Das Stichwort heißt „Workation“ und ist eine Mischung der englischen Begriffe Work (für Arbeit) und Vakation (für Urlaub). Es geht um die Frage, ob der Mensch der Zukunft in den Urlaub fahren und gleichzeitig arbeiten sollte – oder ob die klassische strikte Trennung von Freizeit und Arbeitszeit heiliggehalten werden sollte. Die Rundblick-Redaktion widmet sich dem Thema in einem Pro und Contra.

Arbeit, wann und wo man will … auch im Urlaub? | Foto: kitzcorner via Getty Images

PRO: Viele Jahrzehnte lang waren die Menschen auf die Trennung von Arbeit und Freizeit schon allein deshalb angewiesen, weil sie für ihre Tätigkeit einen anderen Ort aufsuchen mussten – die Fabrik, das Büro oder den Kunden, bei denen etwas erledigt wurde. Nur in einigen Bereichen, etwa der Landwirtschaft, war der Ort des Lebens auch der Ort der Arbeit. In vielen Branchen, längst nicht in allen, gibt es heute andere Möglichkeiten. Man kann Aufgaben von zuhause aus erledigen oder aus dem Urlaub. Das Büro ist dann in Gestalt des Laptops immer dabei – und jederzeit einsatzbereit. Das ist auch gut so, meint Klaus Wallbaum.

Ein wichtiger Hinweis vorweg: Die Veränderung der Arbeitswelt, die mit neuer Technik immer besser möglich ist, schafft Ungerechtigkeiten. Die Kassiererin im Supermarkt oder der Fließbandarbeiter in einer großen Werkhalle hat nicht die Freiheiten, die der Projektentwickler genießen kann. Aber sollte man, um der Gleichbehandlung willen, dem einen die Chancen nehmen, das der andere diese aufgrund des Charakters seiner Arbeit gar nicht haben kann? Man sollte es nicht. Es ist allerdings besonders wichtig, immer einen Umstand zu beachten: Von Fortschritten und Segnungen der Neuerungen kann immer nur ein Teil profitieren, während ein anderer die Wahlmöglichkeit nicht hat. Das kann Belegschaften auch innerhalb eines Betriebes spalten, in dem der eine Teil Freiheiten nutzt, auf die der andere vermutlich neidisch sein wird. Auf den Ausgleich zwischen beiden Gruppen muss besonderer Wert gelegt werden. Wenn den einen mehr Rechte gegeben werden, müssen die anderen in anderer Weise ebenfalls eine besondere Wertschätzung erfahren.

Trotzdem, oder gerade deshalb: Wo mehr Flexibilität möglich ist, sollte sie genutzt werden. Wer einen schwierigen Auftrag am Laptop erledigen kann, sollte dies auch am Rande seiner womöglich aufregenden Urlaubsreise tun können. Die örtliche und zeitliche Begrenzung der Arbeitstätigkeit (in Form des pünktlichen Beginns und des pünktlichen Endes) entspricht häufig nicht mehr der Wirklichkeit – vor allem dann, wenn sich spezielle Aufträge nicht innerhalb der vom Arbeitstakt vorgegebenen Zeiten erledigen lassen. Kommt eine bestimmte Information, ohne die ein eiliger Auftrag nicht vollendet werden kann, nachts um 3 Uhr an, dann sollte der Arbeitnehmer die Freiheit oder auch die Verpflichtung haben, nachts um 3 Uhr die Nachricht zu bearbeiten und damit sein Werk zügig abschließen. Und wenn ein Arbeitnehmer ganz viele solche Aufträge mit ungewöhnlichen, eventuell sogar zeitlich unberechenbaren Zulieferungen zu erfüllen hat, dann sollte auch der Grundsatz gelten: Nur aus Rücksichtnahme auf viele unkalkulierbare Einflüsse auf den Arbeitsprozess sollte er seinen Urlaubsplan nicht an den Nagel hängen müssen. Dann hilft als Ausweg eben: Arbeit und Urlaub verbinden. Zumindest die Möglichkeit dazu muss gegeben sein.

