Die Grüne Jugend (GJ), Jugendverband der niedersächsischen Grünen, prescht mit einer inhaltlichen Forderung für den Landtagswahlkampf vor: Die 1650 Mitglieder zählende Organisation, die in den vergangenen zwei Jahren einen rasanten Mitgliederzuwachs erlebt hat, tritt mit dem Ruf nach einer „Mobilitätsgarantie“ an.

Die Forderung soll der Partei nahegebracht werden, beim Programmkongress im Juni dürfte sie einer der zentralen Punkte werden. „Mobilitätsgarantie“ besagt das Versprechen an alle niedersächsischen Bürger, montags bis freitags zwischen 6 Uhr früh und Mitternacht in kurzer Erreichbarkeit mindestens ein Angebot des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs pro Stunde nutzen zu können – am Wochenende dann alle zwei Stunden. „Das Land soll das garantieren, also auch finanziell einspringen müssen“, sagte GJ-Landessprecher Felix Hötker aus Göttingen. Dies könne nicht generell gelten, Dörfer mit einzelnen Gehöften könnten wohl nicht einbezogen werden. „Wir werden dann auch viel über Rufbusse regeln müssen“ ergänzte Hötkers Sprecher-Kollegin Pia Scholten aus Hildesheim.
Das Modell der Mobilitätsgarantie bedeutet, ähnlich der Garantie auf einen Kindergartenplatz, dass die Kommune als Verkehrsträger das Angebot für jeden Berechtigten sicherstellen muss. Nach Vorstellungen der Grünen Jugend soll die nötigen Kosten dann das Land tragen. In der Praxis würde das dann so laufen, dass die Bahn- und Buslinienangebote im Takt notfalls erhöht werden müssen. Daneben dürfte es ein System mit Rufbussen geben, die dann bei Anforderung die Fahrgäste aus den Gegenden abholen, die weiter von einer gut getakteten Bus- oder Bahnlinie entfernt liegen.
Die Grüne Jugend verweist in diesem Zusammenhang auf Modellrechnungen, die von der Thüringer Grünen-Landtagsabgeordneten Laura Wahl in Auftrag gegeben worden waren. Eine Studie ermittelte den Investitionsbedarf für den Thüringer Unstrut-Hainich-Kreis auf knapp zwei Millionen Euro jährlich, und hochgerechnet auf das Land Thüringen wäre das eine Summe von 30 Millionen Euro. Hötker und Scholten erklärten, sie wünschten sich zunächst „Pilotstudien“ zu diesem Projekt in Niedersachsen. Modellhaft solle erprobt werden, wie ein solches Vorhaben organisiert werden kann. Der größere Zusammenhang sei, dass der Individualverkehr mit fossilen Brennstoffen als Teil der Klimaschutzpolitik massiv zurückgedrängt werden solle. Das könne aber nur gelingen, wenn die Menschen in ländlichen Gegenden ein attraktives Alternativangebot bekämen.
Im Forderungskatalog der Grünen Jugend Niedersachsen sind weitere Punkte enthalten:
Status-Garantie für Arbeitsplätze: Beschäftigte in Branchen, die massiv unter der Neuausrichtung einer klimafreundlichen Wirtschaft zu leiden haben, sollten „in anverwandten Branchen zu ähnlichen Arbeits- und Tarifbedingungen“ eingesetzt werden – und verantwortlich sein dafür solle nicht der jeweilige Betrieb, sondern der Staat. Als Problem wird erkannt, dass hier einige Betriebe wie VW begünstigt werden, kleinere und mittlere Betriebe mit einer fragwürdigen Betroffenheit vom Transformationsprozess aber nicht.
Job-Garantie für sozial Schwache: Menschen, die keine Beschäftigung haben, sollen nach Ansicht der Grünen Jugend eine staatliche Garantie bekommen. Das Land solle ihnen passende Berufe vermitteln, und zwar „gemeinwohlorientiert, nach Mindestlohn bezahlt und staatlich gefördert“.
„Finanzministerium ist sinnvoll“: Die Grüne Jugend ermuntert die Grünen, nach einer Landtagswahl in einer Koalition womöglich auch nach dem Finanzministerium zu streben – zugunsten einer neuen, auf mehr Investitionen und Ausgaben ausgerichteten Finanzpolitik. „Sollten sich SPD und FDP auf die Verteidigung der ,schwarzen Null‘ zurückziehen, würde dieser Wunsch umso dringender“, sagt Hötker.
Gegen Bündnis mit der CDU: Mit der CDU sehen Hötker und Scholten „keine Schnittmengen für eine mögliche Koalition“, mit der FDP sei ein Bündnis „schwer vorstellbar“, da die Partei „der Anwalt der Autofahrer“ sei. Auch von der SPD sei man enttäuscht, etwa wegen der Haltung der Partei zu Autobahnbauten. „Dennoch setzen wir die größten Hoffnungen und Erwartungen in die Sozialdemokraten“, betont Scholten.
Ampelkoalition ist „Brückentechnologie“: Kritisch geht die Grüne Jugend Niedersachsen mit der neuen Bundesregierung ins Gericht. Die Regierung könne im Abtreibungsrecht und bei der Drogen-Legalisierung einen gesellschaftlichen Fortschritt schaffen, alles andere drohe aber „hinter dem Notwendigen zurückzubleiben“, sagt Scholten und fügt hinzu: „Die Ampel kann höchstens die Brückentechnologie für vier Jahre sein.“