28. Apr. 2024 · 
Wirtschaft

Kein Termin: Die Mega-Biogas-Anlage in Friesoythe wird von Zeitverzug geplagt

Es ist ein Projekt der Superlative, womöglich eine der größten Biogas-Anlagen in Europa. In Friesoythe im Kreis Cloppenburg, einer Region mit intensiver Tierhaltung, wird eine riesige Biomethan-Anlage errichtet. Auf rund 13,5 Hektar entstehen mächtige Bauten – und geplant ist, dass aus jährlich rund einer Million Tonnen Wirtschaftsdünger (Gülle und Mist) Kraftstoff hergestellt werden kann. 130 Millionen Euro soll das Ganze kosten.

Die Biogasanlage bei Friesoythe ist fast betriebsbereit. | Foto: Revis Bioenergy

40 große Gärbehälter sind geplant, die meisten davon stehen bereits. Aber was den Start der Produktion angeht, sind die Eröffnungstermine schon mehrfach verschoben worden. 2023 hieß es, man werde es noch bis Jahresende schaffen. Dann war vom ersten Quartal 2024 die Rede. Nun sagt Sprecher Tim van Bevern des Investors „Revis“ aus Münster, man wolle „zeitnah“ die Eröffnung ansetzen. Das Projekt wird zwischen Friesoythe und der Gemeinde Saterland gebaut – und zwar nahe dem Küstenkanal, was einen raschen Abtransport von Biogas oder die schnelle Anlieferung von Gülle gewährleisten kann.

Woran liegt es, dass man nun allenthalben Skepsis hört statt Zuversicht? Von Anfang an hatte es Kritiker gegeben, 2021 gab es in Saterland einen Bürgerentscheid – mit klarer Mehrheit dagegen. Kritiker befürchten eine Geruchsbelästigung, wenn riesige Mengen an Gülle verarbeitet werden. Wenn Landwirte aus dem Umkreis von 50 Kilometern die Rückstände aus ihren Ställen anliefern, wird außerdem ein kräftig wachsender Lastwagenverkehr befürchtet. Eine Bürgerinitiative geht auch gerichtlich gegen das Projekt vor, und aktuell gibt es einen Teilerfolg. Der Landkreis Cloppenburg setzte die Genehmigung für die Einleitung von Prozesswasser in die „Sater Ems“ aus, nachdem der Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (LBU) den Rechtsweg gegen die Erlaubnis beschritten hatte. Es geht dabei um Verfahrensfragen, eine Öffentlichkeitsbeteiligung wird nachgeholt. Ein Erörterungstermin ist für den 15. Mai geplant.

Nun wird spekuliert, es könne mehr dahinter stecken als nur ein Verfahrensmangel bei der Pipeline-Planung. Was ist, wenn die Überprüfung ergibt, dass das Abwasser nicht die notwendige Qualität besitzt? Müsste dann das Bauprojekt um eine Abwasser-Verdampfungsanlage ergänzt werden – und wäre es dann noch wirtschaftlich? Es gibt auch Hinweise, dass die Biogas-Anlage einen sehr hohen Strombedarf hat, der womöglich in der Gegend nur schwer gedeckt werden könnte. Der Betreiber Revis schreibt dazu: „Wir haben keinerlei Hinweise, dass der Strombedarf nicht jederzeit gedeckt ist.“ Ein Sprecher des Landkreises erklärt auf Anfrage, dass bei der Bürgerbeteiligung „alle berechtigten Einwendungen“ berücksichtigt würden – der bisherige Bescheid werde womöglich angepasst.

Womöglich wird es auch wegen der veränderten Rahmenbedingungen immer schwieriger, ein solches Projekt zu verwirklichen. Denn der Fleischverzehr nimmt ab, das hat langfristig auch Folgen für die Tiermast in Weser-Ems. Weniger Tierzucht heißt aber weniger Gülle. Und wenn die Kunstdünger-Preise steigen, werden die tierischen Abfälle zur Düngung auch wieder attraktiver – folglich verknappt sich das Angebot an Gülle zu günstigen Preisen, was sich negativ auf die Gewinnerwartungen der Biogas-Anlage auswirken kann. Die Nachfrage nach Biomethanol andererseits ist auch Schwankungen unterworfen.



Nun ist in Friesoythe neben der Biogas-Anlage noch ein weiteres Großprojekt geplant, mit dem aus Biomethanol Wasserstoff gewonnen werden soll. Doch auch hier gibt es Verzögerungen. Vor wenigen Wochen hieß es, wegen der EU-Bedingungen für die Förderungswürdigkeit müsse der Strom für ein solches Vorhaben aus Anlagen der Erneuerbaren Energien kommen, die nicht älter als drei Jahre sind. Man könne den geplanten Fertigstellungstermin (Ende 2027) somit nicht garantieren. Auch hier ist von einem „sehr hohen Strombedarf“ die Rede. Dass beide Großvorhaben voneinander abhängen, sich sogar gegenseitig bedingen, kann vermutet werden. Derzeit scheint aber noch viel Sand im Getriebe zu sein.

Der Betreiber Revis widerspricht manchen düsteren Prognosen, die in der Debatte rund um das Vorhaben geäußert werden. Steigende Auflagen der Landwirtschaft und hohe Transportkosten für Gülle führten dazu, dass das Projekt in Friesoythe nach wie vor eine sehr lohnende Alternative für viele Bauern ist. Man sei sicher, dass das Werk erfolgreich arbeiten werde.

Dieser Artikel erschien am 29.4.2024 in Ausgabe #079.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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