Angesichts des Klimawandels raten Experten, die Garderobe auch am Arbeitsplatz an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Andere rümpfen da nur die Nase und meinen: Wer in kurzer Hose ins Büro kommt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Tomas Lada und Christian Wilhelm Link verkörpern diese beiden Positionen in den Redaktionsräumen des Rundblicks.

Beinbekleidung war während der Corona-Pandemie nicht so wichtig. Setzt sich der Trend auch in postpandemischen Zeiten fort? | Foto: Mathias-Alvez via Getty Images

PRO: Weil man das schon immer so gemacht hat, ist kein Argument. Lange Hosen an heißen Tagen sind einfach doof, meint Tomas Lada.

Fragen Sie sich auch manchmal, ob Ihre Kollegen überhaupt Beine haben? Halten Sie mich bitte nicht für verrückt, aber bei dem Großteil meiner Kollegen könnte ich das nicht mit einhundertprozentiger Sicherheit sagen, da ich ihre Beine noch nie mit eigenen Augen gesehen habe. In vielen Jobs, vornehmlich Bürojobs, ist es eine Art stille Vereinbarung, lang behost den Gang zur Arbeit anzutreten. Aber wieso eigentlich? Weil man das immer schon so gemacht hat? 

Ich gebe zu, dass ich großer Fan der kurzen Hose bin. In den wenigen Wochen, in denen die Temperaturen hierzulande entsprechende Höhen erreichen, genieße ich die wohltuende Wadenfreiheit – jedenfalls im Privaten. Für den Weg ins Büro oder zu Terminen bleibe ich aber oft bei dem traditionellen Outfit, also der langen Hose. Vermutlich lässt mich eine gewisse Unsicherheit morgens vor dem Kleiderschrank dann doch die Jeans-Revolution verhindern. Aber ist das wirklich noch zeitgemäß? Ich denke nicht. Wir haben in den vergangenen Jahren die vermutlich größten Umbrüche der Arbeitswelt seit Jahrzehnten erlebt, jetzt können wir auch endlich über angemessene Hosenlängen sprechen.

Lange Hosen an heißen Sommertagen sind nämlich doof! Unser Kleidungsstil hat sich weiterentwickelt, das Arbeiten an sich hat sich weiterentwickelt – wem wollen wir hier eigentlich noch etwas vormachen? Ist es wirklich notwendig bei 35 Grad im Frack und Zylinder im Büro zu sitzen? Ich denke nicht. An vielen Stellen sind wir schon „Business Casual“ unterwegs, Krawatten werden nur noch zu ganz besonders förmlichen Anlässen getragen, Jeans zum Sakko bei geöffnetem oberem Hemdknopf – kein Problem. Gehen Sie mit mir gemeinsam also den nächsten Schritt. Seien Sie mutig, zeigen Sie Wade!

„Kleider machen Leute“ – schon klar. Mode ist allerdings vergänglich und spiegelt immer auch den aktuellen Zeitgeist wider. Ein schickes Oberhemd kombiniert mit einer kurzen Stoffhose, passendem Gürtel und modischen Sneakern – sind wir dadurch weniger seriös? Mir gefällt dieser Look, er ist ebenfalls Business Casual ohne die ganzen Nachteile unnötig langer und schwerer Anzughosen bei heißen Temperaturen, die uns jeglichen Wohlfühlfaktor im Büro nehmen, wenn wir uns nicht zu jenen Glücklichen dazuzählen können, die eine Klimaanlage in ihrer Nähe haben. Ich gehe nicht davon aus, dass sich jemand beim Anblick meiner unbestofften Waden angegriffen oder weniger respektiert fühlt. Besonders erotisch sind Waden nun auch wirklich nicht, das Argument sexualisierter Freizügigkeit lasse ich nicht gelten. Und bauchfrei mit freiliegendem Bauchnabelpiercing wird mich der Kollege Christian Wilhelm Link auch definitiv nicht im Büro sehen, das kann ich versprechen. Also: schön locker durch die kurze (!!) Hose atmen!

An besonders heißen Tagen sollten wir unsere größtenteils noch strengen Kleiderordnungen endlich etwas lockern und zumindest untereinander die kurze Hose wieder dulden. Davon ausgeschlossen bleibt aber selbstverständlich die Jogging-Schlabberhose. Die ist furchtbar, ganz egal in welcher Länge. Da sind wir uns einig, oder? Oder? Und falls Sie doch befürchten mit der kurzen Hose bei einem spontanen Termin mal etwas underdressed beziehungsweise „short-dressed“ zu sein, kann ich Ihnen einen kleinen Tipp mitgeben: Wenn ich hin und wieder im Hochsommer im unklimatisierten Dachgeschossbüro zum kurzen Modell greife, habe ich immer noch eine „Reserve-Hose“ in langer Ausführung auf der Rückbank meines Autos liegen. Das hat gleich zwei Vorteile: Wenn der Ministerpräsident spontan zum Kaltgetränk einlädt, kann nur dieser mit ungewöhnlicher Hosenwahl überraschen. Und andererseits können Sie sich in der Mittagspause mit drei Kugeln Eis vollkleckern, ohne für den Rest des Tages den Spott der Kollegen ertragen zu müssen.


