14. Nov. 2018 · 
Kommentar

Mehr Wohnungen für Niedersachsen: Der lange Weg beginnt erst jetzt

Darum geht es: 4000 neue Sozialwohnungen werden pro Jahr benötigt, nur 1000 wurden zuletzt gebaut. Darüber und über die Ergebnisse des Bündnisses für bezahlbares Wohnen hat am Mittwoch auch der niedersächsische Landtag debattiert. Ein Kommentar von Martin Brüning: Jahrelang haben Bund, Länder und Kommunen das Thema verschlafen. Dabei ist der Begriff „Belegungsbindung“ Jahrzehnte alt und keine neue Erfindung. Genau diese Belegungsbindung ist eines der Probleme, das vielen Städten und Regionen nicht nur in Niedersachsen inzwischen auf die politischen Füße fällt. Weil immer mehr Sozialwohnungen aus der Belegungsbindung herausfallen, hat sich der Bestand drastisch minimiert. 2002 gab es in Deutschland noch 2,5 Millionen Sozialwohnungen, inzwischen sind es nur noch 1,2 Millionen – Tendenz sinkend. Dass es beim Wohnungsbau in Niedersachsen bald neuen Schwung geben könnte, hat das Land in erster Linie allerdings weniger einem aktuellen Landespolitiker zu verdanken. Die künftige Steigerung ist, wenn sie denn kommen wird, vielmehr auf die Initiative eines Mannes zurückzuführen, der einst Oberbürgermeister von Lingen und später Staatssekretär im Sozialministerium war: Heiner Pott. Der jetzige Direktor des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen (VDW) hat in den vergangenen Monaten Druck gemacht, an den richtigen Stellschrauben gedreht und war maßgeblich daran beteiligt, das Bündnis für bezahlbares Wohnen zum Laufen zu bringen. Ein honoriger Abschluss. In wenigen Wochen scheidet Pott beim VDW aus Altersgründen aus. https://soundcloud.com/user-385595761/weil-das-bauen-in-niedersachsen-soll-leichter-werden Nun wird es darauf ankommen, die Ergebnisse aus dem Bündnis in die Realität umzusetzen. Niedersachsens Bauminister Olaf Lies sprach gestern im Landtag auch von einem Zwischenschritt. Jetzt gehe man an die Konkretisierung. Nachdem eine stark verbesserte Förderung seitens des Landes gesichert ist, sind jetzt die weiteren Partner des Bündnisses gefragt. Dabei ist die Umsetzung einer landesweiten Grundstücksdatenbank für Bauflächen vermutlich noch die leichteste Übung. Schwieriger wird es schon, die Niedersächsische Bauordnung zu entrümpeln, zumal dies schon in den vergangenen Jahren keinen Erfolg hatte. Auch die Empfehlungen des Arbeitskreises 4 „Gebäude, Planung, Handwerk“ sind noch näher an einer Beschreibung aktueller Probleme als einer Lösung. Jeder Bereich stelle zumeist Maximalforderungen auf, beklagte Cornelia Höltkemeier von der Landesvereinigung Bauwirtschaft in der vergangenen Woche. Die Standards aus den verschiedensten Bereichen wie Schall- oder Brandschutz, Lüftung und Sicherheitsverglasung dürften nicht isoliert betrachtet werden, heißt es im Papier der Arbeitsgruppe. Die Erkenntnis ist mit Sicherheit richtig. Aber wie sieht die Lösung aus?
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Wichtig ist zudem, dass die schwierige Wohnungsmarktsituation nicht allein durch den sozialen Wohnungsbau entspannt werden kann. Es werden insgesamt mehr Wohnungen benötigt. Dabei müssen sich viele Kommunen fragen, ob sie in den vergangenen Jahren eigentlich eine gute Politik gemacht haben und ob die eigene Verwaltung den Herausforderungen gewachsen ist. „Wir hätten schon vor einem Jahr eröffnen können. Das scheiterte leider am Bauamt“, stehe auf einem Schild im Schaufenster eines Ladens in Hannover-Bemerode, berichtete im Landtag die FDP-Abgeordnete Sylvia Bruns. Endlose Bearbeitungszeiten, irrwitzige bürokratische Vorgaben aber auch der Versuch, eine öffentliche Debatte über die Nachverdichtung besser zu vermeiden, findet man nicht nur in der Landeshauptstadt. Hinzu kommt ein absurdes politisches Fingerhakeln zwischen Stadt und Region, wenn es um den öffentlichen Nahverkehr geht. Während die Stadt Hannover damit droht, aufgrund der Luftwerte Straßen zu schließen, dauert der Weiterbau von dreieinhalb Kilometern Stadtbahn Richtung Hemmingen fünf Jahre und wird damit genau für diejenigen zum Problem, die aufgrund der Wohnungssituation vor die Tore der Stadt ziehen. Es ist einfach, aufgrund der jahrelangen Versäumnisse mit dem Finger auf Land und Bund zu zeigen. Die Kommunen sind für die aktuelle Misere ebenso verantwortlich und haben sich nicht mit Ruhm bekleckert. Der Zwischenschritt, von dem Olaf Lies gestern sprach, ist ein wichtiger, aber nur ein erster kurzer Schritt. Jetzt fängt der lange Lauf zu mehr Wohnraum erst an. Mail an den Autor dieses Kommentars  
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #203.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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