8. Dez. 2016 · 
Inneres

Polizisten protestieren gegen Lockerung des Vermummungsverbotes

Soll das Verbot, sich bei Demonstrationen mit Mützen, Masken und Kapuzen unkenntlich zu machen, gelockert werden? Im neuen rot-grünen Entwurf für ein neues Versammlungsgesetz wird vorgeschlagen, die Vermummung bei Demonstranten nicht mehr als Straftat, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit einzustufen. Doch dagegen rührt sich massiver Protest aus der Polizei. Während die zum DGB zählende „Gewerkschaft der Polizei“ die Änderung verteidigt mit den Worten, dies sei „ein möglicher Weg“, kommt von zwei zum Beamtenbund zählenden Organisationen deutliche Kritik. „Die geplante Aufweichung der Vorschrift ist nicht hinnehmbar“, sagt Dirk Hallmann von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Ulf Küch vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sagt: „Demonstrationen sollen friedfertig sein – das geht aber nur, wenn Vermummung und Gewalt nicht akzeptiert werden.“ [caption id="attachment_14255" align="aligncenter" width="780"]Halt, bitte mal die Vermummung entfernen: Teile der Polizei wollen das Verbot nicht lockern - Foto: Gerhard Seybert Halt, bitte mal die Vermummung entfernen: Teile der Polizei wollen das Verbot nicht lockern - Foto: Gerhard Seybert[/caption] Im Innenausschuss des Landtags hatten die Experten zu der geplanten Reform des Versammlungsgesetzes Stellung genommen. Im Kern geht es um neue Vorschriften zur Vermummung, zur Anmeldung von Demonstrationen und auch zu der Frage, ob es weiterhin eine Bannmeile vor dem Parlament geben soll. Der rot-grüne Gesetzentwurf rät, auf die Bannmeile künftig zu verzichten. Vor allem die Vermummung war im Ausschuss ein Streitthema. Hallmann von der Deutschen Polizeigewerkschaft, der selbst als Einsatzführer einer Hundertschaft in Hannover arbeitet, berichtete von seinen Erfahrungen. Immer wieder habe er die Maskierung von Demonstranten als Vorstufe dafür wahrgenommen, dass wenig später Steine, Flaschen und Urinbeutel auf Polizisten geworfen wurden. Solange die Vermummung eine Straftat ist, könne die Polizei umgehend gegen die betreffenden Demonstranten einschreiten. Wenn es aber nur noch eine Ordnungswidrigkeit sei, müsse der Einsatzführer abwägen, ob er das als gefährlich ansieht, und dann notfalls eine entsprechende Anweisung erteilen. „Über das später fällige Bußgeld von 70 oder 90 Euro lachen die Akteure doch nur“, meint Hallmann. Noch schlimmer sei das Signal, das mit der Herabstufung im Gesetz einhergehen würde, meint Hallmanns Vorstandskollege Alexander Zimbehl: „Man sagt: Das ist alles nicht so schlimm – und öffnet damit Tür und Tor für Gewalttäter.“ SPD und Grüne versuchten, den Entwurf zu rechtfertigen. Karsten Becker (SPD) meinte, die Klassifizierung als Ordnungswidrigkeit öffne mehr Möglichkeiten für das Agieren der Polizeiführung. Belit Onay (Grüne) sagte, es könne ja zur Deeskalation beitragen, wenn die Polizei gegen Vermummte nicht sofort einschreiten müsse, wie es bei einer Straftat ja geboten sei. Darauf entgegnete BDK-Chef Küch, schon heute handle jeder Einsatzführer nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Küch unterstützt Hallmanns Position aus eigener Erfahrung: „Ich bin seit 42 Jahren Leiter bei Großeinsätzen in Braunschweig – und ich weiß: Wenn die Leute beginnen, ihr Äußeres zu verändern, dann ist höchste Alarmstufe, weil es dann bald rund geht.“ Umstritten ist auch der Vorschlag im Gesetzentwurf, dass Anmelder von Demonstrationen nur noch Namen und Geburtsdatum nennen sollen, nicht mehr aber ihre Adresse. „Das ist komplett neben der Praxis“, sagte Heiger Scholz vom Städtetag für die Kommunalverbände. Wenn eine Kommune Auflagen für Versammlungen erteilen wolle, müsse sie einen Kommunikationspartner haben. BDK-Vorsitzender Küch ergänzte, Namen allein reichten nicht: „Allein der Name Wolfgang Müller füllt im Braunschweiger Telefonbuch mehrere Seiten.“ Dietmar Schilff von der Gewerkschaft der Polizei sagte: „Ich finde es nachvollziehbar, was die Kommunen hier vortragen.“
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #225.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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