Die Schuldenpolitik ist nicht risikolos. Hier die Liste der möglichen Nachwirkungen:
Das Argument von den hohen Wachstumsraten: Die Kernbotschaft, die auch Ministerpräsident Stephan Weil in diesen Tagen immer wieder verkündet, lautet so: Der Staat muss jetzt die Wirtschaft ankurbeln, damit erst mehr Konsum, dann mehr Beschäftigung und dann mehr Steuereinnahmen entstehen. Deswegen seien die Konjunkturspritzen, etwa für energetische Gebäudesanierung oder öffentliche Bauten, überaus sinnvoll. Da die Zinspolitik international so ausschaut, dass sich an der Dauer-Niedrigphase wohl wenig ändern wird, kann die in diesem Zusammenhang häufig zu hörende Rechnung sogar aufgehen: Wenn die Wachstumsraten über dem Zinssatz liegen, nimmt der Staat in Folge der neuen Investition viel mehr Geld ein als er für Zins und Tilgung ausgeben muss. Die neuen Schulden könnten also auf absehbare Zeit mit diesen Überschüssen getilgt werden.Lesen Sie auch: Haushalt 2021: Keine Ausgabensperre, aber Kürzungsauflagen Hohe Kreditaufnahme für 2020 stößt auf Missfallen der Finanzkontrolle
Der Einwand dagegen lautet aber: Immer dann, wenn die Steuerquellen sprudeln, setzen sich in der Politik meist diejenigen Kräfte durch, die nicht an Schuldentilgung interessiert sind, sondern an zusätzlichen staatlichen Ausgaben für Sonderprogramme – beispielsweise für Lehrer und für neue Bildungsangebote in Schulen und Kindergärten in den vergangenen Jahren. In guten Jahren verringert sich der Schuldenstand so nicht wirklich. Die doch eher verhaltenen Erfolge der Landesregierung mit der Tilgung von Altschulden bis zum vergangenen Jahr sind ein Beleg dafür. „Das Beispiel Griechenland vor einigen Jahren zeigt es: Die Regierung wusste, dass es zu Kürzungen keine Alternativen mehr gab. Aber ihr fehlte der Mut, diesen Weg zu gehen“, berichtet der hannoversche Wirtschaftswissenschaftler Prof. Stefan Homburg, einer der vehementesten Kritiker der ausufernden Staatsverschuldung. Das Argument mit der staatlichen Investitionslenkung: Ob in Hannover, in Berlin oder auch in Brüssel – überall wird derzeit nach der Corona-Krise eine Politik verfolgt, die staatliche Wirtschaftshilfen mit inhaltlichen Reformvorstellungen (etwa für mehr Klimaschutz) verknüpft. So entstehen die riesigen Summen (750 Milliarden Euro in der EU, 218 Milliarden Euro im Bundesetat, 8 Milliarden im Landesetat) an neuen Schulden und Umschichtungen. Die Gefahr solcher staatlicher Lenkungen ist, dass damit Strukturen unterstützt werden, die politisch gewollt, aber womöglich nicht immer effektiv und wettbewerbsfähig gestaltet sind. Die staatliche Rückendeckung kann auch unwirtschaftliche Bereiche abschirmen gegen Reformen und damit eine dringend nötige Erneuerung verhindern. Zu den Kuriositäten dieser Wochen gehört, dass ausgerechnet thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow, der ein Politiker der Linkspartei ist, gestern in einem Interview diesen Zusammenhang hervorgehoben und vor einer ungebremsten Verschuldung ohne Überprüfung der Ausgaben gewarnt hat. Ausgerechnet Ramelow, der Repräsentant einer Partei, die am radikalsten für die Politik der Mehrausgaben steht.
