Landwirte und Naturschützer einig: Auf Pflanzenschutzmittel soll verzichtet werden
Im Ziel waren sich die Beteiligten schon einig, als vor zwei Jahren der „niedersächsische Weg“ ins Leben gerufen wurde: Die Bauern sollen in Niedersachsen künftig weitgehend auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verzichten. Einige gesetzliche Rahmenbedingungen, wie etwa die Einhaltung von Gewässerrandstreifen und das Verbot eines dortigen Einsatzes von Pestiziden und Herbiziden, sind bereits in der Zeit der Großen Koalition festgeschrieben worden. Nun haben die neu zuständigen Minister Miriam Staudte (Landwirtschaft) und Christian Meyer (Umwelt) noch einmal die Köpfe zusammengesteckt und gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer, dem Landvolk, dem BUND und dem Naturschutzbund (Nabu) eine „Pflanzenschutzstrategie“ nachgereicht.
Konkret trägt diese den umständlichen Namen „Pflanzenschutzmittel-Reduktionsstrategie“. Was genau das inhaltlich heißt, haben die Beteiligten am Dienstag vorgetragen: Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln soll in Niedersachsen bis zum Jahr 2030 mindestens um 25 Prozent verringert werden. Die Landwirtschaftskammer, die Instrumente zur Beratung, Kontrolle und Ausbildung der Landräte bereit hält, soll über diese Vorgabe wachen. Mit dem gezielten Einsatz von Fördermitteln soll erreicht werden, dass Landwirte unterstützt werden, die auf den Einsatz dieser Wirkstoffe verzichten. Staudte nannte das „einen Kompromiss“, über den die Beteiligten monatelang gebrütet hätten.
Staudte und Meyer: Datenbasis hat gefehlt
Wie Staudte und Meyer hervorhoben, hat die Fertigstellung des Strategiepapiers unter anderem deshalb so lange gedauert, weil eine verlässliche Datenbasis gar nicht vorhanden war. Deshalb geht man Umwege, um die Bezugsgröße für die angepeilte Verringerung um 25 Prozent überhaupt feststellen zu können. Die Daten darüber, wie viele Pflanzenschutzmittel für die Landwirtschaft und die Kleingartenbesitzer im Jahr abgegeben werden, liegt nur für die Bundesebene vor, nicht für Niedersachsen. Auch in der Statistik der einzelnen landwirtschaftlichen Höfe werden diese Angaben nicht erfasst. Daher greift man jetzt hilfsweise auf andere Angaben der Landwirte zurück, nämlich darauf, wie viel sie je Hektar für den Einkauf von Pflanzenschutzmitteln ausgegeben haben.
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Eine Stichprobe von rund 1400 Betrieben, die solche Angaben regelmäßig mitteilen müssen, wird herangezogen. Daraus wird nun deutlich, dass der Mittelwert der Jahre 2015 bis 2021 etwa 95 Euro je Hektar beträgt. Ein möglicher Weg der Verringerung wäre nun, an diesem Wert den geplanten Abbau um 25 Prozent bis zum Jahr 2030 zu messen. Ob man dazu die richtigen Schritte ergriffen hat oder nachschärfen muss, soll sich aus einer Evaluation ergeben, die für die Zeit bis Mitte 2024 angestrebt wird. Wie schwierig die Messung im Detail sein kann, verdeutlichte Gerhard Schwetje von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Der Verzicht auf Düngung und Pflanzenschutz könne sich auswirken auf die Empfehlung, welche Pflanzenarten man anbaut und welche Arbeitsmittel man verwendet. Es gebe längst auch „digitale Unkrauthacker“, mit Laserstrahlen könnten ungebetene Herbizide bekämpft werden, ohne dass man dafür chemische Mittel verwenden müsse. Auch die Veränderung der Fruchtfolgen könne ein richtiger Weg sein.
Interessant sind auch die regionalen Auffälligkeiten beim bisherigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Niedersachsen – gemessen an den Ausgaben der 1400 über das Land verteilten Betriebe, die statistische Angaben liefern müssen. Demnach werden Pflanzenschutzmittel besonders intensiv im Ackerbau eingesetzt, gefolgt von der Veredelung. Die Werte liegen bei 170 Euro und 108 Euro je Hektar. Beim Futtermittel-Anbau hingegen sind es nur 35 Euro. In der von Grünland geprägten Küstenregion sind die Ausgaben mit 42 Euro je Hektar äußerst gering, in der von Ackerbau geprägten Region Börde und Ostheide hingegen wird mit 175 Euro je Hektar ein Spitzenwert erreicht. Bisher ist ein Trend bemerkbar, dass mit steigender Flächengröße der Betriebe auch der Einsatz an Pflanzenschutzmitteln je Hektar wächst – mutmaßlich also eine Folge der steigenden Spezialisierung des Anbaus.
Holger Buschmann (Nabu) und Susanne Gerstner (BUND) meinten, sie wünschten sich eine noch stärkere Verringerung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Viel hänge aber davon ab, ob die EU Programme zur Entschädigung von Landwirten, die auf solche Mittel verzichten und dann geringere Erträge haben, entwickeln und billigen wird. Ulrich Löhr (Landvolk) meinte, man brauche künftig „wirksame, bezahlbare und praxistaugliche Möglichkeiten für besseren Pflanzenschutz“. Die Gentechnologie, wandte Staudte ein, gehöre aus ihrer Sicht wohl nicht dazu. Deshalb ist sie kein Bestandteil der neuen Strategie – wie auch die „Pflanzenschutzabgabe“ nicht, für die sich Staudte ausgesprochen hat.
Dieser Artikel erschien am 15.02.2023 in der Ausgabe #028.
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