Das beste Geschenk, sagt Kultusminister Grant Hendrik Tonne, lieferten gegenwärtig ganz viele Schüler gegenüber ihren Lehrern: „Sie kommen mit einem Lächeln in die Schule und freuen sich, dass nach der langen Zeit des Homeschooling jetzt endlich wieder ein Treffen in der Klasse möglich ist.“ Vermutlich sei es nach langer, langer Zeit die erste Generation, die solche Reaktionen zeige. Der SPD-Politiker leitet daraus nun die Position ab, in der bildungspolitischen Debatte müsse sich der Fokus verändern. „Wir müssen aufhören, immer von den Defiziten in der Wissensvermittlung zu reden.“ So richtig es sei, dass viel Präsenzunterricht ausgefallen sei in der Corona-Zeit und dass es Diskussionen über spezielle Förderangebote in den Ferien gebe – beispielsweise im Nachbarland Bremen. Tonne betont aber: „Wir haben die einmalige Chance, jetzt von der defizit-orientierten Debatte wegzukommen.“ Man müsse erkennen, wie viele Schüler in der Krise gelernt hätten, sich selbst zu organisieren, die eigene Verantwortung für das Lernen und die Disziplin beim Lernen zu übernehmen. „Viele Kinder werden es als einen Schlag ins Gesicht wahrnehmen, wenn ihnen jetzt unterstellt werde, sie hätten in der Corona-Zeit ,nichts gelernt‘.“
Tonne redet in diesen Tagen nicht davon, wie eine Fülle versäumten Lehrstoffs nachgeholt oder wie in den Ferien mit Nachhilfeprogrammen Unterstützung organisiert werden kann. Es gehe jetzt darum, eine „Phase der Freude“ dazu zu nutzen, dass die Jugendlichen in der Schule „wieder Tritt fassen können“. Zu diesem Zweck will das Kultusministerium auch seinen Teil dazu beitragen, dass möglichst rasch wieder Normalität einkehren kann. Vom 31. Mai an wird für alle Schüler wieder der Präsenzunterricht verbindlich – sie sollen alle wieder täglich in die Schule kommen. Die Maskenpflicht bleibt, die Testpflicht (zweimal wöchentlich, zuhause durchgeführt) ebenfalls. Rein formell wird die förmliche Präsenzpflicht nicht verfügt, damit Kinder mit besonderen Vorerkrankungen zuhause bleiben können, sofern die Eltern das wollen. Ohnehin sei diese Regel bisher zur von 2,5 Prozent der Eltern beansprucht worden, sagt Tonne, die Bedeutung sei also eher gering. Steigt die Inzidenz über 50, kommt es wieder zum Szenario B (Wechselunterricht), oberhalb einer Inzidenz von 165 müssen alle Schüler zuhause bleiben.
Die Testergebnisse: Seit Wiederaufnahme des Schulbetriebs am 10. April hat das Kultusministerium 7,1 Millionen Tests verteilt, 2100 davon seien – nach einem folgenden PCR-Test – belastbar positiv ausgefallen, das seien 0,029 Prozent. An Lehrer und Mitarbeiter an Schulen wurden 1,3 Millionen Tests verteilt, 180 hatten ein positives Resultat, also 0,01 Prozent. „Immerhin war es möglich, einige Infizierte zu erkennen, sie vom Schulbesuch abzuhalten und damit die Ansteckungsgefahr zu verringern“, sagt der Minister.
Neuer Impf-Fahrplan: Noch vor den Sommerferien will das Land allen Schülern, die älter als 12 sind, eine Impfung anbieten und damit den ersten Schritt zur Rückkehr zu mehr Freiheiten ebnen. Ob es auch Reihen-Impfungen in den Schulen gibt, wird gegenwärtig geprüft. Wichtig ist, dass ein Impfstoff offiziell zugelassen wird, dieser dürfte dann aber erst für Menschen ab zwölf Jahren gelten. Von den Lehrern in Niedersachsen haben bisher 76,4 Prozent schon ihre erste Corona-Schutzimpfung erhalten.
Kritik der Lehrerverbände: Der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL) kritisierte, dass die Vorbereitungen auf das kommende Schuljahr noch nicht gut genug seien. Vor allem fehlten ausreichend Lehrer für den Unterricht. Die GEW-Vorsitzende Laura Pooth warnte vor einer „Pseudo-Normalität“. In vielen Schulen seien Bedienstete noch nicht ausreichend geimpft, das führe dort zu Unmut. Außerdem seien die räumlichen Verhältnisse in den meisten Schulen nicht optimal, die Abstände oft auch nicht ausreichend.
FDP schlägt Leistungs-Selbsttest vor: Der FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling regt an, jeder Schüler solle die Chance bekommen, individuell – und ohne Benotung – den eigenen Leistungsstand zu testen, möglichst digital. Daraufhin solle geprüft werden, wie jedem Schüler für die Zeit der Sommerferien ein Angebot zur Stoff-Vertiefung oder -Nachholung gegeben werden kann.