Fabian Feil, Präsident des niedersächsischen Landesgesundheitsamtes, warnt vor den Risiken der Hitzetage. Jede Privatperson, aber auch Arbeitgeber, Pflegeeinrichtungen und Kommunen sollten das Thema ernstnehmen, fordert er im Gespräch mit Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter.

Rundblick: Herr Feil, der April war so warm wie noch nie, der Frühling kam vier Wochen früher als üblich. Die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen warnte neulich sogar vor einer ganzjährigen Allergiker-Saison, auf die man sich einrichten sollte. Teilen Sie die Sorge?
Feil: Es wird nun jedenfalls deutlich: Das Klima ändert sich und damit auch die Umgebung. Es verändern sich Vegetationszeiten und damit beispielsweise die Pollenflugsaison. Und wir beobachten auch sehr genau, wie sich durch die Verschiebung des Klimas Vektoren ausbreiten – also Zecken oder Mücken, die Träger von Krankheitserregern sein können. Aber ganz besonders wichtig ist: Die Hitzetage im Sommer nehmen zu, wodurch bestimmte Menschengruppen akut gefährdet werden. Das ist alles Fakt. Die Herausforderung ist, dass das alles schleichend passiert.
Rundblick: Wieso macht es das zu einer Herausforderung?
Feil: Das Problem ist, dass diese Entwicklung deshalb lange Zeit nicht ernst genug genommen wurde. Seit 20 Jahren gibt es den Hitzewarndienst und wir halten allerlei Informationsmaterial vor, wie man Kinder oder Ältere vor der Hitze schützen kann. Aber weil die Hitzetage zuerst nicht so kamen, wie angenommen wurde, hat man das Problem zunächst abgetan. Das ändert sich allmählich.
Rundblick: Wie reagieren Sie beim Landesgesundheitsamt auf die Herausforderung der zunehmenden Hitze?
Feil: Zunächst setzen wir weiter darauf, die Bevölkerung im Allgemeinen zu informieren. Dazu gehören solche simplen Ratschläge wie zum Beispiel, dass man nicht in der Mittagshitze Sport treiben oder zum Einkaufen gehen soll, dass man im Sommer leichte Kleidung wählt und auch leichte Mahlzeiten zubereitet, wenn es heiß ist. Wir möchten auch im Arbeitsumfeld dafür sensibilisieren, dass man in der Sommerzeit eventuell zu flexibleren Arbeitszeitmodellen finden muss. Dazu zählt die Erkenntnis, dass man in der heißen Zeit des Tages vielleicht nicht ganz so produktiv ist, dass sich der Dresscode im Sommer ändern kann oder dass man auch gut im Homeoffice arbeiten kann, wenn es dort kühler ist als im Büro. Man muss das Risiko in allen Bereichen wahr- und ernstnehmen.

Rundblick: Wie können Sie mit Ihren Ratschlägen durchdringen?
Feil: Ein Ansatzpunkt für uns ist der öffentliche Gesundheitsdienst. Der muss zwar nicht alles selbst machen, aber die Gesundheitsämter können die Aufgabe wahrnehmen, für das Problem zu sensibilisieren und immer wieder deutlich zu machen, wo überall das Thema Gesundheit mit drinsteckt. Man spricht auch von „Health in All Policies“. Sie müssen nicht die Bäume pflanzen, können aber darauf hinweisen, dass schattige Zonen wichtig sind für ein kühleres Klima in der Stadt. Sie müssen nicht die Häuser planen, aber können bei der Bauplanung daran erinnern, dass große Fensterfronten zur Südseite schwierig sein werden. Sie müssen nicht den Sozialdienst übernehmen, aber darauf hinweisen, dass es bei der Unterstützung von Obdachlosen längst nicht mehr nur um Wärmeräume im Winter, sondern unbedingt auch um kühle Räume und Flüssigkeit im Sommer geht. Die Gesundheitsämter können für all die Bereiche dann auch Ratgeber sein, indem sie zum Beispiel Best-Practice-Beispiele aus dem ganzen Land zusammentragen. Wir tun das beim Landesgesundheitsamt etwa schon mit einer Vorlage für einen Hitzeschutzplan für Pflegeeinrichtungen.
Rundblick: Was muss so ein Hitzeschutzplan dann beinhalten?
Feil: Wichtig ist, dass man sich die unterschiedlichen Zielgruppen bewusst macht, Verantwortlichkeiten abklärt und dann für bestimmte Zeiträume entsprechende Maßnahmen festlegt. Es ist unsere Aufgabe, auch die besonders Empfindlichen zu erreichen – also Kinder, Vorerkrankte oder Alte und Pflegebedürftige. Wir bieten deshalb zum Beispiel Fortbildungen für Pflegekräfte an, die gekoppelt werden können mit den Hygienefortbildungen. Da geht es dann zum Beispiel darum, dass man darauf achten muss, dass ältere Menschen kein so starkes Durstgefühl mehr haben. Außerdem denken wir darüber nach, bei unseren Hygienekontrollen in Kranken- und Pflegeeinrichtungen einfach nur nachzufragen, ob es dort schon Hitzeaktionspläne gibt. Im Krankenhaus sollte beispielsweise darauf geachtet werden, welchen Patientinnen und Patienten man im Sommer zumuten kann, im Südflügel untergebracht zu werden.
Rundblick: Wie ist die Resonanz auf Ihr Schulungsangebot?
Feil: Das Interesse ist enorm. Wir haben deshalb Anfang des Jahres das „Niedersächsische Aktionsforum Gesundheit und Klima“ (NAGuK) ins Leben gerufen, bei dem alle wesentlichen Akteure des Gesundheitswesens mitwirken. Wir verstehen dies als Ergänzung zum „Niedersächsischen Kompetenzzentrum Klimawandel“, das beim Umweltministerium angedockt ist und sich schwerpunktmäßig mit Klimaberichten und den Klimafolgen befasst und dabei Umwelt- und stadtplanerische Ansatzpunkte verfolgt. Unser Aktionsforum hat sich jetzt einmal getroffen und wir schauen gerade, wie wir die Arbeit sinnvoll verstetigen.
Rundblick: Sehen Sie noch weitere Ansatzpunkte, an denen das Gesundheitswesen beim Klimaschutz eine Rolle spielen kann?
Feil: Neben den notwendigen Anpassungen an das bereits veränderte Klima muss auch der Gesundheitsbereich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten und dabei denke ich vor allem an die nachhaltige Verwendung von Ressourcen. Mehr als fünf Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland sind dem Gesundheitssektor zuzuschreiben. Das beste Beispiel für eine unsinnige Ressourcenverschwendung ist der Einsatz von Einmalhandschuhen. Diese werden zu häufig genutzt, dienen dann aber meist nicht mal der Hygiene – im schlimmsten Fall erreichen sie sogar das Gegenteil, weil die Pflegekräfte dann weniger auf die eigentliche Handhygiene achten. Impfen zum Beispiel muss man nicht mit Handschuhen, das ist nicht notwendig. Wir müssen im Gesundheitsbereich genau hinschauen, wann die Hygiene tatsächlich gefährdet ist, und wo man noch einsparen könnte. Ein weiterer Ansatz wäre etwa die Verpflegung, mindestens bei Fortbildungen könnte man dann auf eine komplett vegetarische oder vegane Ernährung umsteigen.
