17. Sept. 2021 · 
Justiz

Hat der Staatssekretär von Olaf Scholz die Justiz in Osnabrück zu Unrecht kritisiert?

In der Schlussphase des Bundestagswahlkampfes gerät nun die Staatsanwaltschaft Osnabrück ins Visier der Parteistrategen. Hintergrund ist eine Entscheidung der Behörde vom 9. September, eine Durchsuchung im Bundesfinanz- und im Bundesjustizministerium zu veranlassen. Es geht um die Kommunikation, die zwischen beiden Ministerien und der dem Zoll zugeordneten Geldwäsche-Spezialeinheit FIU gepflegt worden war – und um Vorwürfe gegen die FIU, Informationen über Geldwäsche nicht an die Justizbehörden übermittelt zu haben. Das wäre Strafvereitelung im Amt. Nun gibt es von einigen Sozialdemokraten scharfe Kritik an die Adresse der Staatsanwaltschaft – sie habe mit dem Vollzug der Durchsuchung knapp einen Monat bis zur heißen Wahlkampfphase gewartet, sie hätte statt einer Durchsuchung auch schlicht schriftlich bei den Ministerien um Auskunft bitten können, sie hätte in einer Pressemitteilung den Sachverhalt wahrheitswidrig zugespitzt. Was ist dran an den Vorwürfen? Wir versuchen eine Einordnung.

„Durchsuchung war übertrieben“: Die spontane Reaktion von Bundesfinanzminister Olaf Scholz lautete, die Justizbehörde hätte auch im Bundesministerium nachhaken und um Herausgabe der Unterlagen bitten können. Die Justiz interessiert die Frage, wie das Finanzministerium als Aufsichtsbehörde die Arbeit der FIU begleitet hat – also auch konkret die Frage, ob es Anweisungen zum Umgang mit Geldwäsche-Verdachtsfällen gegeben hat. Die Kritik von Scholz am Vorgehen der Staatsanwaltschaft ist berechtigt, allerdings nur, wenn die Aufsichtsbehörde frei von jedem Verdacht wäre, selbst zweifelhafte Anweisungen gegeben zu haben. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richten sich aber „gegen Unbekannt“ und betreffen „Strafvereitelung im Amt“. Dass Mitarbeiter des Finanzministeriums frei von jedem Verdacht wären, kann deshalb nicht behauptet werden.

„Ermittlungen wurden verzögert“: Es stimmt, dass schon Mitte August der Amtsgerichts-Beschluss zur Durchsuchung des Bundesfinanzministerium vorlag – also rund einen Monat vor der Durchsuchung, und zwar in der Sommerpause. Was das Bundesjustizministerium angeht, kam die Freigabe des Amtsgerichts jedoch erst zwei Wochen später. Ein Versehen sei die Ursache, heißt es. Da man beide Ministerium gemeinsam durchsuchen wollte, sei der Beschluss für das Justizressort von der Staatsanwaltschaft abgewartet worden.

„Pressemitteilung entspricht nicht dem Beschluss“: Scholz‘ Staatssekretär Wolfgang Schmidt hatte auf Twitter erklärt, die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft habe „mit dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts wenig zu tun“. In der Pressemitteilung heißt es: „Es soll unter anderem untersucht werden, ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien sowie vorgesetzte Dienststellen in Entscheidungen der FIU eingebunden waren.“ Die „Süddeutsche Zeitung“ teilt den von Schmidt erweckten Eindruck, dass die Pressemitteilung neben der Sache liege – denn es sei ja nur darum gegangen, Auskünfte über das Verhalten der FIU-Mitarbeiter zu erlangen, die Kontakt zu Bundesministerien hatten. Dies wäre tatsächlich der Fall, wenn die Ermittlungen sich konkret gegen FIU-Mitarbeiter richten würden. Das ist aber nicht so, die schon 2020 aufgenommenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück richten sich gegen Unbekannt – damit gegen alle möglichen Beteiligten, auch gegen leitende Beamte der beiden Bundesministerien. Die „Süddeutsche Zeitung“ greift auch den Chef der Staatsanwaltschaft an, der langjähriger CDU-Kommunalpolitiker und „für sein überschießendes Temperament bekannt“ sei. Tatsächlich aber ist die Behauptung, die Pressemitteilung treffe mit dem Durchsuchungsbeschluss nicht überein, sehr gewagt.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #163.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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