9. Dez. 2023 · 
Wirtschaft

Großunternehmen lassen die Corona-Krise hinter sich – Nord/LB bleibt jedoch besorgt

Die Industrie bleibt auch nach der Corona-Pandemie der wichtigste Wirtschaftsfaktor in Niedersachsen. Sowohl bei der Wertschöpfung als auch beim Umsatz dominiert weiterhin das verarbeitende Gewerbe – insbesondere die Automobilbranche mit dem Wirtschaftskoloss Volkswagen AG. Das geht aus der aktuellen Studie der Nord/LB zu den 100 größten Unternehmen in Niedersachsen hervor, die auf den Geschäftszahlen für des Jahres 2022 beruht. „Das Geschäftsjahr 2021 war bereits von Aufholeffekten geprägt, diese erfreuliche Entwicklung hat sich 2022 fortgesetzt. In herausfordernden Zeiten haben sich die niedersächsischen Unternehmen im Wettbewerb behauptet“, fasst Nord/LB-Risikovorstand Christoph Dieng zusammen.

Christian Lips, Natalja Kenkel und Christoph Dieng stellen die Nord/LB-Studie zu den 100 größten Unternehmen in Niedersachsen vor. | Foto: Link

Der Gesamtumsatz der Top 100 ist um 16 Prozent gestiegen und lag bei 512 Milliarden Euro (2021: 443 Milliarden Euro). Die Wertschöpfung, bei der etwa Löhne und Sozialabgaben sowie Steuern und der Jahresüberschuss betrachtet werden, stieg dagegen weniger stark an. Das hängt unter anderem mit dem dicken Umsatzplus der Energieunternehmen zusammen, die zu den Gewinnern des Jahres 2022 zählt. Im Umsatz-Ranking verbesserten sich EWE (Platz 6), Hoyer-Group (7), Enercity (8) und Avacon (23) leicht. Die Stadtwerke aus Braunschweig (49) und Osnabrück (57) schossen um 19 und 27 Plätze nach oben. Mineralölgroßhändler Q1 Energie aus Osnabrück (50) stürmte 23 Plätze hoch.

Wieder zurück in der Spitzengruppe ist der Touristikkonzern TUI, der nach dem Verlustjahr 2021 erneut Platz 3 hinter VW und Continental beansprucht. Obwohl die Drogeriekette Rossmann ihren Umsatz um eine halbe Milliarde Euro gesteigert hat, sinkt sie um vier Plätze auf Rang 9. Im Ranking der Versicherungsunternehmen bleibt der Talanx-Konzern (HDI, Hannover Rück) mit einer Prämiensumme von 53 Milliarden Euro eine Klasse für sich. Die zweitplatzierte VHV führt mit 3,7 Milliarden Euro das Verfolgerfeld an.

Die Rückmeldungen für 2023 legen nahe, dass sich der Aufwärtstrend der niedersächsischen Großunternehmen fortgesetzt hat. Die 22 Unternehmen, die eine Umsatzprognose abgegeben haben, erwarten ein Plus von durchschnittlich 18 Prozent. Nord/LB-Chefvolkswirt Christian Lips ist jedoch nicht zum Feiern zumute. „Wir sind jetzt erst wieder auf dem Niveau von vor Corona. Im Grund haben wir in Summe vier Jahre ohne Wachstum erlebt“, sagt der Ökonom und warnt: „Die strukturell niedrigen Energiepreise, die wir vor der Krise kannten, sind passé. Gerade die energieintensiven Industriezweige geraten unter Druck.“

Nachdem 2023 das Bruttoinlandsprodukt um 0,4 Prozent geschrumpft ist, erwartet Lips für 2024 ein leichtes Wachstum von 0,3 Prozent. Für das kommende Jahr rechnet er mit einer etwas besseren Konsumhaltung, dafür mit weniger Investitionen. Rückenwind für die Wirtschaft sei nicht in Sicht. „Wir glauben, dass die Inflation nicht endgültig besiegt ist. Und die Folgen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lassen sich auch noch nicht abschätzen“, sagt der Chefökonom. Sein Ausblick für 2024: „Die Bäume wachsen nicht in den Himmel.“

Dieser Artikel erschien am 11.12.2023 in Ausgabe #216.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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