7. Mai 2024 · 
Umwelt

OVG bestätigt Schnellabschuss von Wölfen, bemängelt aber Genehmigung

Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg hat im Rechtsstreit um das neue Verfahren zum vereinfachten Abschuss von Wölfen seine Entscheidung aus dem April nun begründet. Der vierte Senat des Gerichts hatte damals dem Widerspruch des Vereins „Gesellschaft zum Schutz der Wölfe“ stattgegeben und die erste Anwendung des neuen „Schnellabschuss-Verfahrens“ damit gestoppt. Die detaillierte Urteilsbegründung zeigt nun auf, wie es mit der Wolfspolitik in Niedersachsen künftig weitergehen kann.

Wolfsheulen | Foto: Jupiterimages via GettyImages

So wurde das neue Schnellabschuss-Verfahren, auf das sich Bund und Länder Ende vorigen Jahres verständigt hatte, im Grundsatz bestätigt. Dieses Verfahren sieht vor, dass ein Wolf innerhalb von drei Wochen nach dem letzten Weidetierriss in einem Umkreis von einem Kilometer rund um die entsprechende Weide getötet werden darf. Voraussetzung ist ein erhöhtes Rissaufkommen in der entsprechenden Region. In der neuen Regelung, wonach ein sich nähernder Wolf vor dem Abschuss nicht mehr zweifelsfrei als Schadenverursacher identifiziert werden muss, hatte das zuständige Verwaltungsgericht erstinstanzlich einen Widerspruch zum Bundesnaturschutzgesetz gesehen – bisher hatte es immer einer genetischen Analyse bedurft.

Dieser Auffassung schließt sich der vierte Senat des OVG nun explizit nicht an, eine Individualisierung des Tätertieres muss es deshalb auch in Zukunft nicht geben. „Die dem Verfahren zugrundeliegende Annahme, der Abschuss werde sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Wolf beziehen, von dem weitere Nutztierrisse drohten, sei nicht zu beanstanden“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichtes. Beanstandet wird vom Gericht allerdings die konkrete Ausnahmegenehmigung, für die formal der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zuständig war.

Der Senat bestätigte die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach diese Genehmigung „rechtswidrig“ war. Begründet wird die Entscheidung zunächst damit, dass den anerkannten Naturschutzverbänden keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei. Dies könne zwar mit einer Eilbedürftigkeit begründet werden, der entsprechende Bescheid habe eine solche Begründung aber nicht enthalten. Zudem sei nicht ausreichend begründet worden, dass es zum Abschuss des Tieres keine zumutbare Alternative gegeben hätte. In der Mitteilung des OVG ist von einer verbesserten Einzäunung oder einem veränderten Herdenmanagement die Rede.

Umweltminister Christian Meyer und der Wolf | Foto: GettyImages/Thorsten Spoerlein, Grüne, Montage: Rundblick

In dem konkreten Fall aus der Region Hannover war es um eine Rinderherde gegangen, für die vonseiten der Justiz bislang kein wolfsabweisender Zaun vorgeschrieben war, damit die Kriterien des zumutbaren Herdenschutzes als erfüllt galten. Es hieß stets, die Herde biete Schutz genug – was von Naturschutzverbänden angezweifelt wurde. Umweltminister Christian Meyer (Grüne) hatte wiederholt erklärt, man könne nicht auch alle Rinderweiden und Pferdekoppeln derart einzäunen. Das Gericht bemängelt weiter, dass mit der Ausnahmegenehmigung nicht ausreichend dargelegt worden sei, dass in der betroffenen Region „ernster wirtschaftlicher Schaden“ drohe, sollte der Wolf nicht abgeschossen werden. Begründet hatte man dies mit der Annahme, das Tätertier könnte die Fähigkeit, Rinder zu reißen, an seine Nachkommen weitergeben. Dem Gericht war eine „derartige mittel- bis langfristige Schadensprognose“ nicht ausreichend wissenschaftlich validiert.

Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen | Foto: DJV/Kapuhns, Montage: Link

Im niedersächsischen Umweltministerium will man die Begründung nun im Detail prüfen und mit Bund und Ländern gemeinsam auswerten. Man erkennt aber jetzt schon: Die Hürden für Abschüsse werden durch das OVG-Urteil deutlich höher und schwieriger. Insbesondere die ausführlichen Begründungen seien im Einzelfall in der Kürze der Zeit zwischen Riss und Abschussverfahren kaum zu verwirklichen. Umweltminister Meyer drängt derweil darauf, den „günstigen Erhaltungszustand“ als erfüllt anzuerkennen und ein Bestandsmanagement zu ermöglichen. Helmut Dammann-Tamke, Präsident der niedersächsischen Landesjägerschaft, kann die Entscheidung des OVG auf Basis des geltenden Rechts nachvollziehen, ärgert sich aber über das Agieren von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und nennt das Schnellabschuss-Verfahren eine Farce. Er fordert, die Bundesrepublik müsse alle Ausnahmeregelungen der FFH-Richtlinie in nationales Recht überführen, um Abschüsse von Wölfen tatsächlich zu vereinfachen.

Dieser Artikel erschien am 8.5.2024 in Ausgabe #085.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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