Jürgen Trittin hat ein Buch geschrieben und ist dann in den politischen Ruhestand gegangen. Auf gut 375 Seite legt das Grünen-Urgestein dar, wo seine politischen Überzeugungen herkommen. Unter der Überschrift „Alles muss anders bleiben“ nähert sich Trittin in vier Essays seinem politischen Werdegang an und nimmt den Leser dabei mit auf eine nicht-chronologische Reise durch sein Leben. Demokratie, Gleichheit, Ökologie und Internationales sind die großen Themen, die ihn bewegen.

In der zweiten Folge unserer Sommer-Podcast-Serie sprechen Klaus Wallbaum und Niklas Kleinwächter über Trittins Autobiografie. Das Buch habe seine Erwartungen nicht erfüllt, kritisiert dabei Klaus Wallbaum. Was ihm fehlt, sei die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Positionen: Wo hat Trittin vielleicht auch mal falsch gelegen? Das Buch sei „zu sehr Rechtfertigung des eigenen Handelns.“ Aber ist das nicht genau der Grund, weshalb Politiker am Ende ihrer aktiven Schaffenszeit Autobiografien schreiben: Um selbst an ihrem Mythos mitzuschreiben, bevor es andere tun? Spannende Einblicke bietet das Buch in jedem Fall in die politischen Vorgänge der jüngeren Landesgeschichte: Rot-Grün in Niedersachsen, Schröders Aufstieg, die Grünen in der Krise, Celler Loch oder Mescalero-Affäre? All diese Ereignisse schildert Trittin in seinem Buch – selbstverständlich aus seiner Sicht.
Wo steht Trittin heute? Als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag hat der Grünen-Politiker, der einst das Dosen-Pfand eingeführt hat, die Rolle eines ernstzunehmenden Staatsmannes eingenommen. Ist er das nun, ein Elder Statesman? Trittins Autobiografie zeigt auch die Entwicklung eines linken Systemkritikers zu einem linken Systemverteidiger. Mit seinem Pragmatismus sei Trittin inzwischen auch in Teilen der Union anerkannt, die er doch lange Zeit erbittert bekämpft hat, sagt Klaus Wallbaum im Podcast. Überhaupt sei er in Wirklichkeit weit weniger radikal, als er sich in jüngeren Jahren in manchen Flugblättern gegeben hat. Steht er nun also in einer Reihe mit Merkel, Wulff und Schröder? Klaus Wallbaum sagt: Nein, er sticht aus dieser Reihe positiv heraus. Weil Jürgen Trittin „sehr klug kombiniert, klug analysieren kann und einen klaren Blick auf die Weltlage hat.“ Insgesamt also: Leseempfehlung für alle, die sich für die Politik der vergangenen 40, 50 Jahre interessieren – und dabei wechseln können zwischen objektiver Darstellung und persönlicher Nachbetrachtung.