Von Martin Brüning

In gut zwei Jahren läuft der Glücksspielstaatsvertrag aus und man könnte meinen, es sei bis dahin noch genügend Zeit für eine Anschlussregelung. Allerdings dürfte der Weg nach bisherigem Ermessen lang und unerquicklich werden, denn die Trennlinien der verschiedenen politischen Ansichten verlaufen nicht nur zwischen den Bundesländern, sondern mancherorts auch zwischen den Regierungskoalitionen.

Streit ums Glücksspiel: Bundesländer und Regierungen können sich nicht einigen. – Foto: Rawf8

 

Das gilt teilweise auch für Niedersachsen. Ein zentraler Streitpunkt ist dabei der Umgang mit dem Online-Glücksspiel, abseits des staatlichen Lotto-Monopols. Weiter komplett verbieten – oder aber Anbieter aus dem bisherigen Graumarkt zulassen und gleichzeitig hart regulieren? Das sind grob beschrieben die beiden Alternativen. Befürworter beider Varianten finden sich sowohl in unterschiedlichen Bundesländern als auch in der niedersächsischen Landesregierung.

Niedersachsen will Glücksspielmarkt nicht öffnen

Wenig begeistert von einer Öffnung des Marktes ist man in der niedersächsischen Staatskanzlei und im Innenministerium. Das geht auch aus einem Beschlussvorschlag der SPD-geführten Länder Berlin, Hamburg und Niedersachsen hervor, der bei der Jahreskonferenz der Chefs der Staatskanzlei, die sich heute und morgen in Hamburg treffen, auf den Tisch kommen soll. Das Papier liegt dem Politikjournal Rundblick vor.

Darin geht es vor allem um „weitere Verbesserungen der Vollzugsmöglichkeiten“. So sollen die Arbeit der Aufsichtsbehörden gebündelt und unerlaubte Zahlungsverkehre schnell unterbunden werden. Auch gegen unerlaubte Werbung sollen die Landesmedienanstalten weiterhin konsequent vorgehen. Die Aufsicht soll personell, sachlich und technisch aufgerüstet werden.

Die EU sieht keine Begründung für weitere Verbote

Die Beschlussvorlage der drei Länder bietet keine Vision über das Ende des aktuellen Staatsvertrags hinaus und liest sich, als habe es die Kritik der EU-Kommission an der Glücksspielpolitik der Länder nie gegeben. Sie hatte nicht nur rechtliche Fehler beim Onlineangebot für Sportwetten angeprangert, die durch den dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrag nun behoben werden sollen, sondern auch bemängelt, dass die Verbote für weitere Online-Glücksspiele nicht gut begründet seien. Den Experten in Brüssel fehlt es schlicht an Daten, die eine Grundlage für die deutsche Verbotspolitik bilden könnten. Die „Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit“ der Maßnahmen sei „in hinreichender Art und Weise“ nachzuweisen, hieß es seitens der EU. Die mangelnde Evidenz wird auch in einem Evaluierungsbericht des Landes Hessen festgestellt. Auch die Zusammenfassung liest sich darin nicht gerade wie ein Lob für das aktuelle Vorgehen: „Als Fazit lässt sich feststellen, dass der Ansatz von einer Begrenzung des Spielangebots, entgegen den Zielen des Glückspielstaatsvertrags, sehr wohl zu einer Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten geführt hat.“

Mehrheit für Vorschlag aus Niedersachsen nicht wahrscheinlich

Wenig überraschend, dass Hessen der Beschlussvorlage Niedersachsens skeptisch gegenüberstehen wird. Aus Nordrhein-Westfalen soll eine anderslautende Beschlussvorlage kommen, Schleswig-Holstein will weiterhin seinen Weg der Marktöffnung für Online-Anbieter gehen. Die Zulassung von Online-Casinos ist für Kiel ein Muss, sogar Live-Sportwetten, bei denen man auf Tore und Ergebnisse bei Fußballspielen wetten könnte, will die Jamaika-Koalition in Kiel zulassen. Gleichzeitig sollen Werbenachteile für die staatlichen Lotto-Gesellschaften aufgehoben und Sozial-Lotterien attraktiver werden.

Hessen, NRW, Schleswig-Holstein und voraussichtlich auch Bayern werden den SPD-geführten Ländern nicht folgen. Eine Mehrheit für den Vorschlag aus Niedersachsen ist damit wenig wahrscheinlich. Für einen neuen Glücksspielstaatsvertrag ist später die Zustimmung von mindestens 13 Bundesländern nötig. Angesichts der aktuellen Stimmungslage wird das ein schwieriges Unterfangen. Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann hat beim Online-Glücksspiel Sympathien für das dänische Modell. Seit 2012 hätten sich dort 97 Prozent der Graumarktanbieter registrieren lassen. Seitdem gebe es von ihnen ein legales Angebot, zugleich müssten sie sich aber auch hart regulieren lassen.

Erst vor drei Wochen hatte Brigitte Sand, Direktorin der dänischen Glücksspielbehörde, das Regulierungsmodell in Hannover vorgestellt (der Rundblick hatte darüber berichtet). Über den Unterschiedlichen Ansatz gebe es bisher keine Verständigung in der Großen Koalition, sagt Althusmann. Er hat die Staatskanzlei gebeten, die dänische Variante noch einmal zu prüfen.

Länder könnten Sonderwege gehen

Bis zum 30. Juni 2021 gilt der Vertrag noch, dann bräuchte es eine neue Regelung. Aber was passiert eigentlich, wenn nichts passiert und der Vertrag einfach ausläuft? Erst einmal nichts, erklärt der Verwaltungsrechtler Professor Bernd Hartmann von der Universität Osnabrück im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Auf Länderebene gebe es Umsetzungsgesetze, die jeweils auf den Glücksspielstaatsvertrag verweisen. Wenn es keinen Glücksspielstaatsvertrag mehr gebe, gehe der Verweis ins Leere.

Aber: „In fast allen Ländern gibt es im Umsetzungsgesetz noch einen weiteren Absatz, der den Fall des Außerkrafttretens des Vertrags regelt und für diesen Fall bestimmt, dass der gesamte Inhalt oder jedenfalls ein Großteil der Vorschriften des Vertrags als Landesrecht erst einmal weiter gilt“, so Hartmann. Im jeweiligen Landesrecht könnten Länder dann allerdings Sonderwege gehen, die Frage ist nur, welche. Selbst wenn dann jedes einzelne Land das Glücksspielrecht für sich selbst regele, müsse es dennoch länderübergreifend europarechtlich kohärent und konsistent sein. Von allen anderen Ländern drastisch abzuweichen, dürfte Hartmann zufolge nur beschränkt möglich sein. „Wo die Grenzen verlaufen, ist juristisch noch umstritten.“

Für die Behörden könnten länderspezifische Regelungen allerdings zum Problem werden. Wäre das Online-Glücksspiel in manchen Ländern teilweise erlaubt, in anderen dagegen nicht, könnte der Rechtsstaat seine Regelungen dann teilweise nur noch schwer vollziehen, befürchtet Hartmann. Schließlich könne jeder in allen Ecken der Welt an einem Online-Glücksspiel teilnehmen. Im Einzelfall herauszufinden, ob legal oder illegal gespielt wurde, ist bereits heute nur schwer möglich.


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