15. Nov. 2025 · 
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Nach dem Fall Friedland: Behrens zwingt Aufnahmebehörde zu strikterem Vorgehen

Die Landesregierung räumt Fehler ein im Fall einer getöteten 16-Jährigen. Wegen einer Panne ist der mutmaßliche Täter damals nicht, wie vorgesehen, abgeschoben worden.

Daniela Behrens (rechts) berichtet im Innenausschuss. | Foto: Wallbaum

Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hat nach mehreren Monaten im „Fall Friedland“ Fehler eingeräumt und die Landesaufnahmebehörde (LAB) zu einem strikteren Vorgehen verpflichtet. Das erklärten Behrens und der LAB-Präsident Klaus Dierker am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags. Hintergrund sind die Vorgänge rund um den ausreisepflichtigen Muhammad A., der am 11. August im Bahnhof Friedland ein 16-jähriges Mädchen vor einen einfahrenden Zug gestoßen haben soll. Das Mädchen verstarb. Die LAB hatte im Spätsommer erhebliche Kritik auf sich gezogen, weil der ausreisepflichtige Muhammad A. nicht in Abschiebehaft genommen werden konnte. Das Amtsgericht Hannover hatte einen entsprechenden Antrag zur Festsetzung von A. verworfen – und die LAB verzichtete darauf, gegen diese Richterentscheidung Beschwerde einzulegen. „Aus heutiger Sicht ist dieses Verhalten der Landesaufnahmebehörde nicht nachvollziehbar“, erklärte Behrens in einer Antwort auf einen umfangreichen Katalog mit 150 Fragen der CDU-Landtagsfraktion.

Einige Neuerungen stellte die Ministerin vor: Künftig soll in ähnlichen Fällen stets Beschwerde eingelegt werden. Im konkreten Fall hatte die LAB darauf verzichtet, weil der damals wegen exhibitionistischer Handlungen in Haft befindliche A. „sowieso in drei Tagen entlassen worden wäre“ und die LAB den Erfolg einer Beschwerde gering einstufte. CDU und AfD hegen aber den Verdacht, dies könne auch damit zu tun gehabt haben, dass die Antragstellung der LAB vor Gericht unprofessionell vertreten und von zu wenig Fachkunde geprägt gewesen sein könnte. Behrens erklärte, künftig sollten „Musterhaftanträge“ entwickelt werden – für künftige Fälle, in denen die LAB rasch auf Hinweise von Gerichten reagieren muss. Bei A. war es im Juli 2025 offenbar so, dass der Richter des Amtsgerichts Nachfragen an die LAB richtete und binnen zwei Stunden Antworten haben wollte, woraufhin die Behörde ratlos reagierte, da sie meinte, schon alles zum Sachverhalt gesagt zu haben. Im Ergebnis kam A. dann, obwohl er hätte abgeschoben werden sollen, wieder frei.

Kritik wird auch laut an der Ausländerbehörde des Landkreises Northeim. A. war dem Kreis Northeim zugewiesen worden, lebte in einer Wohnung in Einbeck. Zwischenzeitlich war er untergetaucht, obwohl er den Landkreis nicht verlassen durfte. Der Kreis Northeim verzichtete aber darauf, nach ihm fahnden zu lassen. In einer zweistündigen Diskussion im Landtags-Innenausschuss am Donnerstag wurde auch die Frage erörtert, warum man A. nicht wegen seines auffälligen Verhaltens hätte festsetzen können – zumal aus heutiger Sicht klar ist, dass von ihm auch eine Gefahr für andere Menschen ausgegangen war. Am 8. Juli, als er inhaftiert war, randalierte er in seiner Gefängniszelle. Am 21. Juli, kurz vor seiner Entlassung aus der Haft, zeigte er Anzeichen von Verfolgungswahn und meinte, er solle vergiftet werden. Carina Hermann (CDU) fragte, ob es nicht Wege gegeben habe, ihn daraufhin stärker zu überwachen oder festzusetzen. Ministerin Behrens sagte, das bisherige Gesetz zum Umgang mit psychisch Kranken (PsychKG) sehe nur ein Eingreifen bei akuter Gefahr vor – dies solle aber jetzt geändert werden, sodass man auch schon im Vorfeld einer konkreten Eskalation jemanden in eine Klinik einweisen kann.

Aus den Antworten auf die 150 Fragen der CDU geht auch hervor, dass A. am Tag des Todes der 16-Jährigen, am 11. August, morgens mit einem Busfahrer in Streit geriet, dann im Rathaus von Einbeck aggressives Verhalten zeigte und später dann noch einmal gegenüber der Polizei. Dies alles hatte aber noch keinen Anlass gegeben, ihn festzunehmen – zumal das Gericht ja erst wenige Wochen zuvor einen Haftantrag der LAB abgelehnt hatte.

Im Innenausschuss räumte LAB-Präsident Dierker ein, wie schwer es für seine Behörde ist, ausreichend Personal für Rückführungen zu finden. 58 Stellen seien ausgeschrieben, elf befänden sich „in der Besetzung“. Wegen eines Streits um die besoldungsrechtliche Einstufung der Beschäftigten habe man über längere Zeit gar keine freien Stellen besetzen können. Dies sei jetzt ausgestanden, sodass nun der Personalaufwuchs wieder gelingen könne.  

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #202.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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