24. Feb. 2025 · 
Parteien

Nach der Wahl setzt die SPD auf junge Köpfe und die CDU auf ein Einsehen der SPD

Dörte Liebetruth | Foto: Wallbaum

Niedersachsens Sozialdemokraten beklagen eine „ganz schlimme Wahlniederlage“, man sei „keineswegs zufrieden“, sagte SPD-Generalsekretärin Dörte Liebetruth am Montag in der Landespressekonferenz. Die niedersächsische SPD habe zwar überdurchschnittliche Werte erzielt und damit maßgeblich zum Gesamtergebnis der Bundespartei beigetragen. Doch den eigenen Anspruch, stärkste Kraft in Niedersachsen zu sein, habe man verfehlt. Darüber können auch die Erfolge einzelner Kandidaten nicht hinwegtäuschen, und dennoch scheinen sich die Sozialdemokraten genau daran am Tag nach der Bundestagswahl aufzurichten. Das Erststimmenergebnis der SPD liegt in Niedersachsen mit 29,4 Prozent deutlich über ihrem Zweitstimmenergebnis von 23 Prozent. Diesen Effekt führt Liebetruth etwa auf Lars Klingbeil zurück, den Parteichef auf Bundesebene, der seinen Wahlkreis Heidekreis nicht nur direkt gewonnen hat, sondern mit 42,1 Prozent auch bundesweiter "Erststimmenkönig" geworden ist. Und das, wie Liebetruth betont, in einer strukturkonservativen Region. Insgesamt sieht sie die Niedersachsen-SPD für die Zukunft gut aufgestellt. Junge Köpfe wie Adis Ahmetovic (Hannover) oder Jakob Blankenburg (Lüneburg) sowie Daniela Rump (Hildesheim) nennt sie namentlich als Gesichter des Generationenwechsels in der Partei. Eine Regierungsbildung auf Bundesebene sei nun kein Selbstläufer, zitierte Liebetruth ihren Parteichef Stephan Weil. Dass man damit den Weg in die Opposition erwägt, und damit eine CDU-Minderheitsregierung, Neuwahlen oder gar eine schwarz-blaue Koalition gutheißen würde, will sie damit aber nicht gemeint haben.

Marco Mohrmann | Foto: Kleinwächter

In der Niedersachsen-CDU gibt man sich derweil zuversichtlich, dass es zu konstruktiven Verhandlungen mit der SPD kommen werde und appelliert an die staatspolitische Verantwortung der Sozialdemokraten. „Ich bin mir sicher, dass die SPD ein großes Interesse daran hat, Lösungen für das Land herbeizuführen“, sagte Generalsekretär Marco Mohrmann und wiederholte die Worte seines Parteichefs Sebastian Lechner, der schon am Wahlabend ankündigte, Gräben zuschütten und Brücken bauen zu wollen. Dabei setzt er auf ein „Einsehen“ der SPD bei den Fragen der Begrenzung illegaler Migration sowie beim Ankurbeln der Wirtschaft etwa durch Bürokratieabbau. Eine „gewisse Diskussion“ erwarte er hingegen noch zum Bürgergeld, das die Union wieder abschaffen und stattdessen „stärkere Arbeitsanreize setzen“ möchte. Auf die Frage, wie mit dem Erstarken der AfD umzugehen sei, sagte Mohrmann: „Wir müssen gemeinsam deutlich machen, dass die Parteien der demokratischen Mitte die Probleme der Menschen lösen können.“ Daran habe es bei der Ampel-Koalition gefehlt. Die Verantwortung dafür, dass auch ein Kanzlerkandidat Friedrich Merz sein Versprechen, die AfD zu halbieren, nicht einhalten konnte, weist Mohrmann zurück. Grüne und SPD müssten ihren Teil dazu beitragen.

Quelle: Niedersächsischer Landeswahlleiter, Grafik: Rundblick

AfD-Landeschef Ansgar Schledde sagte, die Hand sei in Richtung der CDU ausgestreckt. Er selbst stehe für eine „konservativ-patriotische Politik“ und wolle eine „Politik für Deutschland auf dem Boden des Grundgesetzes“ machen. Welchen Kurs eine schwarz-rote Bundesregierung einschlagen werde, müsse man abwarten. Insgesamt drückte er seine „große Freude“ über das Abschneiden seiner Partei aus (17,8 Prozent in Niedersachsen). Die Bedeutung eines Björn Höcke spielt Schledde runter, der thüringische Landesverband spiele in der Bundes-AfD eine geringere Rolle als der niedersächsische. Ein Grund für den Erfolg der Niedersachsen-AfD sieht Schledde darin, dass der Verband inzwischen „professionell und stabil“ aufgestellt sei.

Lange Gesichter sieht man am Tag nach der Bundestagswahl bei den Grünen, denn die Hoffnungen waren größer. „Man könnte jetzt zynisch sagen, das war das zweitbeste Ergebnis der Grünen“, sagte die Landesvorsitzende Greta Garlichs. Doch zum Scherzen ist ihr offensichtlich nicht zumute. Es sei nicht ihr Ziel, bei diesen Prozentpunkten (11,5 Prozent Zweitstimmen in Niedersachsen) zu verharren, man wolle „deutlich dazugewinnen“. Garlichs Co-Vorsitzender Alaa Alhamwi sieht den Kurs für Grüne Politik dennoch gestärkt, zumindest durch den starken Mitgliederzuwachs der vergangenen Monate. Mit dem Schwung, den die Linken zuletzt dazugewonnen haben, habe man aber doch nicht mithalten können. Garlichs lässt deutliche Sympathie für Heidi Reichinneks Wut-Rede im Bundestag erkennen und verteidigt sich: Es sei nicht populistisch, die Gefühle der Menschen aufzunehmen. Durch die fehlende Abgrenzung zur Union nach der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD haben die Grünen aber bestimmte Wählerschichten nicht mehr erreichen können. Auch müsse man die früheren Hochburgen in den Großstädten wieder stärker in den Blick nehmen.

Anja Schulz, die stellvertretende FDP-Landesvorsitzende, sprach von einem „bitteren Ergebnis“ für ihre Partei, man wolle „nichts schönreden“. Als Begründung für das schlechte Abschneiden der Freien Demokraten, die erneut aus dem Bundestag herausgeflogen sind, benennt sie vor allem die Themensetzung im Wahlkampf. Wirtschaft habe kaum eine Rolle gespielt, bei der Migrationspolitik werde der FDP hingegen keine große Kompetenz zugeschrieben. Zur Zukunft der Partei, die auch in Niedersachsen nicht mehr im Landesparlament vertreten ist, konnte Schulz nichts weiter sagen, außer dass natürlich auch finanzielle Einbußen drohten.

Linken-Landeschef Thorben Peters führte drei Punkte zur Begründung des überraschenden Comebacks seiner Partei heran: Das Teamwork habe funktioniert; das politische Klima insbesondere in der Migrationsdebatte habe linke Wähler mobilisiert; und der Fokus des Linken-Wahlkampfs auf die soziale Frage habe sich ausgezahlt. Und dann war da natürlich noch Heidi Reichinnek, die mit ihrer Rede einen Nerv getroffen habe. Das Momentum der Linken, das sich auch in stark steigenden Mitgliederzahlen niederschlägt, will Peters künftig nutzen, um vor allem beim Protest auf der Straße präsent zu sein. Im Parlament verschließe man sich nicht, wenn es um eine Reform der Schuldenbremse gehe – allerdings schon, wenn damit die Aufrüstung finanziert werden soll. Das BSW hatte seine Teilnahme an der Bilanz-Pressekonferenz spontan abgesagt.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #037.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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