17. März 2021 · 
Inneres

Kommunen fordern nächtliche Ausgangssperre

Die drei Kommunalverbände in Niedersachsen haben angesichts der dritten Corona-Welle eine drastische Änderung der Strategie empfohlen: Wie in Spanien, Italien und Frankreich solle eine nächtliche Ausgangssperre verhängt werden in Niedersachsen - täglich zwischen 21 Uhr abends und 5 Uhr morgens. Im Gegenzug aber sollten tagsüber alle Einzelhandelsgeschäfte, Restaurants, Kultureinrichtungen und Sportstätten wieder öffnen können. "Die Ausgangssperre sollte wenigstens 14 Tage lang wirken, damit die Inzidenzwerte heruntergehen", sagte der Präsident des Städtetages und Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD).

Unterdessen hat die Corona-Politik der SPD/CDU-geführten Landesregierung  am Mittwoch im Landtag den geballten Unmut der Opposition hervorgerufen. „Herr Ministerpräsident, Sie tun so, als gehe Sie das alles nichts an. Ihr Schweigen schürt Misstrauen, während norddeutsche Klarheit nötig ist“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Helge Limburg, gerichtet an Regierungschef Stephan Weil.

Wir sehen das auch so, aber wir wünschen uns, dass die CDU-Politiker ihren Worten endlich mal Taten folgen lassen

Stefan Birkner (FDP)

FDP-Fraktionschef Stefan Birkner betonte, seine Fraktion unterstütze die Äußerung von Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU). Dieser hatte unlängst gemeint, die Konzentration auf den Inzidenzwert (Zahl der Neuinfektionen in jedem Landkreis je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen) sei verkehrt, in die Beurteilung müsse vielmehr auch die Teststrategie einbezogen werden, der Impffortschritt und die Auslastung der Intensivbetten in den Krankenhäusern. „Wir sehen das auch so, aber wir wünschen uns, dass die CDU-Politiker ihren Worten endlich mal Taten folgen lassen“, betonte Birkner.

In den vergangenen Tagen hatte es wegen der Forderung Althusmanns, vom Inzidenzwert als alleinigem Maßstab abzuweichen, Unmut in der Koalition ausgelöst. Regierungssprecherin Anke Pörksen hatte sich als Weil Sprecherin davon distanziert und dem CDU-Chef vorgeworfen, er schaffe damit neue Irritationen. In der Landtagsdebatte jedoch kamen aus der SPD differenzierte Stimmen. Zuvor hatte Birkner noch hervorgehoben, dass es mehrere Oberbürgermeister und Landräte auch der SPD gebe, die für ein Abweichen vom Inzidenzwert als Richtschnur werben.

Wir haben steigende Inzidenzen und eine wachsende Belastung der Kliniken – das heißt also, Althusmanns Beitrag schafft nur Verunsicherung.

Helge Limburg (Grüne)

Die SPD-Gesundheitsexpertin Thela Wernstedt meinte, gegenüber Neubewertungen sei sie offen – die Debatte bringe aber wenig, wenn auch nach anderen Kriterien das Ergebnis, wegen der steigenden Infektionen Geschäfte weiter geschlossen zu halten, das gleiche bleibe. In diese Richtung argumentierte auch der Grünen-Politiker Limburg: „Wir haben steigende Inzidenzen und eine wachsende Belastung der Kliniken – das heißt also, Althusmanns Beitrag schafft nur Verunsicherung.“

Die neue Sozialministerin Daniela Behrens meinte, natürlich gebe es gegenwärtig „eine intensive Debatte über die Maßstäbe“. Aber Niedersachsen halte sich an die Bund-Länder-Vereinbarungen, die sich mit Bezug auf das Infektionsschutzgesetz auf die Inzidenzen bezögen. „Das eigentliche Problem ist doch aber das Infektionsgeschehen – und das wird auch mit einer anderen Zahl nicht besser.“

Schwarz hält eine Wutrede: Der SPD-Gesundheitspolitiker Uwe Schwarz hat in einer sehr emotionalen Rede vor zu viel Nachgiebigkeit gewarnt: Er rügte die Landtagsopposition, dass sie für alle Mängel die Regierungen in Bund und Land angreife. Dabei könnten die Minister für Lieferengpässe bei Testungen und Impfungen nichts. Dass Astrazeneca nach den kritischen Hinweisen erst einmal ausgesetzt werde, sei völlig richtig.

Hier wird mit Menschen gespielt und das ist unanständig

Uwe Schwarz (SPD)

Scharfe Kritik richtet Schwarz an die Pharmakonzerne: „Völlig unerklärbar“ sei, warum Astrazeneca, Biontech und Moderna ständig zugesagte Termine hinauszögerten. „Hier wird mit Menschen gespielt und das ist unanständig“, betonte der SPD-Politiker. Biontech  habe zu überhöhten Preisen mit der EU Geschäfte machen wollen – und verprügelt worden dafür seien die Politiker, nicht die Geschäftemacher.

Am Ende, schätzt Schwarz, werde sich der russische Impfstoff Sputnik als derjenige mit den wenigsten Lieferproblemen erweisen. Schwarz sagte: „Das alles zeigt, dass die Produktion von Impfstoffen nicht in private Hände gehört.“ Deutlich verurteilte Schwarz auch die Diskussion über mögliche Lockerungen und Kriterien für Geschäftsöffnungen: „Das geht mir auf den Geist, und es ist fahrlässig, den Leuten jetzt Lust auf einen Mallorca-Urlaub zu machen – die Infektionen sind dafür viel zu hoch. Wir haben die Verantwortungen, dies den Menschen auch zu sagen.“

Björn Försterling und Stefan Birkner von der FDP hielten Schwarz daraufhin vor, der habe „ideologische Vorurteile gegenüber der Privatwirtschaft“ – obwohl doch Dank privater Initiativen überhaupt schon Impfstoff auf dem Markt sei. Birkner betonte, wie auch Julia Hamburg (Grüne), dass der Fehler der Landesregierung doch darin liege, auf eine effektive Test- und Impfkampagne gar nicht ausreichend vorbereitet zu sein.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #052.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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