Landgericht entscheidet: Durchsuchung von SPD-Bundesministerium 2021 war ein Fehler
Die Pressemitteilung kam am Donnerstag um 10.01 Uhr – und sie trägt zunächst eine recht unspektakulär klingende Überschrift. „Landgericht Osnabrück hebt Durchsuchungsbeschluss für die Diensträume des BMJV auf“, ist dort zu lesen. Tatsächlich geht es um einen Vorgang, der im Sommer vergangenen Jahres eine große Rolle im Bundestagswahlkampf spielte und seit Monaten aus der öffentlichen Debatte wieder verschwunden ist.
Die im August und September 2021 von der Staatsanwaltschaft in Osnabrück betriebene Durchsuchung des Bundesfinanz- und des Bundesjustizministeriums hat ein juristisches Nachspiel. Im Raum steht der Vorwurf, die niedersächsische Justiz habe zwei SPD-Ministerien, darunter das vom jetzigen Kanzler Olaf Scholz geführte Bundesfinanzministerium, mit einem unzutreffenden Verdacht überzogen und damit an den Pranger gestellt. Ein unfairer Seitenhieb, um Scholz zu schaden oder zu provozieren?
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Die Entscheidung, die von der zwölften Großen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück gestern verbreitet wurde, dürfte die Sozialdemokraten jetzt aufatmen lassen: Die drei Richterinnen sehen die schon vor Monaten geäußerten Vorwürfe offenbar als berechtigt an. Sie hoben den Durchsuchungsbeschluss für das Bundesjustizministerium, und nur um diesen ging es in dem Verfahren, mit ihrer Entscheidung auf. Der entsprechende Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom August sei „unverhältnismäßig“, „nicht ausreichend begründet“ und „nicht angemessen“ gewesen.
Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des Bundesjustizministeriums habe es nicht gegeben – und mit der doch angesetzten Durchsuchung, die am 9. September 2021 geschah, sei „dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Institutionen ein nicht unbeachtlicher Schaden“ zugefügt worden. Mit anderen Worten: Die Justiz in Osnabrück hat nach Auffassung der zwölften Großen Strafkammer auf der Basis zweifelhafter Grundlagen agiert, das Bundesjustizministerium einem öffentlichen Verdacht ausgesetzt und den Ruf dieses Ministeriums (geführte von Christine Lambrecht, der heutigen Bundesverteidigungsministerin) damit beschädigt. Was das Bundesfinanzministerium angeht, äußern sich die drei Richterinnen nicht – jene dort durchgeführte Durchsuchung war ja auch nicht Gegenstand des Verfahrens, denn nur das Bundesjustizministerium hatte eine Beschwerde eingereicht, das Bundesfinanzministerium nicht.
Hintergrund: Razzia im Ministerium von Olaf Scholz
Um was genau geht es eigentlich? Das damals von Olaf Scholz geführte Bundesfinanzministerium führt die Aufsicht über die Geldwäsche-Spezialeinheit FIU, die zum Zoll gehört. Seit Jahren schon steht der Verdacht im Raum, die FIU habe Geldwäsche-Fälle nicht angemessen an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt, sodass die Täter nicht hätten verfolgt werden können. Die Ermittlungen, in die auch die Staatsanwaltschaft Osnabrück eingebunden war, sollten nun ergründen, ob es in den Ministerien irgendwelche Hinweise, Abmachungen oder Ratschläge gab, die von dort das Handeln der FIU hätten steuern oder beeinflussen können. Gab es so etwas im Bundesfinanzministerium, vielleicht auch in Abstimmung zwischen Bundesfinanz- und Bundesjustizministerium?
Wie die Abläufe im Sommer 2021 mit Blick auf das Justizministerium waren, und nur die dortige Hausdurchsuchung ist jetzt vom Landgericht beleuchtet worden, wird in der gestrigen Pressemitteilung näher beschrieben: Die Staatsanwältin aus Osnabrück habe Ende Juli telefonisch den zuständigen Referatsleiter des Bundesjustizministeriums gebeten, ein Schreiben des Bundesjustiz- an das Bundesfinanzministerium von Mai 2020 zu übermitteln. In diesem Brief ging es um die Zusammenarbeit von FIU und Strafverfolgungsbehörden. Eine Version dieses Schreibens indes habe damals der Staatsanwaltschaft aber bereits vorgelegen, es stammte aus einer Durchsuchung beim Zoll im Juli 2020.
