Kommt eine Polizei-Studie oder kommt sie nicht?
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) suchte sich ein nordrhein-westfälisches Medium, die „Rheinische Post“, um einen weitgehenden politischen Schritt in einer seit Wochen umstrittenen Frage anzukündigen: Es solle demnächst zwei verschiedene Untersuchungen geben, und er wünsche sich, so der SPD-Politiker weiter, „dass sich dem möglichst viele Bundesländer anschließen“. Wissenschaftler sollen die Polizisten bei der Arbeit begleiten und damit die Schwachpunkte und Probleme des Polizeialltags erkennen. Offensichtlich gebe es „immer wieder Glutnester antidemokratischen Verhaltens, die man schnell erkennen und ersticken“ müsse, hatte Pistorius in dem Interview gesagt. Der Einsatz der Polizei vor Ort solle in einer „qualitativen Studie“ erfasst werden.
Dafür gab es nun Lob von der Gewerkschaft der Polizei (GdP): Eine Analyse des Polizeialltags, wie hier gefordert, sei sinnvoll und richtig. Aber Pistorius kündigte noch einen zweiten Vorstoß an, nämlich eine „mehrjährige wissenschaftliche Studie“, bei der „die Verhaltensweisen von Beamten beleuchtet werden, die auf extremistische oder rassistische Einstellungen“ schließen ließen. Hierzu sagte der GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilff: „Das ist nicht notwendig. Die Zahlen im jüngst vom Bundesinnenminister vorgestellten Lagebericht zu Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden liefern dazu keinen Anlass.“
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Mit ihrer Kritik an der Rassismus-Studie für die Polizei, die auch von Bundesinnenminister Horst Seehofer bisher abgelehnt wird, bleibt sich die GdP Niedersachsen treu. In den vergangenen Wochen hatte es gerade aus der SPD Rufe nach einer solchen Untersuchung gegeben, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius war dabei noch zurückhaltend geblieben. Sein jetzt vorgestellter Vorschlag eines Doppel-Beschlusses über zwei Studien ist ein mögliches Kompromissmodell.
Während die Kurzzeit-Untersuchung vor allem den Gewerkschaften der Polizisten entgegenkommt, die schon lange über einen schwieriger gewordenen Arbeitsalltag klagen und sich hier Verbesserungen erhoffen, wird die Langzeit-Untersuchung vom Verdacht begleitet, hier könnten bei Auswahl entsprechender Autoren der Studie diejenigen die Sichtweise bestimmen, die das Wirken der Polizei schon immer ausgesprochen skeptisch beurteilt haben. Immerhin hatte Pistorius für den ersten Teil seines Vorschlags, die Kurzzeit-Studie, bereits am Montag Zustimmung von einem christdemokratischen Amtskollegen erhalten, dem sachsen-anhaltinischen Innenminister Holger Stahlknecht (CDU).
Wir erwarten von einem Innenminister schnelles und hartes Durchgreifen. Extremisten haben im öffentlichen Dienst keinen Platz.
Nach den bisherigen Äußerungen aus der niedersächsischen CDU wird der Ruf nach Polizei-Studien allerdings kritisch bis ablehnend gesehen. Der Innenexperte der Landtagsfraktion und frühere Innenminister Uwe Schünemann wiederholte seine Position, die er schon vor zwei Wochen – und damit vor Pistorius‘ Einlassung – verkündet hatte: Die Polizei habe „kein Erkenntnisdefizit“. Es gehe vielmehr darum, die psychologische Betreuung der Polizisten zu verbessern. Die im Datenschutzgesetz vorgesehene Kontrolle der dienstlichen Kommunikation zwischen Beamten müsse verbessert werden, damit extremistische Tendenzen rascher aufgespürt werden.
Nötig sei auch eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz für alle Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden, Justiz und Bildung – damit Menschen, die extremistischen Gruppen angehören, keinen Zugang zu staatlichen Positionen bekommen können. „Eine Studie, die nur eine einzige Gruppe von Beamten betrachtet und stigmatisiert, lehnen wir ab“, fügte Schünemann hinzu. Damit liegt er offenbar auf einer Linie mit der GdP, die auch die zweite von Pistorius angekündigte Untersuchung mit großer Skepsis betrachtet. Schünemann sagt außerdem: „Wir erwarten von einem Innenminister schnelles und hartes Durchgreifen. Extremisten haben im öffentlichen Dienst keinen Platz.“