8. Mai 2025 · 
MeldungInneres

Verfassung ändern, um vor AfD zu schützen? Rot-Grün und CDU wagen sich weit vor

Soll nicht mehr im Ausschuss sitzen: Klaus Wichmann. | Foto: Kleinwächter

Die Koalitionspartner SPD und Grüne überlegen gemeinsam mit der CDU, wie ein AfD-Vertreter künftig aus dem Kontrollgremium für den Verfassungsschutz ausgeschlossen werden kann. Dieses Vorhaben ist rechtlich heikler als manche annehmen – denn um eine Änderung der Landesverfassung kommt man dabei wohl nicht herum. Diese betrifft aber eine Einschränkung der Oppositionsrechte. Bisher berichtet der Verfassungsschutz über seine Erkenntnisse und Arbeitsvorgänge in dem meistens vertraulich tagenden „Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes“. Alle Fraktionen sind in dem Gremium präsent, ein Mitglied dort ist seit acht Jahren der AfD-Politiker Klaus Wichmann. Der Plan von Rot-Grün und CDU sieht nun vor, dieses Gremium zu streichen – und gleichzeitig eine neue Kontrollkommission zu gründen. Der Unterschied wäre, dass man mit bestimmten Regeln in der Landesverfassung, im Verfassungsschutzgesetz und in anderen Gesetzen den Ausschluss von AfD-Vertretern sicherstellen würde.

SPD, CDU und Grüne haben im Landtag die Zweidrittelmehrheit, sie könnten also die Verfassung ändern. Ob das ratsam wäre, ist eine andere Frage. Maßgeblich ist der Artikel 20 der Landesverfassung. In ihm heißt es: „In den Ausschüssen müssen die Fraktionen des Landtags ihrer Stärke entsprechend, mindestens jedoch durch ein Mitglied mit beratender Stimme vertreten sein.“ Wenn die als Ersatz für den alten Verfassungsschutzausschuss vorgesehene Kommission einen Sondercharakter haben und die Beteiligung aller Fraktionen ausdrücklich nicht beinhalten soll, ist vermutlich eine Ergänzung im Artikel 20 nötig – denn sonst könnten Abgeordnete gegen die Rechtsänderung in Bückeburg klagen und einen Verstoß gegen die Gleichbehandlung behaupten. Für die neue Kommission ist nach den Plänen von Rot-Grün und CDU vorgesehen, dass der Landtag über eine gesammelte Namensliste der Ausschussmitglieder abstimmt. Denkbar ist, dass dann SPD, CDU und Grüne eine Liste zusammenstellen, zur Abstimmung stellen und mit ihren Stimmen beschließen, vermutlich dann gegen die Gegenstimmen der AfD. Auf diese Weise ist vor Jahren bereits der Wahlmodus für den Beirat der Gedenkstättenstiftung geändert worden. Da dieser Beirat kein Landtagsausschuss ist, war dort die Änderung der alten Regeln jedoch mit weit geringeren rechtlichen Verrenkungen möglich.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Wichmann reagierte auf Rundblick-Anfrage empört und sprach von einer „Lex AfD“. Das Ziel des Vorstoßes sei allein, die AfD aus dem Gremium herauszuhalten. „Ich verstehe das aber nicht. Seit acht Jahren gehörte ich diesem Ausschuss an – und nie gab es einen Grund zur Beanstandung.“ In den seltensten Fällen habe der Verfassungsschutz in diesem Gremium wirklich wichtige Informationen mitgeteilt – es sei meistens um die Frage gegangen, welche Bereiche beobachtet oder nicht mehr beobachtet werden sollen. Wichmann sieht auch die von ihm vermutete Ursache der neuen Planungen – nämlich die Hochstufung der AfD zur „gesichert rechtsextremen“ Organisation durch das Bundesamt für Verfassungsschutz – höchst kritisch. Das Gutachten stütze sich offenbar auf Äußerungen von einzelnen AfD-Politikern, aber nicht auf Anträge oder Initiativen. Laut Wichmann hat das OVG Münster aber ein „ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis“ an sich als nicht verfassungsfeindlich bezeichnet, sondern nur dann, wenn auch ein aktives Wirken der Partei in die Richtung einer rechtlichen Benachteiligung bestimmter Gruppen geplant sei – aber nach Ansicht von Wichmann ist das „nicht der Fall“. Er habe bei der AfD bisher jedenfalls „keine solchen Debatten oder Initiativen erlebt“. Wichmann betont auch, dass das Landesamt für Verfassungsschutz die vom Bundesamt vorgenommene Hochstufung der AfD vom "Verdachtsfall" auf "gesichert rechtsextrem" nicht nachvollzogen habe - was den Landesverband Niedersachsen angehe. Das sage viel darüber aus, wie fragwürdig das Agieren des Bundesamtes und der scheidenden Bundesinnenministerin Nancy Faeser in diesem Fall gewesen sei.

  • Weitere Verfassungsänderungen im Plan: Für ihre neue Initiative wollen SPD, CDU und Grüne zügig, in erster Lesung noch im Mai, mehrere Gesetze ändern – und auch die Verfassung. Was die Verfassung angeht, wird noch über eine andere Reform diskutiert: Da mit der jüngsten Grundgesetzänderung das Neuverschuldungsverbot in der Landesverfassung aufgehoben wurde (Artikel 71, Absatz 2), überlegt man im Finanzministerium, ob dieser Passus am besten nicht gleich ganz aus der Landesverfassung gestrichen werden sollte. Bisher hätte dieser Artikel nämlich eine Fußnote nötig, die auf die Aufhebung der Bestimmung durch Beschluss von Bundestag und Bundesrat hinweist. Eine Landesverfassung mit einer solchen Fußnote gilt allerdings als "nicht sehr elegant".
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #086.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail
Alle aktuellen MeldungenAktuelle Beiträge
Die neue Fregatte F 126 | Visualisierung: Bundeswehr/Damen Naval
Bundeswehr im Bauboom: Behörden sind vor allem in Nordniedersachsen gefordert
22. Mai 2025 · Klaus Wallbaum2min
Mit Forschung an die Spitze | Foto: sorbetto via Getty Images
Blauer Brief für die TU Braunschweig
23. Mai 2025 · Klaus Wallbaum1min
Foto: 24K-Production
Landtag weitet Schutz von Nichtrauchern auf Cannabis-Konsum und E-Zigaretten aus
21. Mai 2025 · Niklas Kleinwächter3min