19. Jan. 2021 · 
Soziales

Homeoffice quasi als Pflicht? In Niedersachsen sind die Behörden unterschiedlich aufgestellt

Gestern haben die 16 Ministerpräsidenten und die Kanzlerin stundenlang darum gerungen, schließlich zeichnete sich eine Verständigung ab: Wo immer es vertretbar erscheint, sollen Mitarbeiter von Behörden und Unternehmen in den kommenden drei Wochen ihre Arbeit von zuhause aus erledigen, meistens am heimischen Computer. Bisher hatten Kanzlerin und Ministerpräsidenten dringende Appelle an die Unternehmen gerichtet, bitteschön die Angebote von Homeoffice zu verstärken. Hintergrund ist, dass bei einer Zunahme der Heimarbeit die Hoffnung besteht, dass Busse und Bahnen entlastet werden. Außerdem würden dann in den Büros weniger Mitarbeiter eng zusammensitzen. Die Nähe vieler Menschen auf engem Raum gilt in den Annahmen der Virologen als eine der Hauptquellen für die Übertragung des Corona-Virus. Beunruhigt sind die Politiker auch wegen der Mutationen des Virus, die sich womöglich auch schon in Niedersachsen ausgebreitet haben – ohne klar identifiziert worden zu sein.

Tatsächlich ist die Landesverwaltung unterschiedlich aufgestellt bei der Frage, wie stark die Landesbehörden bereits Homeoffice nutzen. Nach Mitteilung von Regierungssprecherin Anke Pörksen trifft das für 88 Prozent der Mitarbeiter der Staatskanzlei zu, für 84 Prozent im Kultusministerium (ohne Schulen und nachgeordneten Bereich), für 72 Prozent im Agrarministerium, 87 Prozent im Umweltministerium, 70 Prozent im Wirtschaftsministerium und 76 Prozent im Innenministerium (allerdings ohne Polizei). Das Finanzministerium teilt 70 Prozent mit, dabei sind aber die Steuerbehörden und Finanzämter ausgeklammert. Im Justizressort werden 33 Prozent angegeben. Im Wissenschaftsministerium liegt die Quote bei 89 Prozent, im Sozialministerium bei 85 Prozent (ohne Maßregelvollzug), im Landesrechnungshof sogar bei 100 Prozent. Der unterschiedliche Grad hängt auch damit zusammen, dass in einigen Bereichen hoheitliche Aufgaben mit sensiblen Daten (etwa Steuerdaten oder Sicherheitsdaten) bearbeitet werden, eine Verlagerung ins Homeoffice daher aus zwei Gründen schwierig wäre: Zum einen wären die technischen Voraussetzungen nicht auf die Schnelle zu leisten, da die Computerzugänge in den Büros nur nach Überwinden mehrerer Sicherheitsschranken möglich sind. Derartige Vorkehrungen sind bei Heimarbeitsplätzen kaum rasch einzuführen. Zum anderen wäre es vermutlich auch nicht sinnvoll, hochsensible Verwaltungsvorgänge von Mitarbeitern in Heimarbeit erledigen zu lassen, da die Bearbeitung dann nicht mehr in besonders geschützten Räumen möglich wäre.

Die Debatte dreht sich auch um die Frage einer Kontrolle der Auflagen. Bevor sich die Ministerpräsidentenkonferenz am Dienstag festgelegt hatte, kursierten zwei Modelle. Im Kanzleramt wurde vorgeschlagen, die Arbeitgeber sollten ihren Mitarbeitern Homeoffice überall dort ermöglichen müssen, wo die Tätigkeiten dies „nach eingehender Prüfung zulassen“. Die SPD-geführten Länder schlugen vor, die „eingehende Prüfung“ zu streichen, also den Arbeitgebern eine Ablehnung zu erschweren. Es deutete sich an, dass sich die SPD-Seite hier durchsetzen würde. Außerdem wollte die SPD jene Betriebe, in denen eine Präsenz der Mitarbeiter weiter nötig ist, verpflichten, kostenlos medizinische Masken zur Verfügung zu stellen. Das Kanzleramt hatte hingegen vor, hier eine „Aufforderung“ und keine „Verpflichtung“ zu beschließen. Die Homeoffice-Pflicht stößt bei den Arbeitgeberverbänden in Niedersachsen auf Vorbehalte. Volker Müller von den Unternehmerverbänden äußerte sich ablehnend, Volker Schmidt vom Verband Niedersachsenmetall erklärte, eine Rechtfertigungspflicht des Arbeitgebers gegenüber einem Mitarbeiter, dessen Antrag auf Homeoffice abgelehnt wird, belaste die Stimmung in den Firmen: „Dies würde bedeuten, dass der Arbeitgeber einen sachlichen Grund nennen müsste. Dies aber gefährdet den Betriebsfrieden auf das Äußerste. Das gesetzlich geschützte Direktionsrecht des Arbeitgebers würde eingeschränkt – und das würde eine Klagewelle auslösen.“

Impfungen verzögern sich: Der Impfplan der Landesregierung gerät empfindlich durcheinander, da der Hersteller Biontech seine Produktion in Belgien umstellen muss, wie die Vize-Leiterin des Krisenstabes, Claudia Schröder, erläuterte. Deshalb bekomme Niedersachsen im Januar 40 Prozent weniger Impfstoff als bisher geplant. Die Impfung der Bewohner und Beschäftigten von Pflegeheimen, die eigentlich bis Ende Januar abgeschlossen sein sollte, verzögert sich damit. Bisher sind 40.000 Bewohner in den Altenheimen geimpft, also etwa jeder zweite Bewohner. 45.000 Beschäftigte der Heime sind ebenfalls bereits geimpft. Schröder betonte, dass die Verzögerung nicht bedeute, Mitarbeiter in den 50 Impfzentren würden nun weniger zu tun haben. „Die werden jetzt damit beschäftigt sein, die Impfpläne, Einsatzpläne und Reihenfolgen umzuändern.“ Es bleibe dabei, dass Ende Januar die Menschen über 80, die zuhause wohnen, Termine bei den Impfzentren vereinbaren können.

Dieser Artikel erschien am 19.1.2021 in Ausgabe #011.

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