
Die Koalitionspartner SPD und Grüne überlegen gemeinsam mit der CDU, wie ein AfD-Vertreter künftig aus dem Kontrollgremium für den Verfassungsschutz ausgeschlossen werden kann. Dieses Vorhaben ist rechtlich heikler als manche annehmen – denn um eine Änderung der Landesverfassung kommt man dabei wohl nicht herum. Diese betrifft aber eine Einschränkung der Oppositionsrechte. Bisher berichtet der Verfassungsschutz über seine Erkenntnisse und Arbeitsvorgänge in dem meistens vertraulich tagenden „Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes“. Alle Fraktionen sind in dem Gremium präsent, ein Mitglied dort ist seit acht Jahren der AfD-Politiker Klaus Wichmann. Der Plan von Rot-Grün und CDU sieht nun vor, dieses Gremium zu streichen – und gleichzeitig eine neue Kontrollkommission zu gründen. Der Unterschied wäre, dass man mit bestimmten Regeln in der Landesverfassung, im Verfassungsschutzgesetz und in anderen Gesetzen den Ausschluss von AfD-Vertretern sicherstellen würde.
SPD, CDU und Grüne haben im Landtag die Zweidrittelmehrheit, sie könnten also die Verfassung ändern. Ob das ratsam wäre, ist eine andere Frage. Maßgeblich ist der Artikel 20 der Landesverfassung. In ihm heißt es: „In den Ausschüssen müssen die Fraktionen des Landtags ihrer Stärke entsprechend, mindestens jedoch durch ein Mitglied mit beratender Stimme vertreten sein.“ Wenn die als Ersatz für den alten Verfassungsschutzausschuss vorgesehene Kommission einen Sondercharakter haben und die Beteiligung aller Fraktionen ausdrücklich nicht beinhalten soll, ist vermutlich eine Ergänzung im Artikel 20 nötig – denn sonst könnten Abgeordnete gegen die Rechtsänderung in Bückeburg klagen und einen Verstoß gegen die Gleichbehandlung behaupten. Für die neue Kommission ist nach den Plänen von Rot-Grün und CDU vorgesehen, dass der Landtag über eine gesammelte Namensliste der Ausschussmitglieder abstimmt. Denkbar ist, dass dann SPD, CDU und Grüne eine Liste zusammenstellen, zur Abstimmung stellen und mit ihren Stimmen beschließen, vermutlich dann gegen die Gegenstimmen der AfD. Auf diese Weise ist vor Jahren bereits der Wahlmodus für den Beirat der Gedenkstättenstiftung geändert worden. Da dieser Beirat kein Landtagsausschuss ist, war dort die Änderung der alten Regeln jedoch mit weit geringeren rechtlichen Verrenkungen möglich.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Wichmann reagierte auf Rundblick-Anfrage empört und sprach von einer „Lex AfD“. Das Ziel des Vorstoßes sei allein, die AfD aus dem Gremium herauszuhalten. „Ich verstehe das aber nicht. Seit acht Jahren gehörte ich diesem Ausschuss an – und nie gab es einen Grund zur Beanstandung.“ In den seltensten Fällen habe der Verfassungsschutz in diesem Gremium wirklich wichtige Informationen mitgeteilt – es sei meistens um die Frage gegangen, welche Bereiche beobachtet oder nicht mehr beobachtet werden sollen. Wichmann sieht auch die von ihm vermutete Ursache der neuen Planungen – nämlich die Hochstufung der AfD zur „gesichert rechtsextremen“ Organisation durch das Bundesamt für Verfassungsschutz – höchst kritisch. Das Gutachten stütze sich offenbar auf Äußerungen von einzelnen AfD-Politikern, aber nicht auf Anträge oder Initiativen. Laut Wichmann hat das OVG Münster aber ein „ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis“ an sich als nicht verfassungsfeindlich bezeichnet, sondern nur dann, wenn auch ein aktives Wirken der Partei in die Richtung einer rechtlichen Benachteiligung bestimmter Gruppen geplant sei – aber nach Ansicht von Wichmann ist das „nicht der Fall“. Er habe bei der AfD bisher jedenfalls „keine solchen Debatten oder Initiativen erlebt“. Wichmann betont auch, dass das Landesamt für Verfassungsschutz die vom Bundesamt vorgenommene Hochstufung der AfD vom "Verdachtsfall" auf "gesichert rechtsextrem" nicht nachvollzogen habe - was den Landesverband Niedersachsen angehe. Das sage viel darüber aus, wie fragwürdig das Agieren des Bundesamtes und der scheidenden Bundesinnenministerin Nancy Faeser in diesem Fall gewesen sei.