Kostenexplosion bei minderjährigen Flüchtlingen beschäftigt die Koalitionspartner
Die Ausgaben für die „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge“ sind in Niedersachsen sprunghaft angestiegen – und nun kann die Sache auch noch Koalitionsthema werden. Nach Informationen des Politikjournals Rundblick drängt die CDU auf einen anderen Umgang mit dem Thema. Schon im vergangenen Jahr, als die Christdemokraten noch in der Opposition waren, forderten sie strengere medizinische Untersuchungen, damit das Alter der Menschen festgestellt werden kann. Zu Beginn dieses Jahres wurde das noch einmal wiederholt. Die SPD äußerte sich noch 2017 skeptisch. Jüngst hatte das Sozialministerium im Sozial- und Innenausschuss erläutert, dass medizinische Altersfeststellungen durchaus möglich sind. Ein Rechtsmediziner aus Münster, der Erfahrungen in diesem Bereich hat, empfahl Röntgen-Untersuchungen. Diese könnten aber in jedem Einzelfall Kosten von rund 1500 Euro verursachen. Soll man diese nun verbindlich vorgeben oder zumindest dringend empfehlen? Bislang gibt es dazu keine klare Linie zwischen SPD und CDU.
198 Millionen Euro für minderjährige Flüchtlinge
Ob man die Kosten auf sich nehmen und in Zweifelsfällen generelle Untersuchungen zur Feststellung des Alters anordnen sollte, ist im Landtag umstritten. Die Grünen neigen dazu, den Aufwand lieber sein zu lassen. In Niedersachsen geht es um rund 5000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die vor allem mit der großen Flüchtlingswelle 2015 ins Land gekommen sind, aber auch in den Jahren danach. Betrugen die jährlichen Ausgaben des Landes für diesen Bereich noch 2012 lediglich 28 Millionen Euro, so sind im Etat für 2018 zunächst 198 Millionen Euro vorgesehen gewesen. Das Geld wird vom Land an die Kommunen weitergegeben. Da die Kommunen nun mitteilten, dass das Geld nicht reicht, hat Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) im Entwurf für den Nachtragshaushalt Mehrausgaben von 113 Millionen Euro vorgesehen. Wieso diese Kosten so enorm gestiegen sind, bleibt rätselhaft. Im Sozialausschuss des Landtags gab dazu jüngst die Haushaltsexpertin des Sozialministeriums einige Hinweise. Zum einen gebe es Unklarheiten über das Alter der Betroffenen. Das heißt: Viele, die sich als minderjährig vorstellen und keine Papiere vorweisen können, sind es am Ende gar nicht. Die Minderjährigkeit gibt ihnen die Chance, vor Abschiebung geschützt zu werden. Sie werden betreut und müssen keinen Asylantrag stellen, also auch dessen Ablehnung nicht befürchten. Außerdem bleibt ihnen eine Sammelunterkunft erspart, vielmehr winkt eine Betreuung. Als zweiten Grund dafür, dass die Kosten rasant gestiegen sind, gab die Mitarbeiterin des Ministeriums an, dass viele Betroffene auch dann noch betreut werden, wenn sie das 18. Lebensjahr schon überschritten haben. „Viele sind traumatisiert und brauchen Hilfe“, sagte sie.
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CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer hatte schon im Januar gefordert, in Zweifelsfällen das Alter der Betroffenen zu ermitteln – notfalls auch mit medizinischen Mitteln. Ein bundeseinheitlicher Weg dafür sein sinnvoll. Dass Menschen zu Unrecht betreut werden und sich hier aufhalten können, nur weil sie fälschlicherweise ein zu niedriges Alter angegeben haben, müsse Konsequenzen haben. Heute unterbleibt die medizinische Untersuchung oft, häufig drücken die Mitarbeiter der Jugendämter zwei Augen zu und akzeptieren die angebliche Minderjährigkeit trotz großer Zweifel. Ein anderer Weg, der diskutiert wird, ist die Landesobhut für die Betroffenen. Sie würden nicht mehr auf die Kommunen verteilt und den dortigen Behörden überlassen (die dann ihre Kosten ermitteln und diese sich vom Land erstatten lassen), sondern in Landeseinrichtungen betreut. Beispielsweise im Saarland gibt es ein solches Modell. Auf diese Weise, heißt es, könnte das Land stärker auch die Kosten der Aufnahme und Unterbringung kontrollieren.