Das neue Schuljahr beginnt für viele Lehrkräfte in Niedersachsen mit mehr Geld auf dem Konto. Seit dem 1. August erhalten auch Grund-, Haupt- und Realschullehrer ein Einstiegsgehalt nach A13. Trotz großer Freude über diesen Erfolg warnt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) jedoch: Die bessere Besoldung ist noch kein Allheilmittel gegen die vielen Probleme an den Schulen, angefangen beim Lehrermangel. Zwar sei schon jetzt festzustellen, dass eine Abwanderung frisch ausgebildeter Lehrer etwa nach Hamburg oder Bremen gestoppt werden konnte, berichtet GEW-Landeschef Stefan Störmer. Eine Unterrichtsversorgung von 100 Prozent werde damit aber noch lange nicht erreicht. Das hänge zum einen damit zusammen, dass zum neuen Schuljahr die Soll-Stundenzahl an den Grundschulen erhöht worden ist. Das Kultusministerium reagiert mit dieser Maßnahme auf das schlechte Abschneiden der Schüler im Lesen, Rechnen und Schreiben. Sukzessive soll das Unterrichtsangebot in diesen Fächern um drei Stunden erhöht werden. Ein weiterer Grund für die unzureichende Unterrichtsversorgung ist aus Sicht der GEW, dass zu wenig neue Lehrerstellen zum neuen Schuljahr ausgeschrieben worden seien. Zwar habe man jedem Referendar ein Einstellungsangebot gemacht, doch die Gesamtzahl reiche noch nicht aus. Verschärft werde der Lehrermangel noch durch große regionale Unterschiede bei der Stellenbesetzung, berichtet Störmer.

„Wieso diskutieren wir denn noch?“, fragt sich GEW-Landeschef Stefan Störmer. | Foto: Kleinwächter

Laut GEW bräuchte es noch einmal mindestens 1300 zusätzliche Stellen, um die Unterrichtsversorgung zumindest rechnerisch gewährleisten zu können. In Verbindung mit den bereits neu geschaffenen 2400 Lehrerstellen fehlten demnach insgesamt rund 3700 Lehrkräfte an Niedersachsens Schulen. Dass der Arbeitsmarkt derzeit überhaupt so viel Personal hergibt, glaubt Störmer allerdings selbst nicht. Deshalb, so der Gewerkschaftschef, sollte das Kultusministerium endlich entsprechende Maßnahmen zur Lehrkräftegewinnung umsetzen. „In den Sommerferien hat das Kultusministerium zum nächsten Dialogforum eingeladen. Aber was machen wir denn seit zwei Jahren? Wieso diskutieren wir denn noch?“, fragt Störmer und fordert von Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne), die ausgearbeiteten Vorschläge rasch auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und dann umzusetzen. Für die GEW hat dabei oberste Priorität, die Anzahl der Lehramts-Studienplätze auszubauen. Zusätzlich sollten Maßnahmen ergriffen werden, mit denen die Erfolgsquote im Studium und anschließend im Referendariat erhöht wird. Laut einer neuen Studie im Auftrag der GEW, die erst in etwa einem Monat auf Bundesebene vorgestellt werden soll, seien diese Maßnahmen am erfolgversprechendsten, um dem Lehrermangel nachhaltig zu begegnen.

Während die Kultusministerin immer wieder von einer „Politik der tausend Schritte“ spricht, bezeichnet Störmer die bisher ergriffenen Maßnahmen als einen „Tropfen auf den heißen Stein“: Pensionäre anzusprechen sei wichtig, aber kein großer Wurf und nicht nachhaltig – schließlich werden sie zeitnah dennoch wieder gehen. Maßnahmen zur Vorbereitung junger Lehrer oder zur Gesunderhaltung der älteren seien ebenfalls wichtig, aber die Plätze viel zu begrenzt. Mehr Engagement wünscht sich Störmer außerdem für Maßnahmen, welche die Abbrecherquote im Lehramtsstudium verringern können. Zudem fordert er mit Nachdruck, die Anerkennung ausländischer Lehrkräfte endlich zu vereinfachen. Insgesamt sollten die Arbeitsbedingungen an den Schulen verbessert werden, um den Krankenstand niedrig zu halten. Dieser sei zuletzt um 40 Prozent von durchschnittlich neun auf 14 Tage im Jahr gestiegen. Als Reaktion auf die schlechte Unterrichtsversorgung nun die Teilzeit-Option zu beschneiden, würde das Problem nur verschärfen, warnt Störmer. Es seien genau diese Zustände, die dazu führten, dass nur jeder fünfte Beschäftigte im Schuldienst das gesetzliche Renteneintrittsalter erreicht.

Tarifexperte Arne Karrasch weist auf Benachteiligungen hin. | Foto: Kleinwächter
  • Nachteile durch A13: Der GEW-Tarifexperte Arne Karrasch hat auf wenige Einzelfälle hingewiesen, in denen altgediente Lehrer durch die neue Vergütungspraxis künftig benachteiligt werden könnten. Dabei geht es um Tarifbeschäftigte, die unter gewissen Umständen bei der Einordnung in die jeweilige Erfahrungsstufe bis zum Renteneintritt in Summe schlechter abschneiden als nach dem alten System. Die GEW hatte diesen Sachverhalt bereits im März publikgemacht (wir berichteten). Kultus- und Finanzministerium haben daraufhin das Problem anerkannt, sagt GEW-Chef Störmer. Der einzige Lösungsvorschlag sei derzeit allerdings, dass den Betroffenen angeboten werden soll, beim Renteneintritt einen Härtefallantrag zu stellen. Die GEW bevorzugt aber das Bremer Modell, wonach die Betroffenen der eigenen Höherstufung widersprechen können.