15. März 2022 · 
Wirtschaft

Lies: Schon im nächsten Winter soll Flüssiggas in Wilhelmshaven ankommen

Im März war Olaf Lies zur Wiedereröffnung des Alten Vorhafens in seiner Heimatstadt Wilhelmshaven. Im Winter will der Energieminister hier ein LNG-Terminal einweihen. | Fotos: Niedersachsen Ports

Es sind drastische Worte, die Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) am Montag wählte, um den Ernst der Lage zu unterstreichen: „Es geht um die Frage, wie wir die Energieversorgung in dieser Zeit sichern, in der wir nicht in einer Krise, sondern in einem Krieg sind“, sagte er direkt zu Beginn seiner Ausführungen. Ganze drei Mal variierte er die Formel „Krieg, nicht Krise“ in der gestrigen Sitzung des Umweltausschusses des niedersächsischen Landtags, in der er die Abgeordneten über den Fortgang der Planungen für LNG-Terminals in Niedersachsen unterrichtete. Im Zentrum steht die technische Infrastruktur, mit der verflüssigtes Gas, das mit Schiffen angeliefert wird, weitertransportiert werden kann.

Deutschland benötigt 90 Milliarden Kubikmeter Gas

Der Hintergrund ist dramatisch: Die Bundesrepublik ist stark abhängig von Gaslieferungen aus Russland. Von den derzeit gegen Russland verhängten Sanktionen ist der Gas-Handel mit Deutschland deshalb ausgenommen – was nicht dazu beiträgt, den Druck auf den Aggressor im Ukraine-Krieg zu erhöhen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert bereits, den Bezug von Gas und Öl aus Russland auszusetzen. Gleichzeitig drohen Maßnahmen in die andere Richtung: Russland könnte sich entschließen, einfach kein Erdgas mehr nach Deutschland zu liefern, um die hiesige Wirtschaft empfindlich zu schwächen.

„Die Bedeutung von Gas ist elementar, nicht nur für die Wärmeerzeugung, sondern auch für die Stromversorgung“, führte Lies im Umweltausschuss aus. Den Gas-Bedarf der Deutschen beziffert der Umweltminister, der derzeit auch Sprecher der Energieministerkonferenz ist, mit knapp 90 Milliarden Kubikmetern. Mehr als die Hälfte davon bezieht die Bundesrepublik aus Russland, etwa fünf Milliarden fördert Deutschland jährlich selbst, fast komplett in Niedersachsen. Sollten die Gasspeicher leerlaufen, träfe das zuerst die Energieintensive Industrie, schlimmstenfalls blieben im nächsten Winter auch die Wohnungen kalt.

Im Hafen von Rotterdam gibt es bereits Speichertanks für Flüssiggas. Bald sollen sie auch im Tiefseehafen Wilhelmshaven zu finden sein. | Foto: GettyImages/Eric Middelkoop

Die Bundesregierung sucht deshalb nach Alternativen zum russischen Gas. Eine wichtige Rolle spielen dabei nun Importe, die per Schiff beispielsweise aus den USA kommen könnten. Doch dafür braucht es entsprechende Infrastruktur, um die Ladungen der Schiffe auch löschen zu können. Bislang besitzt Deutschland dafür keine Vorrichtungen, das soll sich nun ändern, und zwar am besten sofort. Denn die aktuell verfügbaren LNG-Terminals in Europa haben zwar ein Importvolumen von 85 Milliarden Kubikmetern, wovon aber derzeit nur knapp die Hälfte ausgelastet ist. Würde man diese Kapazitäten voll ausnutzen, könnte Deutschland kurzfristig mehr Gas aus Europa importieren. Allerdings bezieht auch die gesamte EU etwa 40 Prozent ihres Gasbedarfs aus Russland, mittelfristig ist damit also nicht ausreichend geholfen. Deshalb vollzieht Deutschland nun eine Wende in der Energiepolitik. Drei Standorte für LNG-Terminals sind derzeit im Gespräch: Brunsbüttel in Schleswig-Holstein sowie Stade und Wilhelmshaven in Niedersachsen. Umweltminister Lies meint, dass die geplanten vier Terminals an den drei Standorten die Dimension des derzeitigen Gas-Imports aus Russland kompensieren könnten.

Allerdings ist aufgrund der Planungs-, Genehmigungs- und Bauzeiten nicht mit einer Inbetriebnahme vor 2026 zu rechnen. „Die Bundesregierung sagt: Wir haben jetzt ein Problem – aber 2026 auch“, erklärte Lies und kündigte eine Doppelstrategie an. Der aktuelle Plan sieht vor, neben den stationären Entlade-Einrichtungen auch noch Wege zu finden, wie im Idealfall bereits im kommenden Winter Flüssiggas-Lieferungen in Deutschland entgegengenommen werden können. Vorgesehen sind deshalb schwimmende Einheiten, die das verflüssigte Gas von den großen Tankern entladen und entsprechend weiterleiten können. Diese seien schneller zu genehmigen, da sie nicht fest installiert werden, erläuterte Lies. Darüber hinaus werde in Berlin derzeit daran gearbeitet, Wege zu finden, wie auch die Genehmigungsverfahren für die fest installierten Einheiten beschleunigt werden können. Lies sprach in diesem Zusammenhang von einer Parallelisierung der Planungsschritte. „Gasimporte haben eine neue Bedeutung bekommen, deshalb brauchen wir schnelle Lösungen“, sagte Lies und erklärte, aus dem Bundeswirtschaftsministerium sei die Losung ausgegangen: „Wenn es eine Lösung gibt, suchen wir nach einer Möglichkeit, das umzusetzen.“ Denkbar sei also etwa, dass die Materialbeschaffung und die Buchung der Terminals bereits durchgeführt werden können, bevor alle Genehmigungen dazu vorliegen.

Kernkraft ist für Energieminister keine Option

Die Energieminister der Länder haben in der vergangenen Woche auch über andere Formen der Energieversorgung diskutiert. Niedersachsens Umweltminister Lies berichtete, dass man sich in der Runde einig gewesen sei, dass ein Weiterbetrieb von Kernkraftwerken zwar prinzipiell denkbar und möglich sei – aber nicht sinnvoll. „Damit würde man den gesamten Ausstiegsplan wieder aufkündigen“, sagte Lies am Montag im Umweltausschuss des Landtags. Denn man müsse sich deutlich machen, dass es dabei dann aus technischen Gründen nicht etwa um einen Weiterbetrieb für ein oder zwei Jahre ginge, sondern vermutlich über dieses Jahrzehnt hinaus.

Das letzte Kernkraftwerk in Niedersachsen steht in Lingen und soll Ende 2022 vom Netz gehen. Energieminister Olaf Lies will daran trotz Energieknappheit festhalten. | Foto: RWE AG
Dieser Artikel erschien am 15.3.2022 in Ausgabe #049.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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