CONTRA: Kurze Hosen im Büro sind nicht nur aus ästhetischen Gründen ein No-Go. Es geht auch um die Haltung und die Rolle, die man einzunehmen hat, meint Christian Wilhelm Link.

Schon der Lyriker und Satiriker F.W. Bernstein wusste: „Zwischen Knie und Sockenrand / ist erotisch ödes Land. / Schön ist zwar die Wade, / doch sie bringt‘s nicht. Schade.“ Insbesondere das Käsebein ist ästhetisch höchst problematisch und sollte daher nur dort präsentiert werden, wo sich die Mitmenschen diesem Anblick schnell und einfach entziehen können. Im Büro, wo man üblicherweise wenig Rückzugsmöglichkeiten hat, verpflichtet einen daher alleine schon die Rücksichtnahme auf die restliche Belegschaft zum Verzicht auf entblößte Beine. Und wer aus tiefster Inbrunst davon überzeugt ist, dass seine Unterschenkel ein Gottesgeschenk an die Menschheit darstellen, der kann gerne seine Waden auf den Kopierer legen und hundertmal vervielfältigen – aber die Kopien bitte nicht ungefragt verteilen.

Kurze Hosen im Büro sind aber nicht nur aus ästhetischen Gründen ein No-Go, sie stellen vor allem einen Frontalangriff auf das professionelle Arbeitsumfeld dar. Dass Menschen sich nämlich möglichst passend für ihren Beruf kleiden, gehört zur Gesellschaft immer schon dazu. Vor der Erfindung von Personalausweis, Personalakte und LinkedIn-Profil hatte das teilweise auch einen ganz praktischen Effekt: Ganz nach der Devise „Kleider machen Leute“ konnte oft nur aufgrund der Kleidung erkennen, wem man da gerade eigentlich gegenübersteht. Die Kleiderordnung war schon allein deswegen streng geregelt, aber auch aus dem Grund, dass man seiner Zunft, seiner Gilde oder seinem Stand keine Schande bereitet. Heute wird das zwar alles etwas lockerer gesehen. Den Arbeitgeber, das Unternehmen oder die Branche kann man durch allzu saloppe Kleidung aber immer noch blamieren.

Außerdem schlüpft man nicht nur in eine Kleidung, man schlüpft auch gleichzeitig in eine Rolle und man drückt eine Haltung aus. Wer einen maßgeschneiderten Anzug im Büro trägt, hat offenbar noch große Ziele und will sich den Aufgaben stellen, die da vor ihm liegen. Da knistert die Luft geradezu vor Engagement. Wer dagegen im Trainingshemd durchs Büro eiert, wirkt eher so als hätte er am Morgen verschlafen und sich hastig das erstbeste Kleidungsstück übergezogen, weil er heute sowieso niemand wichtigen mehr trifft.

Ähnlich verhält es sich mit kurzen Hosen. Wer mit Shorts an der Arbeit aufläuft, wirkt urlaubsreif, arbeitsmüde oder lustlos. Da benötigt man als Kollege oder Kunde schon eine enorme Willensanstrengung, um sich einzureden, dass man es hier gerade mit einem Profi zu tun hat. Eine Ausnahme bildet dabei freilich die IT, bei der viel zu legere Kleidung quasi zum Berufsbild gehört. Andererseits haben IT-Mitarbeiter unter anderem wohl auch deswegen den Ruf weg, nicht gerade mit dem größten Elan ans Werk zu gehen.

Nun kann man natürlich entgegnen: Was hast du denn? Es gibt doch auch geschmackvolle kurze Hosen, die total stilvoll sind und auch ins Büro passen. Das Problem dabei ist, dass selbst elegante Shorts die Gefahr bergen, dass daraufhin alle modischen Dämme brechen. Erst fängt es mit einer kurzen Chino an. Dann werden die Halbschuhe plötzlich gegen Sandalen ausgetauscht. Und ehe man sich’s versieht, läuft plötzlich die halbe Belegschaft barfuß und in Badehose durchs Büro. Da sage ich ganz klar: Wehret den Anfängen!