Am Donnerstag endet der erste von drei Monaten, in denen die deutsche Bevölkerung mit dem Neun-Euro-Ticket vergünstigt Bus und Bahn fahren kann. Ob dieses Modell auch nach dem August eine Zukunft hat, beschäftigte am Mittwoch die Abgeordneten des niedersächsischen Landtags. CDU-Fraktionsvize Ulf Thiele warnte davor, dass das Neun-Euro-Ticket ein Strohfeuer werden könnte, und bekräftigte die Forderung von Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) nach einem bundesweit gültigen Anschlussticket.

Dass es eine Anschlusslösung geben müsse, erklärte auch Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU). Er nannte den bezahlbaren Nahverkehr eine wichtige Daseinsvorsorge insbesondere für den ländlichen Raum. In Vertretung für den mit dem Corona-Virus infizierten Verkehrsminister Althusmann führte Hilbers weiter aus, dass sich die Verkehrsministerkonferenz auf eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen im öffentlichen Personennahverkehr bis 2030 verständigt habe. Ein mögliches Instrument, um dies zu erreichen, sei der Ticketpreis.
„Sonst schafft man über das vergünstigte Ticket eine Nachfrage, die man am Ende gar nicht bedienen kann.“
Allerdings sehe er „keine Spielräume für dauerhafte Vergünstigungen“ wie beim Neun-Euro-Ticket. Berechnungen zufolge würde eine Fortsetzung dieses Angebots bundesweit rund zehn Milliarden Euro jährlich kosten. Umgerechnet auf Niedersachsen wäre das etwa eine Milliarde Euro, die man aufwenden müsste, um das Angebot eins zu eins fortführen zu können. Für Hilbers ist allerdings entscheidend, dass zunächst in die benötigte Infrastruktur investiert wird. „Sonst schafft man über das vergünstigte Ticket eine Nachfrage, die man am Ende gar nicht bedienen kann“, sagte er im Landtag.
Dass das Neun-Euro-Ticket ein Erfolgsmodell ist, darin war man sich gestern fraktionsübergreifend einig. „In den vergangenen Wochen hat es eine Abstimmung mit den Füßen gegeben: Die Bevölkerung will das“, sagte der SPD-Abgeordnete Frank Henning. Der Grünen-Verkehrsexperte Detlev Schulz-Hendel betonte, dass aufgrund dieses Tickets nun offensichtlich Familien an den Wochenenden Ausflüge unternehmen können, die sich das sonst aufgrund der hohen Kosten nicht hätten leisten können.
„Wir brauchen keine Machbarkeitsstudie, sondern den Mut und Gestaltungswillen für die Mobilitätswende."
Die wichtigste Lehre aus dem Neun-Euro-Ticket ist für den Grünen-Politiker allerdings, dass eine einheitliche Tarifstruktur bundesweit möglich sei. „Wir brauchen keine Machbarkeitsstudie, sondern den Mut und Gestaltungswillen für die Mobilitätswende“, sagte Schulz-Hendel mit Verweis auf das niedersächsische Wirtschaftsministerium, das in der Vergangenheit ein landeseinheitliches Ticketsystem abgelehnt hatte mit der Begründung, dass es zu viele unterschiedliche Verkehrsverbünde gebe.

Ulf Thiele mahnte daraufhin aber an, dass es mit den Tarifzonen über die Zonen der Verkehrsverbünde hinaus auch jetzt so einfach nicht sei. Man müsse schon das Grundgesetz ändern, wenn man die Verbünde zu einheitlichen Tarifen an der freien Preisbildung vorbei bewegen wolle, sagte der CDU-Politiker. Alternativ bliebe nur der Verhandlungsweg, bei dem sich die Verkehrsverbünde zuletzt aber immer noch Ausstiegsklauseln ausbedungen hatten. Thiele gab aber auch einen zuversichtlichen Ausblick. Mit dem Schüler- und Azubi-Ticket habe man ein System aufgelegt, auf das man nun aufbauen könne.
Zugverbindung nach Norddeich-Mole: Ein Ärgernis bleibt für viele Abgeordnete (vor allem jene aus dem Nordwesten Niedersachsens) eine besondere Regelung für die Bahnverbindung nach Norddeich-Mole. Hier darf normalerweise in Ermangelung einer ausreichenden Regionalbahn-Taktung auch dann der Intercity genutzt werden, wenn ein Fahrgast nur ein Nahverkehrsticket erworben hat. Das Neun-Euro-Ticket gilt dort aktuell allerdings nicht. Frank Henning (SPD) forderte von Verkehrsminister Althusmann, die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn hier weiter voranzutreiben.
Ulf Thiele wusste von zwei Briefen zu berichten, die der Minister in dieser Angelegenheit bereits geschrieben habe. Der CDU-Fraktionsvize führt die aktuelle Situation auf eine interne Kommunikationspanne bei der Deutschen Bahn zurück, die dazu geführt habe, dass seitens der Bahn 5,24 Millionen Euro vom Land Niedersachsen gefordert wurden, damit auch das Teilstück nach Norddeich-Mole an das Neun-Euro-Ticket angeschlossen wird. Umweltminister Olaf Lies nannte die aktuelle Situation „bedauerlich“ und drückte seine Erwartung aus, dass man sich in dieser Angelegenheit noch einmal zu Verhandlungen zusammensetzt.