Die Idee, von Israel aus nach Hebron zu trampen, erscheint aus heutiger Perspektive schon abwegig genug. Und dann auch noch mit einem riesigen Strauß von Luftballons. Die Episode, die Sara Klatt in ihrem Roman „Das Land, das ich dir zeigen werde“, erzählt, hat sich wirklich in etwa so zugetragen, verriet die Berliner Schriftstellerin am Donnerstag in Hannover. „Niemand wird dich mitnehmen“, hatten ihre Freunde prophezeit. Doch das Gegenteil war der Fall: Die Autofahrer wollten unbedingt wissen, was die Geschichte der reisenden Ballonfrau ist, und verstauten bereitwillig deren Ballons in ihrem Kofferraum.

Am Grenzübergang passierte etwas, womit Sara Klatt nicht gerechnet hatte: Einer der Ballons platzte, als sie das Drehkreuz an der Sicherheitsschleuse passierte. Ein Geräusch wie ein Schuss. Sofort brach Panik aus. Das hatte sie unterschätzt, erinnerte sich die Autorin: Wie dünnhäutig die Menschen an so einem Ort voller Narben reagieren. Mir fiel die Geschichte wieder ein, als ich von dem Messerangriff am Sonnabend in einem Zug nach London hörte, und mir lief es kalt den Rücken herunter. Da rannten blutüberströmte Menschen durch den Waggon, und die anderen Fahrgäste dachten als erstes an einen Halloween-Scherz. Offenbar haben wir in Europa nach wie vor ein bemerkenswert dickes Fell.
Als Kolumnistin hat mir übrigens sehr gefallen, dass Sara Klatt sagte: „Literatur ist immer die eigene Geschichte plus.“ Also „plus“ im Sinne von „Freundschaft plus“ oder „Plus eins“, wenn man zu einer Party eine Begleitung mitbringen darf. Das, was Geschichtenerzählerinnen und -erzähler von sich selbst preisgeben, ist nie 1:1 unser eigenes Leben. Aber damit es gut wird, muss irgendetwas darin stecken, was wir schon einmal gefühlt haben.
Passend dazu haben wir heute lauter Themen für Sie, die die Emotionen befeuern:
- Schule: Mehr gemeinsamer Unterricht, mehr Digital-Unterricht und mehr Demokratie – das sind die Schwerpunkte im Entwurf des neuen Schulgesetzes von Kultusministerin Julia Hamburg.
 
- Nahost: Am Vorabend des Reformationstages lud Landesbischof Ralf Meister Menschen ein, die Israel lieben und dabei manchmal verzweifeln. Unter den Gästen war auch die Autorin Sara Klatt.
 
- Außerdem: Jugendliche bleiben ohne Ausbildung, die Pflegeversicherung reicht nicht, der Frauentag soll Feiertag werden und das NGG scheidet die Geister.
 
Kommen Sie gut in die neue Woche!
Ihre Anne Beelte-Altwig


