Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) wird am heutigen Dienstag die mit Spannung erwartete Entscheidung bekanntgeben zu der Beschwerde von Umweltverbänden gegen das geplante Atommülllager „Schacht Konrad“ in Salzgitter. In Insider-Kreisen wird damit gerechnet, dass er den Antrag auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses von 2002 ablehnen wird. Als Atomaufsichtsbehörde ist das Umweltministerium in Hannover dafür verantwortlich – obwohl es sich um Atomrecht handelt, das dem Bund zugeordnet ist. Meyers Ministerium handelt also als Behörde, die im Auftrag des Bundes tätig wird.

Schon vor zweieinhalb Jahren hatten Umweltverbände ihren Antrag eingereicht, die Landes-Umweltminister Olaf Lies und Christian Meyer reagierten seit 2021 allerdings nicht darauf. Jetzt endet diese Zeit des Abwartens. Sollte Meyer den Antrag wie erwartet ablehnen, dürften ihm massive Proteste begegnen. Neben Umweltverbänden und Bürgerinitiativen haben sich auch die Verwaltungschefs der Städte Salzgitter, Braunschweig und Wolfsburg den Konrad-Gegnern angeschlossen und ihren Druck erst vor wenigen Wochen verstärkt. Zu den Unterstützern gehören auch die Landräte von Wolfenbüttel und Helmstedt.
Die Gegner von „Schacht Konrad“ argumentieren mit den veralteten Grundlagen der 2002 ergangenen Genehmigung. Die Kriterien für die Standortauswahl seien damals andere gewesen als heute. Außerdem sei die Möglichkeit der „Rückholbarkeit“ für die rund 200.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle, die von 2030 an dort verbracht werden sollen, nicht gegeben. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte 2006, das Bundesverwaltungsgericht 2007 die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss zurückgewiesen – da die Entscheidung von 2002 auf den korrekten rechtlichen Grundlagen basiert habe. Obwohl damit der juristische Weg ausgereizt war, hörte die Kritik an der Konrad-Planung in den vergangenen Jahren nicht auf. Merkwürdig distanziert klingt auch eine Formulierung im Koalitionsvertrag der rot-grünen Landesregierung vom November 2022: Rot-Grün sehe „die Planungen kritisch“ hieß es dort, außerdem halte die Landesregierung „die Forderung nach der Rückholoption für die Abfälle aufrecht“.

Im Februar vergangenen Jahres hatten sich die Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU), Thorsten Kornblum (SPD) und Dennis Weilmann (CDU) massiv auf die Seite der Konrad-Gegner geschlagen. Kornblum erklärte damals, man könne die Atomgesetze ändern und die Rückholbarkeit auch für schwach- und mittelradioaktive Stoffe dort verankern. Das könne dann die Basis sein für den Widerruf der Genehmigung. Kornblum äußerte sogar die Erwartung, die rot-grüne Landesregierung könne eine entsprechende Bundesratsinitiative zur Änderung des Atomgesetzes auf den Weg bringen.
Diese Initiative ist bisher nicht gekommen, wohl aber gab es im vergangenen Jahr mehrere Treffen zwischen Meyer und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Schwerpunktthema war das Vorgehen gegen den Wolf, ein Thema, in dem Niedersachsen hohe Erwartungen an Entgegenkommen des Bundes hegte. Auch Ministerpräsident Stephan Weil schaltete sich in die Gespräche ein. Spekuliert werden darf, ob bei solchen Gesprächen eine Bereinigung der Position mehrerer verschiedener Themen auf der inoffiziellen Tagesordnung gestanden hatte.

Auch die Bundes-Pläne für eine Konditionierungsanlage in Würgassen (NRW) in der Nähe von Meyers Wahlkreis Holzminden spielten dabei eine Rolle. Der Bund hat lange die Absicht verteidigt, in Würgassen vorher die später in Salzgitter endgelagerten Stoffe zu ordnen und zu verpacken – sehr zum Missvergnügen vieler Landtagsfraktionen in Niedersachsen. Vor einer Woche nun teilte Lemke mit, dass die Würgassen-Pläne „rechtlich und planerisch nicht rechtzeitig umzusetzen“ wären und daher aufgegeben werden.
Ist das nun das Entgegenkommen des Bundes an Niedersachsen – in der Erwartung, von der Landesregierung dafür eine Gegenleistung zu bekommen? Tatsache ist: Sollte Meyer heute die Beschwerde gegen den Planfeststellungsbeschluss ablehnen, bekommt er den Druck der Konrad-Gegner zu spüren. Sollte er der Beschwerde stattgeben, wäre Lemke gefordert, als Grünen-Politikerin und Bundesumweltministerin der Landesregierung in Hannover eine Weisung zur Billigung des Planfeststellungsbeschlusses von 2002 zu erteilen. In diesem Fall wäre der schwarze Peter bei Lemke. Vermutlich war Lemkes Würgassen-Entscheidung das Opfer des Bundes dafür, dass Niedersachsen das Bundesumweltministerium nicht in eine Zwickmühle geraten lassen will.