30. Juni 2025 · 
HintergrundFinanzen

Mit einem Trick vergrößert das Kabinett Lies seine Ausgaben – und die Verschuldung

Investieren, was das Zeug hält - das ist die Devise der rot-grünen Landesregierung. In der Finanzplanung werden riesige Summen bereitgestellt. Ob das alles ausgegeben werden kann?

Olaf Lies (Mitte) erläutert die Beschlüsse, neben ihm Kultusministerin Julia Hamburg und Niklas Kleinwächter von der Landespressekonferenz. | Foto: Wallbaum

Die große Reform, die manche als Sündenfall bezeichnen, geschah noch auf den letzten Metern der alten Legislaturperiode des Bundestages: Mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD und Grünen wurde das Grundgesetz geändert und den Bundesländern wurde die Chance für die bislang verbotene Neuverschuldung eingeräumt – in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Am gestrigen Montag nun, ein Vierteljahr nach diesem Beschluss, hat die rot-grüne Landesregierung in Hannover beherzt zugegriffen: Für den Haushaltsplan 2026 wird der angekündigte neue Schulden-Spielraum der Länder voll ausgeschöpft, Niedersachsen veranschlagt neue Kredite über diesen Weg in Höhe von 1,4 Milliarden Euro. Nun kommt aber noch ein Trick hinzu: Auch für das laufende Jahr, das schon zur Hälfte vorüber ist, sollen neue Kredite von 1,4 Milliarden Euro fließen. Das Motto der Regierung Lies lautet also: Scheunentore weit auf, damit neue Schulden möglich werden.

In der Pressekonferenz zur Verkündung der Haushaltsbeschlüsse verteidigte Olaf Lies, seit 35 Tagen Regierungschef, sein Vorgehen. Es wäre doch nicht vertretbar gewesen, in dieser Situation eines allgemeinen Aufbruchs für mehr Investitionen bei der Verschuldung zu bremsen. „Hätte ich stattdessen bei den Lehrern oder bei den Polizisten kürzen sollen?“, fragte der Ministerpräsident. Trotzdem kann das Verhalten der rot-grünen Landesregierung als „kühn“ bezeichnet werden. Nach den gängigen Haushaltsregeln dürfen Einnahmen nur veranschlagt werden, wenn sie rechtlich möglich sind. Die Grundgesetzänderung von März 2025 bietet formal nur die Grundlage für ein Ausführungsgesetz, das es noch nicht gibt. Sollte dies nicht bis Jahresende den Bundestag und den Bundesrat passiert haben, dürfte Finanzminister Gerald Heere weder in den Etat 2026 noch in den eilig gezimmerten Nachtragsetat für 2025 die Neuverschuldungssummen eintragen. „Die Haushaltsbeschlüsse werden im Landtag im Dezember getroffen, bis dahin wird es eine rechtliche Grundlage geben“, erklärte Heere am Montag und verbreitete Zuversicht.

Der Kurs von Rot-Grün sieht daneben noch vor, auch in den Folgejahren das erwartete Recht zur Neuverschuldung voll auszureizen. Für die Jahre 2025 bis 2029 stehen neue Kreditaufnahmen von mehr als 9 Milliarden Euro in der Finanzplanung. Ein Teil davon ist unstrittig und betrifft die „Konjunkturkomponente“ – also die Schuldenfinanzierung bei einer Konjunkturkrise. Der andere Teil betrifft die neuen Möglichkeiten, die mit der Grundgesetzänderung in Gang geschoben wurden, aber eben formell noch nicht bestehen. Ist das der richtige Weg? Kurz vor der Haushaltsklausur der Landesregierung hatte der Landesrechnungshof noch gemahnt, bei der Kreditaufnahme zurückhaltend zu sein – „andernfalls könnte das Land erneut in die Schuldenfalle tappen“. Es hat dann nichts genützt, die Regierung entschied sich anders. In der Finanzplanung werden nun stetig steigende Zinsausgaben angegeben. Von 1,23 Milliarden Euro 2026 über 1,42 Milliarden Euro 2027 bis hin zu 1,67 Milliarden Euro im Jahr 2029.

Autoren des Haushaltsplanentwurfs: Abteilungsleiter Ulrich Soppe (links) und Finanzminister Gerald Heere. | Foto: Wallbaum

Eine Frage ist allerdings, ob Niedersachsen am Ende überhaupt so viel Geld ausgeben wird, wie es der Haushaltsplan den Ministerien erlauben will. Denn in vielen Bereichen steigen die geplanten Ausgaben gleichzeitig so stark an, dass nur eine effektive Verwaltung das zügig realisieren könnte. Es gibt in fast allen Bereichen genügend Geld, das im Etat bereitsteht – vor allem für Investitionen. Auf dieser Basis können nun ganz viele Pläne ausgeschmückt und verkündet werden, die viele neue Projekte beinhalten und für die stets ausreichend Finanzmittel im Haushaltsplan des Landes stehen. Die Frage jedoch, wie schnell das alles fertig geplant und anschließend dann auch umgesetzt werden kann, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die Vermutung liegt nah, dass es hier in manchen Bereichen mangels ausreichender Kapazitäten der Planer und der Bauwirtschaft bei den groben Konzeptionen bleiben wird und die Realisierung in die Zukunft vertagt werden muss. Vielleicht auch deshalb, weil der komplizierte Verwaltungsaufbau des Landes ein Hemmschuh für Investitionen sein wird.

