Darum geht es: Am Freitag berät der VW-Aufsichtsrat über die Investitionsplanungen für die nächsten fünf Jahre. Erst vergangene Woche bestätigte VW-Chef Matthias Müller, dass der Autobauer eine eigene Batteriefabrik in Deutschland bauen möchte. Aber braucht Volkswagen so eine Fabrik überhaupt? Ein Pro & Contra aus der Rundblick-Redaktion.

Mehr Käufer durch das Batterie-Label "Made in Germany"? - Foto: Jakob Brüning

Mehr Käufer durch das Batterie-Label „Made in Germany“? – Foto: Jakob Brüning

PRO: In Zukunft wird die Frage wichtiger denn je, wer die Hoheit hat über Produktionsprozesse, Zuliefersysteme und Handelsnetze. Deshalb ist es richtig, dass Volkswagen in den Aufbau einer eigenen Batteriebetrieb investiert, meint Klaus Wallbaum.

Niemand will bestreiten, welch gewaltige Vorteile die Globalisierung hat: Produktionsprozesse können in Billiglohnländer ausgegliedert werden, das macht viele Erzeugnisse viel günstiger – und die Wirtschaft wettbewerbsfähig. Diese großartige Vernetzung wird immer perfekter, und zugleich läutet die Digitalisierung ein neues Zeitalter ein – vielleicht werden Autos künftig so hergestellt, dass ein Computer per Knopfdruck aus Stahl, Metall und Glas die nötigen Teile formt und gleich anschließend zusammenschweißt. Weil Öl als Rohstoff allmählich versiegt, werden die Autos der Zukunft wohl einen Elektroantrieb benötigen. Damit wird auch die Batterietechnik wichtig, und es wäre trotz der Marktgesetze der Globalisierung durchaus ein sinnvoller Weg, eine Batteriefabrik auch in Deutschland zu bauen, vielleicht in Salzgitter, wie von Volkswagen nun auch erwogen wird.

Ökonomisch klingt das unklug: Warum soll man in Deutschland für viel Geld Batterien bauen, die woanders, wo die Personalkosten weitaus niedriger sind, viel günstiger hergestellt werden könnten? Die Antwort liegt in der Veränderung der Welt: Bisher gibt es einen Vorrang der Wirtschaft, Tendenzen der Abgrenzung konnten nicht wirklich Bahn greifen, weil die zunehmende internationale Vernetzung den positiven Effekt hat, für viele Volkswirtschaften auch lohnenswert und ertragsreich zu sein. Aber wird dieser Primat der Wirtschaft dauerhaft bleiben, auch wenn sich nationalistische, fremdenfeindliche und protektionistische Haltungen in vielen Ländern erheblich verstärken? Der weltweite Handel und Austausch, der sicher auch die Demokratie als Staatsform und das Miteinander unterschiedlicher Kulturen in vielen Ländern gefördert hat, erreicht womöglich seinen Höhepunkt. Einiges spricht dafür, dass ein gegenteiliger Trend nun einsetzt. Positiv kann man das ausdrücken als „Rückbesinnung auf eigene Stärken“, negativ als Form der Abschottung. Auf jeden Fall sollten die Säulen der Wirtschaft Deutschlands gerüstet sein für eine solche Entwicklung. Und wenn das stimmt, dann heißt das für VW: Gut sind Investitionen dann, wenn sie in die Breite gehen – ein breites Segment an Fahrzeugen, ein breites Netz an Zulieferern, die verlässlich und immer gut erreichbar sind, und nebenan eine Abteilung für Forschung und Entwicklung im eigenen Land. Wenn die Batteriefabrik in Salzgitter steht, zieht das (man möchte sagen: magnetisch) diejenigen an, die sich viele Gedanken über eine noch effektivere Technologie machen. Die Nähe zur Produktion kann die Forschung befruchten. Sicher, man muss dann umso mehr aufpassen, nicht „im eigenen Saft zu schmoren“, wettbewerbsfähig zu bleiben und immer auch über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen – weil es die anderen in der Ferne womöglich besser machen. Auf der anderen Seite hätte es Vorzüge, wenn alle wichtigen Produktions- und Forschungsstätten für ein modernes Produkt um die Ecke erreichbar wären. Man ist dann weniger anfällig angesichts einer Politik, die unter dem Einfluss von immer mehr Populismus ihren rationalen Kern verlieren könnte.

Noch ist ja alles nicht so schlimm. Zu warnen wäre auch davor, die Anzeichen einer negativen Veränderung der Welt zu übertreiben. Am Ende haben sich meistens die Vernünftigen durchgesetzt, wenigstens langfristig. Aber vielleicht geht es bei solchen Zukunftsentscheidungen auch darum, auf Ängste und Sorgen von Menschen einzugehen, die mit dem Absterben alter Industrien die Sorge verbinden, selbst irgendwann überflüssig und nutzlos zu werden. Solche Leute sind, die USA haben es bei der Wahl von Donald Trump gezeigt, ein nicht zu unterschätzendes politisches Potenzial. Und jede Regierung tut gut daran, auf solche Befürchtungen eine Antwort zu haben.

