Lehrer-Arbeitszeit: Der neue Kultusminister ist am Zug
Darum geht es: Der Philologenverband will gegen das Land Niedersachsen klagen. Dabei geht es um den Ausgleich, den Lehrer erhalten müssten, die zusätzliche Aufgaben übernehmen. Ein Kommentar von Martin Brüning.
Arbeitszeitverordnung. Das klingt nach öffentlichem Dienst, nach Betriebsrat, nach Feierabend um 17 Uhr, nach allumfassender Regelung. Und für all diejenigen, die von 35- oder 40-Stunden-Wochen nur in der Zeitung lesen, klingt das eigentlich recht gut. Eigentlich. Denn die Arbeitszeitverordnung hat bei Lehrern inzwischen nur noch recht wenig mit dem Arbeitsalltag zu tun. Während sich die Welt nicht nur um die Schulen herum, sondern auch im Klassenzimmer selbst radikal verändert, ist die Arbeitszeitverordnung seit 20 Jahren dieselbe geblieben. Sie stammt noch aus Zeiten, in denen Inklusion oder Ganztag noch Zukunftsvokabeln waren.
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Wer ist eigentlich der bessere Arbeitgeber – der Staat oder die Wirtschaft? Wer zum Staat geht, der kann nicht viel falsch machen, haben viele Elterngenerationen gedacht und waren froh, wenn der Nachwuchs nach dem Abitur ein Lehramtsstudium aufnahm. Inzwischen ist für viele gar nicht mehr so klar, ob der öffentliche Dienst wirklich noch so attraktiv ist. Denn der Vorteil der Unkündbarkeit der Lehrer steht dem Nachteil einer jahrelangen Vernachlässigung seitens des Arbeitgeber gegenüber. Viele Lehrer fühlen sich inzwischen vom Land im Stich gelassen. Denn das ist immer wieder für kluge Hinweise in Form von Erlassen gut, macht aber im Streit um die Arbeitszeit seit Jahren eher eine schlechte Figur und sich einen schlanken Fuß. Fest steht aber: Der gesicherte Arbeitsplatz sollte auch kein unausgesprochener Grund dafür sein, Mitarbeiter auszunutzen und Probleme jahrelang auszusitzen.
Es sollte für die Lehrer deutlich werden, dass damit Probleme nicht nur auf die lange Bank dialogisiert werden sollen.
Wer sich die Liste mit fachlichen und organisatorischen Aufgaben für Oberstudienräte ansieht, dem ist klar, dass für diese Aufgaben Zeit erforderlich ist. Dabei ist es egal, ob Fachkonferenzen, Wettbewerbe oder die Schul-IT betreut werden. Dieser Aufwand sollte in einer Arbeitszeitverordnung entsprechend berücksichtigt werden. Es ist keine Besonderheit, dass es in solchen Fragen zu unterschiedlichen Einschätzungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern kommt. Es ist allerdings außergewöhnlich und misslich, wenn sich so eine Kontroverse über Jahre hinzieht.
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Es ist schön, dass sich SPD und CDU in Niedersachsen auf einen Schulfrieden geeinigt haben. Noch schöner wäre es allerdings, wenn dieser Schulfrieden zweieinhalb Wochen vor Weihnachten im bildungspolitischen Umfeld größere Kreise ziehen würde. Dann käme es im besten Fall gar nicht zu einer juristischen Auseinandersetzung und dem danach üblichen Gewürge, bis der Staat als Arbeitgeber Arbeitszeitverordnungskosmetik betreibt. Die Landesregierung würde es vorziehen, Meinungsverschiedenheiten nicht auf dem Klageweg, sondern einvernehmlich zu klären, hießt es gestern aus dem Kultusministerium. Dann wäre jetzt der neue Minister am Zug. Das bedeutet: die gemeinsame Dialogrunde sollte nicht nur möglichst zügig kommen. Es sollte für die Lehrer auch deutlich werden, dass damit Probleme nicht nur auf die lange Bank dialogisiert werden sollen. Frust im Klassenzimmer ist für alle schlecht: für Lehrer, Schüler und auch den Kultusminister.