21. Okt. 2018 · 
Parteien

Linker Grünen-Flügel prescht vor – und die CDU erwägt, „grüne Themen“ aufzugreifen

Vor dem Landesparteitag der Grünen am kommenden Wochenende in Celle prescht der linke Flügel, vertreten vor allem durch den früheren Agrarminister Christian Meyer, mit mehreren Anträgen vor. So fordert Meyer, die Partei solle sich „neue Verbündete suchen“ und sich stärker profilieren gegen neue Gruppierungen am rechten Rand wie beispielsweise die AfD. „Für uns Grüne heißt es daher, auch wieder stärker Bewegungspartei zu werden. Auf der Straße und in der Kneipe müssen wir gegen die rechte, menschenfeindliche Hetze entgegentreten“, heißt es in einem mehrerer Anträge von Meyer, über den die Delegierten abstimmen sollen. An anderer Stelle fordert Meyer, die Suche nach neuen Bündnispartnern erfordere „Offenheit, Dialog und eine klare Haltung gegen Rechts“. Mit „rechts“ sind hier offenbar sowohl rechtspopulistische wie auch rechtsradikale Strömungen gemeint. Spannend dürfte auf dem Parteitag die Debatte darüber werden, ob mit Meyers Vorstoß eine stärkere Hinwendung zu linksextremen Gruppierungen gemeint ist. In ihrem Protest gegen das Polizeigesetz, das von der Großen Koalition geplant wird, aber im Landtags-Innenausschuss derzeit nicht so zügig beraten wird wie von der CDU gewünscht, hatten die Grünen schon ein breites Bündnis unter Einschluss linksradikaler Gruppierungen vorgeführt. Meyer nimmt in seinem Antrag ausdrücklich auch Bezug auf das Polizeirecht. Seine Anträge auf dem Parteitag werden von führenden Vertretern des linken Flügels der Landespartei unterstützt – so der Fraktionsvorsitzenden Anja Piel, dem Fraktionsgeschäftsführer Helge Limburg und den Bundestagsabgeordneten Katja Keul, Julia Verlinden und Sven-Christian Kindler. Der Realo-Flügel der Partei bleibt diesbezüglich bisher zurückhaltend, immerhin ist in einem Gegen-Antrag von Mathis Weselmann (Göttingen) ein Bekenntnis zur „sozialen Marktwirtschaft“ und zum „liberalen Rechtsstaat“ enthalten. Beim Landesparteitag in Celle geht es neben dieser inhaltlichen Debatte noch um eine wichtige Entscheidung, nämlich die Neuformation der Parteispitze. Neben der Vorsitzenden Anne Kura (Osnabrück), die zum linken Flügel gerechnet wird, bemüht sich Stefan Körner (Hannover) vom Realo Flügel um seine Wiederwahl. Ob ihm das gelingen wird, ist aber fraglich, denn der linke Flügel hat überraschend einen Gegenkandidaten aufgeboten – den früheren Landtagsabgeordneten Hans-Joachim Janßen aus der Wesermarsch. In ihrer Pressekonferenz vor dem Landesparteitag waren sowohl Kura wie auch Körner bemüht, die inhaltlichen Unterschiede der Parteiflügel klein zu reden. „Das spielt kaum noch eine Rolle“, meinte Kura. In der Großen Koalition in Niedersachsen seien SPD und CDU gar nicht mehr klar unterscheidbar – „das verschwimmt alles“. Beim Grünen-Parteitag wird es auch um formale Fragen gehen – etwa darum, den bisherigen Satzungszwang zur personellen Erneuerung der Landeslisten (jeder dritte Bewerber darf dem Parlament bisher nicht angehören) in Frage zu stellen. Derweil erleben die Grünen einen massiven Aufschwung bei der Mitgliederzahl. Derzeit zählt der Landesverband 7150 Mitglieder, vor einem Jahr waren es 5560. Körner sagte, man könne ein „Projekt 10.000“ planen – „das wäre eine lohnenswerte Werbekampagne“. Die CDU lässt derweil nicht unbeeindruckt, wie stark der Höhenflug der Grünen (vor allem in deren eher konservativ geprägten Landesverbänden Baden-Württemberg, Bayern und Hessen) ausfällt. CDU-Landtagsfraktionschef Dirk Toepffer meinte selbstkritisch, die Christdemokraten hätten Kernthemen der Grünen wie Mobilität, Verbraucherschutz und auch Wohnungsnot „zu lange vernachlässigt“. Es gehe nicht um die Übernahme der Grünen-Antworten, sondern um eigene Antworten. Was etwa die Diesel-Krise angehe, sei die CDU anders als viele Grüne nicht für Fahrverbote, sondern für attraktive Carsharing-Angebote in größeren Städten, weil so der Verkehr vermindert werden könne. Auch ein Nein zur Massentierhaltung sei falsch – wichtiger sei ein Plan, wie man in großen Ställen wesentlich mehr Tierschutz erreichen könne. Was schwarz-grüne Koalitionen angeht, bleibt Toepffer skeptisch: „In Niedersachsen sind die Grünen stark links stehend. Da muss sich erst noch einiges bewegen, bis hier eine Zusammenarbeit möglich wird.“
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #186.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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