Aus seiner kritischen Haltung zum geplanten Atommüll-Endlager „Schacht Konrad“ macht Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) keinen Hehl. Trotzdem hat er am Dienstag entschieden, den Antrag der Umweltverbände Nabu und BUND auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses von 2002 abzulehnen. Der Prüfungsbereich für seine Administration als Genehmigungsbehörde sei nur eingegrenzt gewesen, erklärte der Minister. Man habe untersucht, ob bauliche Veränderungen, die seit der Festlegung von 2002 eingetreten sind, Auswirkungen auf die Sicherheit hatten – und die Antwort sei negativ ausgefallen.
Die Ablehnung sei nun „vorläufig“ ausgesprochen worden. So haben BUND, Nabu und ihre Unterstützer – darunter etwa die Stadt Salzgitter, die IG Metall und das Landvolk – noch acht Wochen Zeit, den Bescheid zu prüfen und dagegen erneut Einwände vorzutragen. Würden diese dann nach einer erneuten Überprüfung durch das Umweltministerium wieder abgelehnt, kann der Klageweg beschritten werden.

BUND und Nabu erklärten, dass sie Meyers Bescheid gründlich analysieren und eventuell den Rechtsweg einschlagen wollen. Noch deutlicher wurde der Oberbürgermeister von Salzgitter, Frank Klingebiel (CDU): „Der Rat der Stadt Salzgitter hat schon vor drei Jahren beschlossen, juristische Schritte gegen einen ablehnenden Bescheid des Ministers politisch und finanziell zu unterstützen. Es ist bedauerlich, dass wir diese Karte jetzt wohl ziehen müssen, aber wir sind gerüstet. Und wir wissen, dass die ganze Region zwischen Harz und Heide hinter uns steht.“
Der Antrag der Umweltverbände war in drei Teile aufgesplittet gewesen. Zunächst ging es um die Rücknahme der Genehmigung. Dieser wurde aus formalen Gründen vom Umweltministerium abgelehnt, da die Frist verstrichen sei. Auch der Baustopp hätte nur auf dieser Grundlage erklärt werden können, er wurde ebenfalls verworfen. Der Antrag auf Widerruf wurde vom Ministerium für zulässig erklärt, aber nach intensiver Prüfung abgelehnt. Da schon 2021 der Antrag vorlag, dauerte die Untersuchung im Ministerium zweieinhalb Jahre. Meyer sagte, die nachträgliche Standortänderung des Schutzzauns, die Verschiebung eines geplanten Tores oder der Austausch von Glühbirnen gegen LED-Leuchten habe keine Auswirkungen auf die Sicherheit der Anlage. Nur dieser Aspekt aber hätte einen Widerruf begründen können.

Meyer erklärte, dass mit dem Ja zum Planfeststellungsbeschluss noch nicht alle nötigen Fragen vor dem Start der Einlagerung (geplant ist 2029) geklärt seien. Bisher seien 2,83 Milliarden Euro für den Schacht Konrad ausgegeben worden, weitere 2,64 Milliarden Euro seien wohl noch erforderlich. Dabei gerate das Lager für 300.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle an Grenzen, Platz über die Fässer aus der Asse etwa gebe es hier nicht mehr. Er wünsche sich eine neue Endlagersuche, die verbunden wird mit der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle. Dass diese vor Jahren begonnene Suche inzwischen nach politischen Entscheidungen verzögert wird, finde er nicht richtig. Die bundesweite neue Endlager-Suche soll nach aktuellen Plänen erst 2060 oder 2070 zu einer Standortentscheidung führen. „Das sollte viel früher geschehen“, sagt Meyer, denn gegenwärtig verschiebe sich die Endlagerfrage „auf die nächste Politikergeneration“.

Was den „Schacht Konrad“ angeht, stehe auch noch die in vier Phasen aufgeteilte „Überprüfung der sicherheitstechnischen Anforderungen“ nach dem Stand der Technik bevor, Phase zwei soll Ende 2024 abgeschlossen sein. Es geht dabei um die Bedingungen der Einlagerung, also das Wie der Verfüllung. Das Umweltministerium nennt hier zu klärende Komplexe: „Fragen zu Radionukliden in der Gasphase sowie zum Transport von Kolloiden oder Gas-Fracks im Wirtsgestein“. Kritisch äußerte sich Meyer zum Vorschlag von Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD), Niedersachsen solle mit einer Bundesratsinitiative auf die Atomgesetz-Änderung drängen und dort festlegen, dass als Kriterium für Endlager zu schwach- und mittelradioaktiven Stoffen auch die Rückholbarkeit festgeschrieben wird. „Das bringt uns nichts, da die Länder dann 15 zu 1 gegen Niedersachsen stehen werden – alle anderen Länder werden vermutlich dagegen sein“, meint Meyer.
"Das Festhalten an Schacht Konrad ist ein Kniefall vor der Atomlobby, die auf eine Inbetriebnahme drängt, um die Zwischenlager freizumachen."
Scharfe Kritik an Meyers Entscheidung übt der Linken-Bundestagsabgeordnete Victor Perli aus Wolfenbüttel: „Das Festhalten an Schacht Konrad ist ein Kniefall vor der Atomlobby, die auf eine Inbetriebnahme drängt, um die Zwischenlager freizumachen. Damit bricht der Umweltminister mit seiner eigenen Anti-Atom-Biographie und zeigt erneut Scheu davor, sich ernsthaft mit dem Bund und dem Betreiber anzulegen - ähnlich wie bei Asse II. Er hat die historische Chance vertan, einem möglichen Atommülldesaster vorzubeugen.“