Eines gilt nämlich auch: Wenn eine moderne Batteriefabrik weitgehend mit Robotern auskommt, dann fallen die Arbeitskosten gar nicht so sehr ins Gewicht. Am Rande aber könnten schon Arbeitsplätze entstehen, einfach dadurch, dass diese Produktion Teil eines größeren Prozesses wird. Auch deshalb sind solche Standortentscheidungen für die Zukunft enorm wichtig.

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Volkswagen_Batteriefabrik

CONTRA: Der VW-Entscheidung liegen falsche Motive zugrunde. Sie erinnert damit eher an Old Economy denn an die Industrie der Zukunft, meint Martin Brüning.

Wer immer alles selbst machen möchte, gilt als Perfektionist. Allerdings ruiniert er sich damit auf lange Sicht seine Gesundheit. Die Autokonzerne haben schon vor längerer Zeit damit aufgehört, alles selbst machen zu wollen und zu müssen. Denn für das sogenannte Outsourcing, also die Verlagerung von Arbeiten auf die Zuliefererbetriebe, gibt es viele gute Gründe. Dabei sind massive Kosteneinsparungen nur einer der vielen Vorteile. Outsourcing kann auch eine bessere Qualität durch die Arbeit von Experten zur Folge haben. Zudem macht es das Unternehmen effektiver und flexibler.

Umso erstaunlicher ist es, dass bei Volkswagen jetzt Pläne für eine eigene Batteriefabrik reifen. Es ist sicher richtig, dass die deutschen Autobauer bei der Batterietechnologie in den vergangenen Jahren nicht gerade Frontrunner gewesen sind. Ob das aber an den fehlenden eigenen Werken zur Batterieproduktion gelegen hat, darf getrost in Frage gestellt werden. Vielmehr tun sich Unternehmen immer schwer mit radikalen Neuerungen, wenn mit den aktuellen Produkten gutes Geld verdient wird. Und die Akzeptanz der E-Mobilität bei den Konsumenten legt nicht unbedingt nahe, den Grundstein für eine neue Batteriefabrik zu legen.

Der VW-Entscheidung liegen falsche Motive zugrunde. Das ist zum einen eher ein volks- statt betriebswirtschaftlicher Hintergrund. Sicherlich ist es für Deutschland gut, unter dem Gesichtspunkt der Wertschöpfung die Batteriezellen im eigenen Land zu fertigen. Das muss aber für das Unternehmen nicht die betriebswirtschaftlich bessere Variante sein. Und es macht auch hellhörig, dass der Betriebsratschef des Unternehmens den Zukunftspakt mit der Errichtung der Batteriefabrik verknüpft. Aus solchen Konstellationen entstehen keine guten und betriebswirtschaftlich sinnvollen Entscheidungen. Zu guter Letzt erweist sich auch der politische Einfluss bei Volkswagen wieder einmal als Hindernis. Denn das Land hat selbstverständlich großes Interesse an einem neuen Batteriewerk in Niedersachsen. Leider ist die Politik nicht für besonders sinnvolle unternehmerische Entscheidungen bekannt und das Rechnen mit dem spitzen Bleistift liegt ihr auch nicht besonders. Und ob Niedersachsen bei allem Regionalpatriotismus überhaupt der richtige Standort für so ein Werk wäre, steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt.

Fakt ist: Die Produktion in Deutschland ist teuer. Ob der Verbraucher, der sich schon jetzt häufig für günstigere Automodelle aus Tschechien, Rumänien oder Südkorea entscheidet, in Zukunft den VW-Aufschlag bezahlt, weil die Batterie „Made in Germany“ ist, darf eher bezweifelt werden. Und das ein Unternehmen auf die Idee kommt, angesichts der industriefeindlichen EEG-Politik der Bundesregierung ausgerechnet eine energieintensive Batterieproduktion in Deutschland zu errichten, ist zumindest überraschend. Hinzu kommt: Niemand weiß, ob sich am Ende nicht doch die Brennstoffzelle durchsetzt, um deren Entwicklung sich die VW-Schwester Audi kümmern soll. Nicht weniger halten diese Technologie, die auch langstreckentauglicher ist als die kilometer-kurzatmigen E-Mobile, möglicherweise für zukunftsträchtiger. Auch deswegen stellt sich die Frage, ob man die nötigen Millionen nicht sinnvoller investieren könnte, statt in den Beton für eine neue Batteriefabrik. Die VW-Entscheidung erinnert daher eher an die Old Economy denn an die Industrie der Zukunft.

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