„So geht es nicht weiter, VW“
Darum geht es: Der niedersächsische Landtag hat über die Abfindung für die VW-Managerin Christine Hohmann-Dennhardt diskutiert. Dabei griff die Opposition Ministerpräsident Stephan Weil scharf an. Ein Kommentar von Martin Brüning:
250 Jahre. So lange müsste ein VW-Arbeiter am Band schuften, bis er – brutto natürlich – insgesamt zwölf Millionen Euro zusammen hat. Das Volkswagen-Vorstandsmitglied Christine Hohmann-Dennhardt bekommt die zwölf Millionen Euro nach nur 13 monatiger Tätigkeit als Abfindung, also fürs Nichtstun. Dass die ehemalige SPD-Ministerin Hohmann-Dennhardt ausgerechnet noch für den Bereich der Integrität verantwortlich war, ist fast nicht mehr zu überbieten. Wenn es um die Politik der VW-Vorstandsetage geht, mag man inzwischen lieber gar nicht mehr hinschauen.
Was hat der neue Skandal bei Volkswagen mit der SPD zu tun? Es waren mit Stephan Weil und Olaf Lies zwei Genossen, die den Vertrag der Genossin Hohmann-Dennhardt im Aufsichtsrat ebenfalls abnickten und sich damit angreifbar machen. Die Frage ist, ob sie das Problem frühzeitig erkannten oder vom VW-Management über den Tisch gezogen wurden. Wenn sie es vorher wussten, haben sie ein politisches Problem. Wenn nicht, dann auch. Denn in dem Fall würde einmal mehr deutlich, dass die zwei Kabinettsmitglieder zwar im Aufsichtsrat mit am Tisch sitzen, aber deshalb noch lange nicht auf Augenhöhe agieren. Genosse der Bosse? Das war einmal.
Lesen Sie auch:
- So bewertet Management-Kritiker Manfred Hoefle die Unterschiede zwischen VW und Toyota
- „Sumpf im Aufsichtsrat“: Scharfe Attacken im VW-Skandal
Während die SPD im Bund immer stärker das Thema Gerechtigkeit in den Mittelpunkt rückt, billigen die Genossen in Niedersachsen eine grobe Ungerechtigkeit. Sie sind im Fall Hohmann-Dennhardt zumindest mitverantwortlich für eine Selbstbedienungsmentalität in Teilen deutscher Vorstände, die die gesamte soziale Marktwirtschaft in Misskredit bringt. Es sei nicht gerecht, wenn Konzernmanager trotz Fehlleistungen Millionen-Boni erhielten, während Verkäuferinnen wegen kleiner Vergehen entlassen würden, sagte kürzlich der designierte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Gestern forderte er nun auch noch höhere Löhne. Die enormen Gewinne in Deutschland hätten schließlich die Arbeitnehmer erwirtschaftet. Niedersachsens SPD-Chef und Ministerpräsident Stephan Weil glänzte im Landtag gestern durch Sätze wie: „Ich kann die Kritik an der aktuell diskutierte Personalangelegenheit verstehen.“ Der Maulkorb, den er durch seine Tätigkeit im VW-Aufsichtsrat auferlegt bekommt, wird ihm im Wahlkampf noch große Probleme bereiten. Einmal mehr zeigt sich der Nachteil der engen Verknüpfung von Politik und VW-Aufsichtsrat. Wenn die Sonne scheint, freut sich die Landesregierung. Wenn es regnet, steht sie als erster wie ein begossener Pudel da.
Abseits der Gerechtigkeits-Wahlkampf-Problematik der SPD wäre es jetzt aber an Volkswagen, das eigene Image aufzupolieren und endlich selbst Vorschläge für eine Neuregelung der Boni auf den Tisch zu legen. Wie so oft sind andere Unternehmen hier schon weiter. Die Deutsche Bank hat die Boni-Möglichkeiten drastisch verringert und setzt auf kleinere und längerfristigere Anreize. Die Firma Bosch ist noch einen Schritt weitergegangen und hat die Bonus-Zahlungen vollständig abgeschafft. „So geht es nicht weiter, VW.“ Dieser Satz stand gestern eigentlich im Manuskript der Grünen-Fraktionschefin Anja Piel ganz am Ende ihrer Rede. Sie hat ihn nicht gesagt. Es wäre ein richtiger Satz gewesen.