Der angerufene Mitarbeiter des Bundesjustizministeriums habe die Bitte der Staatsanwältin allerdings abgelehnt, woraufhin die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Osnabrück eine Durchsuchung der Diensträume und Archive von Finanz- und Justizministerium in Berlin beantragte. Am 10. August hatte das Amtsgericht Osnabrück den Beschluss für das Bundesfinanzministerium gefasst, am 25. August für das Bundesjustizministerium. Am 9. September wurden die Dienststellen dann durchsucht.
Ein Durchsuchungsbeschluss, der nicht hätte getroffen werden dürfen
Ausführlich begründet die zwölfte Große Strafkammer des Landgerichts jetzt, warum der Durchsuchungsbeschluss nicht hätte getroffen werden dürfen: Die Staatsanwaltschaft hätte aus ihrer Sicht „ein mit Gründen versehenes Herausgabeverlangen unter genauer Bezeichnung des verlangten Schriftguts“ vorlegen müssen, am besten schriftlich. Das sei nicht passiert. Ausnahmen seien nur erlaubt, wenn „eine Vernichtung von Beweismitteln zu befürchten oder eine besondere Dringlichkeit anzunehmen“ gewesen wäre. Beide möglichen Bedingungen verneint die Große Strafkammer. Aus der telefonischen Weigerung des Referatsleiters hätte, so meint sie, keine generelle Ablehnung der Herausgabe gefolgert werden dürfen.
Dann heißt es noch: „Unter Berücksichtigung der bestehenden Vorschriften der Aktenordnung sei es eher unwahrscheinlich, dass als Beweismittel in Betracht kommende Schriftstücke im Zuge eines etwaigen Regierungswechsels verloren gingen.“ Dieser etwas umständliche Satz lässt sich wohl so verkürzen: Da Behörden die Akten ordentlich führen müssen, ist eine Manipulation der Schriftstücke wohl nicht zu erwarten – auch nicht dann, wenn jemand anders die Führung des Ministeriums übernimmt. Aus diesen Worten spricht nun ein großes Vertrauen der zwölften Großen Strafkammer in die Bundesregierung. Später ergänzt die Große Strafkammer noch: „Die Stärke des Verdachts einer Strafvereitelung im Amt sei als gering einzustufen“, denn Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten im Bundesjustizministerium „hätten nicht bestanden“.
Fall sorgte für Wirbel in der Endphase des Bundestagswahlkampfes
War also das Vorgehen der Justiz in Osnabrück überzogen? Der Fall hatte schon in der Endphase des Bundestagswahlkampfs hohes Aufsehen erregt – ein enger Mitarbeiter von Olaf Scholz griff per Twitter öffentlich die Staatsanwaltschaft für ihre Pressemitteilung an. Es war Wolfgang Schmidt, der heutige Kanzleramtsminister. Aus SPD-Kreisen wurde eine politische Intrige gewittert, das zielte in Richtung von Landes-Justizministerin Barbara Havliza (CDU) und den Leiter der Staatsanwaltschaft Bernard Südbeck, der auch aktiver Christdemokrat ist. Auch der Entertainer Jan Böhmermann fühlte sich damals befleißigt, Südbeck anzugreifen. Von der anderen Seite hieß es, die Staatsanwaltschaft sei durch die Weigerung der Bundesministerium zur Zusammenarbeit misstrauisch geworden – und man habe mit der Durchsuchung ergründen wollen, ob möglicherweise andere, weiter erhellende Hinweise auf ein Ausbremsen der Geldwäsche-Strafverfolgung zu finden gewesen wären. Diese fand man freilich später offenbar nicht.
Die SPD im Landtag hatte schon Ende 2021 angemerkt, sie werde den weiteren Verlauf der Dinge sehr aufmerksam verfolgen. Der Beschluss der zwölften Großen Strafkammer kann ihre Sichtweise nun bestätigen. Unter den drei Richterinnen, die den Beschluss gefasst haben, ist auch eine frühere Politikerin – die ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete und jetzige Richterin Kathrin Wahlmann. Wenn Justiz-Mitarbeiter in Osnabrück in der Politik engagiert sind, dann sind es eben nicht nur Christdemokraten. Die jüngste Wendung in diesem Fall dürfte noch einige politische Diskussionen nach sich ziehen.
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