Jetzt wird es ernst: Landgerichtspräsident zieht vor das Bundesverfassungsgericht
Wenn sich zwei Kandidaten um eine wichtige Stelle in der Justiz bewerben, der eine aber im Range eines „politischen Beamten“ steht, ist dann zwischen beiden noch ein fairer Wettbewerb möglich? Mit dieser Frage soll sich demnächst das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigen. Der hannoversche Landgerichtspräsident Ralph Guise-Rübe, der gern Präsident des Oberlandesgerichts Celle (OLG) geworden wäre, hat eine Verfassungsbeschwerde eingelegt. Er wendet sich darin gegen die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg und des Verwaltungsgerichts Hannover.
Beide hatten Guise-Rübes Konkurrentenklage zurückgewiesen und keinen Beanstandungsgrund darin gesehen, dass die Landesregierung die frühere Justiz-Staatssekretärin Stefanie Otte für die Stelle der OLG-Präsidentin auswählte. Als Staatssekretärin war Otte aber politische Beamtin – und somit mit einem besonderen Treueverhältnis zur Regierung ausgestattet. Nach Ansicht von Guise-Rübes Rechtsbeistand, dem Karlsruher Verwaltungsrechtler Prof. Christian Kirchberg, hat es in diesem Verfahren zwischen beiden Bewerbern keine gleichen Startvoraussetzungen gegeben.
Der Fall wird seit Monaten in Niedersachsen diskutiert. Vordergründig geht es um die Frage, ob die den Grünen angehörende frühere Staatssekretärin Otte das OLG Celle leiten soll oder der parteilose Landgerichtspräsident. Der dritte Bewerber, Celles Generalstaatsanwalt Frank Lüttig, hatte auch eine Konkurrentenklage eingelegt, gibt sich aber nach deren negativem Ausgang mit der Sache zufrieden und begehrt nicht dagegen auf. Anders nun Guise-Rübe, der Kosten und Mühen nicht scheut, über eine Verfassungsbeschwerde die Sache grundsätzlich klären zu lassen.
In Karlsruhe dürften die Richter nun bis zum Herbst prüfen, ob sie die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung annehmen. Das muss dann sein, wenn dem Thema „grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung“ zukommt und die bisherigen Urteile des höchsten deutschen Gerichts die Problematik noch nicht ausreichend gewürdigt haben. Beides dürfte hier der Fall sein, und sowohl die Verwaltungsgerichte in Hannover und Lüneburg, als auch das OVG Lüneburg hatten es vermieden, die von Guise-Rübe und Lüttig aufgeworfene Frage überhaupt zu erörtern: nämlich die Frage, ob Laufbahnbeamte oder -richter, wie Guise-Rübe und Lüttig sie sind, in solchen Konkurrentenverfahren überhaupt mit einem politischen Beamten verglichen werden können.
Die Vorgeschichte war so, dass alle drei Bewerber für die Stelle des OLG-Präsidenten hervorragende Zeugnisse vorweisen konnten. Deshalb war schließlich für die Auswahl das Statusamt entscheidend, dieses ist mit B9 bei Otte höher als das mit R5 bei Guise-Rübe. Staatssekretäre hätten in solchen Fällen stets einen Vorteil, da sie als politische Beamte immer die höchste Besoldungsstufe vorweisen können. Angeblich will Kirchberg in Karlsruhe auf den Umstand hinweisen, dass Guise-Rübe einen „richterlichen Statusvorteil“ habe, der sich aus langer Zeit an verschiedenen Gerichten und im Ministerium ergebe, neun Jahre lang habe er Führungspositionen ausgeübt.
Otte hingegen sei nur zwei Jahre lang Staatssekretärin gewesen, auf diese Position sei sie gelangt, nachdem sie vorher Vize-Abteilungsleiterin im Ministerium war. Aus dieser „vergleichsweise kurzfristigen Funktion“ im Spitzenamt könne Otte keinen „Eignungsvorsprung“ für das Amt des OLG-Präsidenten ableiten. Das gelte umso mehr, als politische Beamte wie Staatssekretäre „Transformationsämter“ ausübten, also berufen seien, politische Vorgabe in gesetzeskonformes Verwaltungshandeln zu übertragen. Für sie gelte, dass sie eine „fortdauernde politische Übereinstimmung“ mit den gewählten Politiker zeigen müssten. Damit würden für politische Beamte andere Ansprüche gelten als für Laufbahnbeamte, für die die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ ausschlaggebend sind – also eine Karriere nur nach den Auswahlprinzipien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #118.