Zunächst einmal lobt sich die Landesregierung für „das größte Investitions- und Kommunalverstärkungspaket in der Geschichte des Landes“. Hier ein paar Details:

  • Kindergärten: Das Land will jährlich 250 Millionen Euro zu den Kindergarten-Personalkosten an die Kommunen überweisen – und damit seiner früher gegebenen Zusage, annähernd 60 Prozent dieses Teils zu tragen, näher kommen. Das Land will die Zuweisung dynamisch an die Tarifsteigerungen anpassen. Die Abrechnung der Kosten soll zudem „deutlich vereinfacht werden“. Städtetags-Präsident Jürgen Krogmann lobte: „Hier werden endlich die Weichen für eine adäquate Finanzhilfe gestellt.“ Marco Trips, Präsident des Städte- und Gemeindebundes, meinte: „Ich bin froh, dass dieser Bereich jetzt endlich befriedet wird.“ Von einem „richtigen Schritt in Richtung Vertrauenskultur“, sprach Marco Prietz, Präsident des Landkreistages.


  • Neue Lehrer: Kultusministerin Julia Hamburg kündigt an, dass zusätzliche 1350 Lehrerstellen geschaffen werden sollen. Das ergebe sich aus der Aufstockung von Teilzeitkräften, der Rückkehr von Lehrern aus der Elternzeit und der wachsenden Zahl von Absolventen. „Wir sind zuversichtlich, alle 1350 zusätzlichen Plätze auch besetzen zu können“, meinte sie – trotz des allgemeinen Rückgangs der Bewerberzahlen. Das Land plant 97 Millionen Euro für die neuen Lehrer ein.


  • Tablets in den Schulen: Im August 2026 starten die ersten 7. Klassen mit Tablets. Für die Anschaffung und Wartung plant das Land 800 Millionen Euro bis zum Jahr 2031 ein.


  • Polizei wird verstärkt: Das Land schafft 250 zusätzliche Stellen für Polizeianwärter, 65 Stellen für die Polizeiverwaltung und 25 Stellen für IT-Fachleute bei der Polizei. Für die Strafjustiz sollen 55 weitere Stellen und Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden.


  • Kommunalgeld und Kliniken: Schon im Februar wurde vereinbart, dass die Kommunen 600 Millionen Euro „für Investitionen jeglicher Art“ erhalten sollen – und zwar 400 Millionen davon schon in diesem Jahr. Eine genaue Verwendungsprüfung soll entfallen. Für die Krankenhäuser gibt das Land 2026 insgesamt 305 Millionen Euro zusätzlich – neben der Ko-Finanzierung des Bundes-Transformationsfonds (600 Millionen Euro). Die zweiten Bauabschnitte der Umbauvorhaben für die MHH und die UMG werden mit insgesamt 850 Millionen Euro neu eingeplant.


  • Landeswohnungsgesellschaft: Das Startkapital für die LWG von 100 Millionen Euro, das 2024 geflossen ist, wird noch einmal um 200 Millionen Euro verstärkt. Weitere 200 Millionen Euro kommen für die Wohnraumförderung hinzu. Für die energetische Sanierung von Landesbauten werden 750 Millionen Euro bereitgestellt.


  • Digitalisierung: Aus dem Sondervermögen des Bundes will das Land 500 Millionen Euro für die Digitalisierung der Verwaltung abzweigen und 100 Millionen für Investitionen zugunsten von Polizei und Katastrophenschutz einsetzen. Die Ausgaben verteilen sich, wie bei den Bauvorhaben, über mehrere Jahre.


  • Verkehrsprojekte und Hochschulbau: 500 Millionen Euro sollen über das Bundes-Sondervermögen für die Sanierung von Straßen und Brücken fließen, 175 Millionen Euro soll der Landesbetrieb N-Ports für die Hafeninfrastruktur investieren. 500 Millionen Euro aus dem Sondervermögen des Bundes sollen für den Hochschulbau bereitgestellt werden – verteilt, wie bei den Straßen und Brücken, auf mehrere Jahre.


  • Kritik der Opposition: Die CDU-Politiker Sebastian Lechner und Ulf Thiele erklärten, dass das Land nur Dank der Unterstützung des Bundes nun endlich für die Infrastruktur investiere in Straßen, Häfen, Brücken und Radwege. Doch nötige Strukturreformen blieben aus, nicht einmal die entbehrlichen Stellen des aufgelösten Europa-Ministeriums würden gestrichen. Jürgen Pastewsky (AfD) meinte: „Geld renoviert noch keine Gebäude – dafür braucht es effiziente Verwaltungsstrukturen.“ Konstantin Kuhle (FDP) meinte: „Schuldenmachen um jeden Preis ist keine Antwort“, nötig sei ein gezielter Personalabbau in der Landesverwaltung. Dazu fehle Rot-Grün aber die Kraft.
Dieser Artikel erschien am 1.7.2025 in Ausgabe #121.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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