim Flughafen oder bei Tui-Fly gefährden wolle. Es gehe um das Ausloten anderer Wege, die Lärmbelastung in der Nacht zu verringern. „Keiner redet dabei von einem Nachtflugverbot. Es geht nicht um das Wie, sondern um das Ob der Nachtflüge“, hob Toepffer hervor. Geklärt werden solle, wie viele nächtliche Angebote der Flughafen brauche für seine wirtschaftliche Existenz.


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Flughafen-Geschäftsführer Raoul Hille nannte die Diskussion „derzeit unglücklich“. 2019 hätten das Land, die Stadt Hannover und die Icon-Flughafen GmbH, die 30 Prozent am Unternehmen trägt, eine neue, bis 2029 geltende Betriebsgenehmigung erhalten. Darin sei Nachtflug weiter gestattet. 2020 wurde zur Absicherung des Flughafens ein 50-Millionen-Kredit gewährt und vom Land verbürgt. Hille meinte nun, bei Änderung der Rahmenbedingungen müsse das Land „mit einem Scheckbuch kommen“, Sozialpläne für Mitarbeiter schmieden und die Icon-GmbH entschädigen. Die Frage müsse man stellen, was schwerer wiege: „Existenzängste der Mitarbeiter oder, ab und zu von einem Flugzeug belästigt zu werden“.

Wenn man Nachtflüge einschränke, werde das Fluggesellschaften bewegen, sich ganz, also auch tagsüber, zurückzuziehen. Es gebe keinen Spielraum für weniger Flugbewegungen, sonst drohten auch „Bankverbindlichkeiten zu platzen“. Bisher gehöre Hannover noch zu den bundesweit vier Flughäfen, die rund um die Uhr angesteuert werden dürfen, das sei ein großes Kapital.

Lärm-Pegel nicht über den Grenzwerten

Behrend Lindner, Wirtschafts-Staatssekretär, drückte sich vorsichtiger aus: Bei Änderung der wirtschaftlichen Grundlagen könne es „Auswirkungen auf die Kreditverträge“ geben. Rein rechtlich seien die gemessenen Lärm-Pegel rund um Hannover nicht über den Grenzwerten, daher könne juristisch keine Gesundheitsgefahr festgestellt werden – politisch indes habe das Wirtschaftsministerium „volles Verständnis für die Diskussion“.

Als auch Holger Ulbrich, Bereichsleiter für Beteiligungen bei der Landeshauptstadt Hannover, von „drohenden schwierigen Gesprächen mit den Banken“ sprach, ging Toepffer ihn an: Ob er denn wirklich meine, ein Lärm-Gutachten des Landes bringe das Geschäftsmodell des Flughafens ins Wanken, wollte der CDU-Fraktionschef wissen. Er fragte auch, ob die vor Jahren erhobene Forderung des heutigen OB von Hannover, Belit Onay, immer noch gelte – habe dieser seinerzeit als Grünen-Landtagsabgeordneter für ein Nachtflugverbot plädiert. „Meine Stellungnahme ist mit Herrn Onay abgestimmt“, sagte daraufhin Ulbrich.

Der Vertreter der Bürgerinitiative gegen Nachtflüge, Dieter Poppe, hatte über Studien berichtet, wonach nächtlicher Lärm den Blutdruck und den Stresshormon-Spiegel stark ansteigen lässt – selbst dann, wenn man nicht davon aufwacht. 90 Prozent der Nachtflüge, die Hannover ansteuern, seien touristische Flüge, häufig von Billig-Airlines. Viele von ihnen nutzten alte, in anderen Gesellschaften ausgemusterte Maschinen. Hille hatte gesagt, dass die neuen Flugzeuge leiser seien als die alten.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #116.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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