Muss die niedersächsische Landesregierung bald ihre Facebook-Seiten abschalten? Seit mehreren Jahren schwelt ein Konflikt zwischen der Landesregierung und der unabhängigen, vom Landtag gewählten Landesbeauftragten für Datenschutz, Barbara Thiel (CDU). Es geht dabei um datenschutzrechtliche Bedenken beim Betrieb sogenannter Facebook-Fanpages. Thiel vertritt die Position, dass die Landesregierung ihre Seiten in dem sozialen Netzwerk dringend abschalten muss. Doch die Landesregierung hält wenig von diesem Vorschlag.

Regierungssprecherin Anke Pörksen lässt die Landesdatenschutzbeauftragte Barbara Thiel abblitzen. | Foto: Staatskanzlei/von Dithfurth, Canva, Heike Göttert

Staatskanzlei will bei Facebook weitermachen wie bisher

In einer E-Mail der Regierungssprecherin Anke Pörksen vom 3. Januar, die dem Politikjournal Rundblick vorliegt, wird nun noch einmal deutlich, welche Strategie die Staatskanzlei bei diesem strittigen Thema einnehmen will: „Wir werden jetzt erst einmal abwarten und nicht noch einmal reagieren, die Argumente sind ausgetauscht“, schrieb Pörksen an einen unbekannten Empfängerkreis vermutlich innerhalb der Landesregierung, und fügte an: „Ich würde keine generelle Linie für die Landesverwaltung vorgeben wollen, würde aber empfehlen überall dort, wo man meint, die Facebook-Kommunikation zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben zu benötigen, weiterzumachen.“ Die Regierungssprecherin im Range einer Staatssekretärin schlägt angesichts der wiederholten Ermahnung durch die Landesdatenschutzbeauftragte also vor, schlichtweg abzuwarten und nicht zu reagieren.

Facebook-Fanseite laut DSGVO derzeit nicht erlaubt

Worin besteht nun aus datenschutzrechtlicher Sicht das Problem am Betrieb der Facebook-Fanseiten, die nicht nur die Regierung, sondern auch zahlreiche Persönlichkeiten oder Unternehmen nutzen? Die Landesdatenschutzbeauftragte Thiel teilt die juristische Auffassung, dass der datenschutzkonforme Betrieb solcher Seiten nach aktuellem Stand und im Sinne der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) überhaupt nicht möglich ist. Rückendeckung erhält sie dabei von ihren Kollegen aus der restlichen Republik.

Bereits im Juni 2018 verabschiedete die Konferenz der Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder eine Entschließung mit dem vielsagenden Titel: „Die Zeit der Verantwortungslosigkeit ist vorbei: EuGH bestätigt gemeinsame Verantwortung von Facebook und Fanpage-Betreibern“. Darin geht es darum, dass der Europäische Gerichtshof zu der Auffassung gelangt ist, dass derjenige, der eine Fanpage bei Facebook betreibt, für den Umgang mit den Nutzerdaten genauso verantwortlich ist wie der Facebook-Konzern selbst. Weil vielfach unklar bleibt, was der Facebook-Konzern mit den Nutzerdaten treibt, verstößt das gegen die DSGVO.

Da die Datenschützer gegen den gigantischen US-Konzern und seine europäischen oder deutschen Niederlassungen aber kaum ankommen, zielen sie nun auf die hiesigen Unternehmen. Niedersachsens oberste Datenschützerin argumentiert noch einen Schritt weiter: Wie solle sie gegen Unternehmen vorgehen, wenn nicht einmal die staatlichen Einrichtungen sich an ihre Vorgaben halten? Daher der dringende Appell an die Landesregierung.

Regierung will Kommunikation an den Medien vorbei

Auf den Facebook- und Instagram-Kanälen (beides gehört zum Unternehmen Meta Inc., das aus Facebook hervorgegangen ist und kürzlich erst umbenannt wurde) veröffentlicht die Landesregierung beispielsweise die bunten Grafiken zur Corona-Inzidenz, Erklär-Bilder zur Corona-Verordnung oder eigens dafür produzierte Videos vom Ministerpräsidenten. Es ist längst üblich, dass Regierungsorganisationen über diesen Weg an den klassischen Medien vorbei direkt mit den Bürgern kommunizieren. Das ist auch die Begründung der Staatskanzlei für den Betrieb der Seiten: Gerade in diesen herausfordernden Zeiten einer Pandemie könne man auf diese zusätzlichen und von vielen Bürgern genutzten Kommunikationswege nicht verzichten.

Der Datenschutzbeauftragten bleibt derweil wenig mehr, als immer wieder auf das Problem hinzuweisen. Ein scharfes Schwert ist den Datenschutzbeauftragten mit der DSGVO gerade in der Auseinandersetzung mit staatlichen Behörden nicht in die Hand gegeben worden. Denn die EU ging davon aus, dass sich staatliche Behörden an geltendes Recht halten werden. Das weiß auch die Regierungssprecherin und schreibt in ihrer Mail: „Wiederholen würde ich gerne den Hinweis, dass die Landesdatenschutzbeauftragte ihre Forderungen uns gegenüber nicht gerichtlich durchsetzen kann, gleichzeitig stimmt es natürlich, dass von öffentlichen Stellen die Einhaltung des geltenden Rechts verlangt werden kann, siehe Art. 20 Abs. 3 GG.“ Dennoch rät sie zum Ignorieren der Datenschutzbeauftragten – wohl ahnend, dass vermutlich auch ein Großteil der Bevölkerung keinen Anstoß nehmen dürfte am Facebook-Auftritt des Ministerpräsidenten. Merkwürdig an diesem Streit ist auch, dass er sich auf Facebook konzentriert, während andere Kanäle wie Twitter oder Instagram außer Acht bleiben.