An dieser Stelle aber ein wichtiger Einwand: Die Vermischung von Arbeit und Freizeit hat Grenzen und verlangt eine strenge Disziplin. Niemand sollte sich zum Sklaven seiner Arbeit machen und die Erholung und Entspannung vernachlässigen. In der Gefahr sind viele Menschen heute schon. Am Ende entscheiden sie als selbstverantwortliche Wesen über ihr Leben. Auf sie aufzupassen, Rat zu geben oder Hilfestellung, das muss auch Aufgabe der Gemeinschaft oder des Staates sein. Arbeitsschutzregeln sind aus diesem Grund geschaffen worden. Das ist die eine Seite. Niemand sollte aber auch seine Arbeit halbherzig erledigen und sich ihr nur mit halber Aufmerksamkeit widmen, da die Freizeitgestaltung jede Menge Ablenkung bereithält. Es gibt Klagen über Homeoffice-Tätigkeiten, die ganz viel Home und ganz wenig Office beinhalten. Wer kontrolliert es, wer sorgt für die Anbindung an den Betrieb? In der Praxis birgt vieles ein Risiko, da das Funktionieren von „Workation“ sehr stark von der Persönlichkeit derer abhängt, die diesen Weg in Anspruch nehmen. Daher sollte jeder, der das will, auch in eine Bewährungsphase eintreten und schauen, ob das Modell etwas für ihn ist.


CONTRA: Wenn Beschäftigte viel Zeit fern vom Arbeitsplatz verbringen, entsteht ein Ungleichgewicht im Team. Außerdem sollte regelmäßige Erholung der Normalfall sein, nicht erst die Reißleine, meint Anne Beelte-Altwig.

Ein Gespräch am Buffet. „New Work“ habe bei ihm in der Firma Einzug gehalten, erzählt der Mann in der Warteschlange. Kein eigener Schreibtisch mehr. Morgens holt er seine Sachen aus dem Spind und sucht sich einen freien Platz. Montags finde er das noch prima, genieße den Austausch mit immer wechselnden Kollegen. „Dienstags“, sagt er, „habe ich schon keinen Bock mehr und arbeite lieber im Homeoffice.“ Super, wenn man diese Alternativen hat: zu Hause oder sogar irgendwo mit Blick auf das Meer oder die Berge zu arbeiten. Aber ist es das, was sich Arbeitgeber und Beschäftigte wirklich wünschen sollten? Sollte es nicht das Ziel sein, ein Umfeld zu schaffen, in dem Beschäftigte gerne im Team produktiv sind? Großzügige Workation-Regelungen sind gut, Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen vor Ort ist noch besser. 

Wenn Beschäftigte viel Zeit fern vom Arbeitsplatz verbringen, entsteht ein Ungleichgewicht im Team. Kollegen, die nicht diese Möglichkeit haben, weil es die Art ihrer Tätigkeit oder ihre private Situation nicht erlauben, werden vielleicht ein bisschen neidisch sein. Es wird mehr oder minder laut gefragt, was die Kollegin da genau macht in ihrer Arbeitszeit – und ob das wirklich dem Team nützt oder nur ihr selbst. Die betroffene Person merkt vielleicht erst zu spät, was sich da in der Gerüchteküche zusammenbraut, denn sie ist ja weit weg.



Klar, die besten Ideen kommen oft nicht am Schreibtisch, sondern beim Wandern oder beim Strandspaziergang. Trotzdem ist Urlaub vor allem zum Erholen da, damit man danach mit frischer Energie wieder loslegen kann. Auch der Familie gegenüber ist das fair. Gerade die Urlaubszeit bietet sich an, um den Partner (meistens: die Partnerin) zu entlasten, der normalerweise den größeren Teil der Sorgearbeit schultert. Wer permanent mit dem Kopf bei der Arbeit ist, erholt sich nicht wirklich. Und er geht mit schlechtem Beispiel voran: Er erzeugt einen Druck auf die Kollegen, ebenfalls im Urlaub erreichbar zu sein. Zeit für sich selbst, für Familie, Freunde und gesellschaftliches Engagement zu brauchen, sieht dann wie eine Schwäche aus – oder sogar wie Faulheit. Das ist es aber nicht. Regelmäßige und vollständige Erholung sollte der Normalfall sein, nicht erst die Reißleine, wenn jemand kurz vor dem Burn-Out steht. 

Es spricht nichts dagegen, seinen Job zu lieben und sich auch über die reguläre Arbeitszeit hinaus verantwortlich zu fühlen. Aber dafür sollte es im Team klare Einsatzpläne geben: Wer hält sich für den Notfall in Bereitschaft und wer hat definitiv frei? Wenn es nötig ist, dass jemand nachts oder am Wochenende arbeitet, sollte er einen fairen Zuschlag dafür bekommen. Und wenn es nicht nötig ist: einfach mal abschalten. Übrigens tut es auch dem Team gut, wenn es sich mal neu sortieren muss und Aufgaben von einer anderen Person übernommen werden als sonst. Manchmal kommen überraschende Ergebnisse dabei heraus. Und vielleicht entdeckt der Kollege, der die Chefin vertreten muss (oder darf), ja sein bisher unbekanntes Talent für Führungsaufgaben.