Diese Kommunalwahl war schon besonders, darauf haben die Vertreter der Parteien am Montag hingewiesen. Dass die Gemeinderäte und Kreistage Niedersachsens just in einer Zeit gewählt werden, in der sich die ganze Republik in der Hochphase eines Bundestagswahlkampfes befindet, hat es das letzte Mal 1976 gegeben. Wie wirkt sich das nun aus?

Stephan Weil, Ministerpräsident und SPD-Landeschef, winkt ab: Bundes- und Kommunalpolitik seien zwei getrennte Gebiete, sagt er. Da würden ganz unterschiedliche Gesetze der Auswahl gelten, einfache Rückschlüsse verböten sich. Bernd Althusmann, Wirtschaftsminister und CDU-Landesvorsitzender, widerspricht: Natürlich habe die politische Großwetterlage Einfluss auf die Resultate gehabt.

Ministerpräsident und SPD-Landeschef Stephan Weil nennt die Ergebnisse seiner Partei bei der Kommunalwahl: „durchwachsen“. – Foto: nkw

Wenn man nun unterstellt, dass Althusmanns Analyse stimmt, dann lässt sich am Tag nach den Kommunalwahlen ein erstes Fazit ziehen: Die CDU befürchtete, der Gegenwind der Bundes-Stimmung könnte die Kommunalwahl verhageln. Doch trotz Verlusten von 2,6 Prozentpunkten bleibt die Union bei den Wahlen für die Kreistage und die Räte der kreisfreien Städte mit 31,7 Prozent die stärkste Kraft landesweit. Bei etlichen Direktwahlen haben sich CDU-Bewerber wacker geschlagen. Der Dämpfer also, den einige CDU-Strategen erwartet hatten, fällt relativ schwach aus. Anders bei der SPD, sie wollte – in den vergangenen Wochen gestärkt durch den Olaf-Scholz-Hype in den Umfragen – landesweit die CDU überholen und etliche Direktwahlen gewinnen.


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Am Ende verliert die SPD bei den Kreistagswahlen 1,2 Prozentpunkte und landet bei 30,0 Prozent, bleibt also auf Platz zwei. So erfreut die SPD sein kann über den Vorsprung des Regionspräsidentenkandidaten in Hannover, der OB-Bewerber in Oldenburg und Braunschweig, so bitter sind die Niederlagen bei den OB-Wahlen in Lüneburg, Osnabrück und die Rückstände der Bewerberin in Wolfsburg. „Durchwachsen“ nennt Weil die Resultate. Viele Genossen hatten in der Euphorie ihres Wahlkampfes mit deutlich besseren Zahlen gerechnet.

Einfluss auf die Bundestagswahl?

Ob das nun nicht nur die Stimmung vor den Stichwahlen am 26. September beeinflusst, sondern zugleich auch die Bundestagswahl? Spannend ist in diesem Zusammenhang ein Blick zu den Grünen, die – ähnlich wie die CDU – im bundesweiten Stimmungsbild seit dem Juli einen Niedergang erleben und entsprechend geknickt wirken. Sie sind nun landesweit bei den Wahlen zu Kreistagen und Räten der kreisfreien Städte mit einem Plus von 5 Prozentpunkten die klaren Sieger – gefolgt von der FDP, die hier 1,7 Prozent zulegte.

Damit verknüpft sind nun durchaus auch Chancen, nach der Landrätin Anna Kebschull in Osnabrück und dem OB Belit Onay in Hannover noch weitere wichtige Verwaltungschef-Posten in der Stichwahl zu erobern – so in den Städten Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück und Göttingen. So sind die Grünen die eigentlichen Gewinner dieser Kommunalwahl, wenn auch landesweit gesehen mit kräftigen, nicht aber mit sehr kräftigen Zuwächsen.

Die wahren Sieger: die Grünen

Allerdings lohnt die Betrachtung der Details. In der Region Hannover etwa, bisher einer SPD-Hochburg, verlieren CDU und SPD leicht, die Grünen wachsen um 7,6 Prozentpunkte. Im Rat der Landeshauptstadt gibt es eine wichtige psychologische Entscheidung: Die Grünen sind jetzt mit 27,8 Prozent die stärkste Kraft, sie verdrängen die SPD (27,6 Prozent) auf Rang zwei, die CDU verliert ebenso wie die SPD 3,7 Prozentpunkte und kommt nur auf 20,7 Prozent. Damit dürfte die SPD künftig nach Onays OB-Wahl 2019 eine zweite herbe Schlappe einstecken müssen – das Amt des Ratsvorsitzenden und repräsentativen Vertreters des OB (bisher Bürgermeister Thomas Hermann von der SPD) steht auf der Kippe.

