8. Mai 2017 · Soziales

Rundt fordert Pflegegeld für Angehörige

Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt schlägt in Anlehnung an das Elterngeld auch ein Pflegegeld für Angehörige vor. „Damit ließe sich eine Gerechtigkeitslücke schließen“, sagte Rundt dem Politikjournal Rundblick am Rande des Pflegekongresses in Hildesheim. „Menschen, die ihre Kinder erziehen, bekommen Elterngeld, weil man das als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sieht und honoriert. Dieselbe Wertschätzung müssen wir auch der Pflege entgegenbringen.“ Pflegende Angehöre müssten deshalb eine Art Pflegegeld bekommen. https://soundcloud.com/user-385595761/vorbild-elterngeld-rundt-will-pflegegeld-fur-angehorige Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil geht davon aus, dass für die Pflege in Zukunft mehr Geld nötig sein wird. „Gemessen an dem, was in der Pflege auf uns zukommt, reichen unsere derzeitigen Konzepte und wahrscheinlich auch das Geld nicht aus. Der demographische Wandel wird auch dazu führen, dass wir die Finanzströme deutlich anders lenken müssen“, sagte Weil dem Rundblick. „Wir sind gut beraten, heute schon die entsprechenden Instrumente zu diskutieren. Menschenwürde darf nicht von der Kassenlage abhängen.“ Allein die Tatsache, dass im Vergleich zu heute schon sehr bald doppelt so viele Pflegekräfte nötig sein würden, zwinge die Politik dazu, den Instrumentenkoffer deutlich zu überprüfen und zu ergänzen. https://soundcloud.com/user-385595761/vorbild-elterngeld-rundt-will-pflegegeld-fur-angehorige Weil plädierte auch dafür, das Entgelt und die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte in den Blick zu nehmen. „Der Pflegeberuf muss attraktiver werden. Dazu gibt es keine Alternative“, sagte der Ministerpräsident. Deshalb komme man über eine höhere Bezahlung nicht herum. Zugleich brauche es aber Rezepte gegen den enormen Druck, der auf dem Pflegepersonal laste. „Die Taktzeiten in der Pflege setzen alle Beteiligten enorm unter Stress und führen auch dazu, dass ältere Menschen nicht die Aufmerksamkeit bekommen können, auf die sie berechtigterweise einen Anspruch haben.“ Weil sieht auch die „Flut von Dokumentationen“ skeptisch. „Ist es wirklich notwendig, dass wir einen so großen Anteil an Zeit nicht für andere Menschen zu Verfügung stellen, sondern für Dokumentationen? Da habe ich deutliche Zweifel.“ Sozialministerin Rundt äußerte in Hildesheim Kritik am Kompromiss der Koalitionsfraktionen im Bundestag zur Pflegeausbildung. Vorgesehen ist jetzt, dass es nicht durchgängig eine generalistische Ausbildung, also eine einheitliche Ausbildung von Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflegern, geben soll. Vielmehr ist für alle Pflegeberufe nun zunächst eine zweijährige gemeinsame Ausbildung vorgesehen. Im Anschluss sollen Auszubildende wählen können, ob sie sich in der generalistischen Pflege zur Pflegefachkraft ausbilden lassen wollen oder eine einjährige Spezialisierung zur Alten- oder Kinderkrankenpflege wählen. Rundt ist damit unzufrieden: „Wir wollten erreichen, dass sich durch die gleiche Ausbildung die extrem unterschiedliche Bezahlung mittelfristig angleicht. Derzeit gibt es Einkommensunterschiede von bis zu 30 Prozent, die durch nichts gerechtfertigt sind. Mit der Generalistik hätte es dafür überhaupt keine Begründung mehr gegeben.“ Rundt spricht von einem faulen Kompromiss. Der Pflegeexperte Stefan Görres von der Universität Bremen forderte auf dem Pflegekongress der Landesregierung, die Politik müsse innovativer sein. Statt einer großen Reform gebe es nur Reförmchen. „Es braucht einen Paradigmenwechsel, eine radikale Änderung des Denkprozesses.“ Görres verwies auf Umfragen, nach denen fast zwei Drittel der Befragten Angst davor hätten, im Alter ein Pflegefall zu werden. „Sogar bei den unter 30-Jährigen macht sich fast die Hälfte darüber Gedanken. Diese Angst wird von der Politik sehr unterschätzt“, sagte Görres. Er sprach sich unter anderem dafür aus, die Kommunen zu stärken. Sie seien die zentrale Plattform für Versorgungsszenarien. Nur eine deregulierte Verantwortung führe zu maßgeschneiderten Konzepten.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #86.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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