Leitung der Berliner Vertretung droht zum Fall für die Gerichte zu werden
Wer wird der neue Leiter der Landesvertretung Niedersachsens in Berlin? Das Kabinett hat dazu am 2. Juli eine Entscheidung getroffen: Die Abteilungsleiterstelle soll dem bisherigen SPD-Landesgeschäftsführer Axel Rienhoff (37) übertragen werden. Ob es aber so kommt, scheint derzeit alles andere als sicher. Rienhoff hatte mehrere Mitbewerber, von denen es zwei in die letzte Runde der Vorentscheidung geschafft hatten.
Einer von ihnen ist Giso Bammel (42), nach B2 besoldeter Ministerialrat im Wirtschaftsministerium. Er ist derzeit im Referat für Handel und IT-Dienstleistungen tätig. In Regierungskreisen hält man es für nicht unwahrscheinlich, dass Bammel gegen die Berufung von Rienhoff eine Konkurrentenklage anstrengen könnte. In diesem Fall müsste das Verwaltungsgericht Hannover entscheiden, ob die Ernennungsurkunde an Rienhoff überreicht werden kann. Als Kriterium für die Besetzung müssen die Richter dann die Eignung, Befähigung und Leistung der Kandidaten vergleichen. Dies wird dann gemessen an den Anforderungen, die in der Ausschreibung für die Stelle formuliert waren.
Hier steckt die Landesregierung nun in einem Dilemma: Eigentlich wird für die Leitung der Landesvertretung jemand gesucht, der eine politische Nähe zur Landesregierung hat – er soll als „Botschafter“ Niedersachsen nach außen vertreten und die politische Arbeit koordinieren. Früher wurden für solche Aufgaben auch Staatssekretäre benannt, die besser besoldet waren (B9 statt B6), allerdings auch jederzeit ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden konnten.
Als „politische Beamte“ waren sie unbestreitbar auch nach politischen Maßstäben ausgewählt worden. Eine Stelle für Laufbahnbeamte hingegen, wie sie jetzt besetzt werden soll, sieht das Risiko des plötzlichen Ruhestands nicht vor – und ist daher gerade für jüngere Bewerber wesentlich attraktiver. Da für Laufbahnbeamte aber das Kriterium „politische Nähe“ nicht gelten kann, musste die Ausschreibung auch offener formuliert werden.
Die Regierung konnte nicht direkt erwähnen, dass sie einen ihr nahestehenden Kandidaten haben möchte. Gesucht wurde formell ein Jurist oder Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, eine gute Vernetzung und Verwaltungserfahrung war verlangt. Eine „mehrjährige Führungserfahrung in Einrichtungen des politischen Raums“ war angegeben, zudem „langjährige berufliche Erfahrungen mit oder in Institutionen des Bundes und der Länder“, auch „mehrjährige Erfahrungen in der Öffentlichkeitsarbeit“.
Rienhoff hat Politik- und Literaturwissenschaften studiert, hat einen Magisterabschluss und war für einen irischen Abgeordneten tätig, er hat lange in der Politikberatung gearbeitet, seit 2017 für die SPD Niedersachsen, zunächst als Pressesprecher. Aber auch der Volljurist Giso Bammel, der CDU-Mitglied ist, hat eine lange Erfahrung. Er war in der Büroleitung mehrerer führender Politiker aktiv, so für Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, den Innenminister von Sachsen-Anhalt und vier Jahre lang für Vize-Ministerpräsident Bernd Althusmann. Bei Wanka war er im Leitungsstab Öffentlichkeitsarbeit.
Bammel hat den Vorteil, dass er schon lange in der staatlichen Verwaltung tätig war, für Rienhoff gilt das nicht. Das Statusamt von Rienhoff musste daher im Auswahlverfahren aufwendig definiert werden, damit es mit dem von Bammel verglichen werden konnte. Denn nach der gängigen Rechtsprechung hat derjenige Anspruch auf den Job, der das höhere Statusamt innehat. Das ist bei Bammel B2, bei Rienhoff ist es die Bezahlung des SPD-Landesgeschäftsführers. Das Verwaltungsgericht könnte genau prüfen, ob im Auswahlverfahren alles korrekt gelaufen ist.
Spannend ist der Fall noch unter einem anderen Aspekt: Auch die neugeschaffene B4-Stelle des Vize-Leiters der Landesvertretung ist ausgeschrieben worden. Rot-Grün hatte anvisiert, dort einen von den Grünen benannten Netzwerker, der schon in Berlin einen Namen hat, zu berufen – und die Niedersachsen sollen ein Auge auf Tobias Rohrberg geworfen haben, den Abteilungsleiter der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin für „politische Koordination“.
Auch eine Frau soll zunächst im Gespräch gewesen sein. Im Fall einer Konkurrentenklage für die B6-Stelle des Leiters könnte es sein, dass sich die dortige Besetzung herauszögert, womöglich um mehrere Monate. Dann wäre es denkbar, dass die Nummer zwei auf der B4-Stelle schon tätig werden kann, während die Stelle der Nummer eins wegen des Konkurrentenstreits noch verwaist bleibt. Dies könnte den Start des neuen Chefs der Landesvertretung, ob er nun Rienhoff heißt oder Bammel, erschweren.
Dieser Artikel erschien am 14.07.2023 in der Ausgabe #130.
Karrieren, Krisen & Kontroversen
Meilensteine der niedersächsischen Landespolitik
Jetzt vorbestellen