In den großen Städten gewinnen die Grünen im zweistelligen Bereich dazu. Das freut Co-Vorsitzende Anne Kura. – Foto: nkw

Im Rat der Stadt Hannover wachsen die Grünen um 11,5 Prozentpunkte, und das ist durchaus mit anderen Großstädten vergleichbar: In der Stadt Oldenburg legen die Grünen um 12,1 Punkte zu, in der Stadt Osnabrück um 10,9 Punkte, dort verdrängen sie die CDU nach 40 Jahren von Platz eins. In der Stadt Lüneburg macht der Zugewinn der Grünen sogar 12,9 Prozentpunkte aus, dort verliert die SPD acht Prozentpunkte. Die Grünen im Rat der Stadt Lüneburg haben 34,9 Prozent geholt, die SPD 24,9 Prozent, die CDU nur 19,9 Prozent – das ist ein bitteres Ende für diese einstige SPD-Hochburg.

Bei all diesen im Detail durchaus erheblichen Veränderungen gilt allerdings umgekehrt auch, dass die politischen Verhältnisse in den Kommunen sich – über das ganze Land betrachtet – kaum großartig gewandelt haben. Der Süden Niedersachsens, also südlich der Landeshauptstadt, ist weiterhin eher sozialdemokratisch geprägt, der Nordwesten von Friesland bis Ostfriesland ebenfalls. In einem Streifen vom Emsland bis nach Lüchow-Dannenberg bleibt die CDU stark und tonangebend. In den Großstädten – im Westen stärker als im Osten – gewinnen die Grünen politisch immer mehr an Gewicht, häufig geht das dort zu Lasten der SPD, teilweise aber auch, wie die Region Osnabrück zeigt, der CDU.

Interessant ist stets auch die Frage, wo die Parteien ihre Stärken haben – wo sie wenig verlieren oder viel hinzugewinnen. Bei der SPD sind die Resultate besonders gut in ihren Hochburgen Friesland, Goslar, Aurich und Wilhelmshaven. Spitzenreiter ist Emden, aber das Ergebnis täuscht, da diesmal der Niedergang einer Wählergemeinschaft eine Rolle spielt, die bei der vergangenen Kommunalwahl noch starker Gewinner gewesen war. Die Kreise Gifhorn, Emsland und Cloppenburg fallen für die SPD noch gut aus, also Regionen, die als CDU-Hochburgen galten. Die stärksten Verluste hat die SPD auch in Gebieten, in denen sie traditionell stark ist – so Salzgitter, Peine, Oldenburg, Wesermarsch und Braunschweig.

Die CDU hat am kräftigsten zugelegt in den Städten Delmenhorst und Wolfsburg, auch in den Kreisen Wesermarsch, Schaumburg und Hameln-Pyrmont – also allesamt in Bereichen, die keine ihrer Hochburgen sind. Das mag – Beispiel Wolfsburg und Delmenhorst – auch mit der Attraktivität der OB-Kandidaten zu tun haben, die als Zugpferde gelten können.

Die stärksten Verluste hat die CDU in einigen ihrer Hochburgen: Osnabrück-Stadt, Cloppenburg, Gifhorn und auch in den Kreisen Emsland, Osnabrück und Grafschaft Bentheim. Eine Ausnahme ist der Kreis Northeim, eine sozialdemokratisch geprägte Region mit diesmal schwachem CDU-Resultat. Vielleicht liegt das daran, dass der CDU-Landratskandidat ein FDP-Politiker war, der im Nebeneffekt einen Stimmenzuwachs zu Lasten der CDU und zu Gunsten der FDP bewirkt hat. Die größten Zuwächse der Grünen sind vor allem in den Städten Oldenburg, Osnabrück und Braunschweig, in der Region Hannover, in den Kreisen Lüneburg, Oldenburg und Göttingen. (kw)