21. Okt. 2020 · 
Landwirtschaft

GAP-Reform: Wenig Begeisterung in Niedersachsen

Nach zwei Jahren Verhandlungen nähert sich die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union allmählich der Zielgeraden. Zuerst hat sich am Dienstagabend das EU-Parlament und später in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch auch der Agrarrat der EU auf einen Kompromiss verständigt – zunächst noch jedes Gremium für sich. Bis voraussichtlich Ende März werden nun Rat, Parlament und Kommission die Verhandlungen fortführen, ab 2023 soll die neue GAP gelten. Knackpunkt des sogenannten Trilogs der drei Gremien wird wohl der Anteil der „Öko-Regeln“ (Eco-Schemes) sein, also die Höhe der Direktzahlungen an Landwirte, die an die Erfüllung bestimmter ökologischer Standards geknüpft werden.
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Der Agrarrat unter Leitung der deutschen Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) hat sich in dieser Frage auf eine Untergrenze von 20 Prozent verständigt, im EU-Parlament votierte eine Mehrheit aus Volkspartei, Sozialdemokraten und Liberalen für einen Anteil von mindestens 30 Prozent an der Gesamtsumme der ersten GAP-Säule. Der EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski (PiS, Polen) tendiert offenbar eher zu einem Prozentsatz, der über dem Kompromiss des Agrarrates liegt. Die Landwirte sollen allerdings nicht verpflichtet werden, sich bei den Eco-Schemes mitzumachen – der finanzielle Anreiz soll sie locken. Nach aktueller Lage soll es zudem eine zweijährige Übergangsphase geben, in der die EU-Mittel nicht verfallen, wenn es ein Staat nicht schafft, die Gelder für ökologische Landwirtschaft zu investieren. Nach diesen zwei Jahren, also ab 2025, sollen die Finanzmittel allerdings verbindlich an diese Voraussetzungen geknüpft werden.

Klöckner spricht von "Systemwechsel"

Bundesagrarministerin Klöckner zeigte sich nach den Verhandlungen zufrieden mit den vorläufigen Ergebnissen. Sie hat ihren Kompromissvorschlag durchsetzen können und spricht von einem „Systemwechsel“. Auch Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) begrüßt die Vorentscheidungen: „Europas Landwirtschaft soll grüner und gerechter werden, weil es um gesellschaftliche Themen wie Umweltschutz, Klimaschutz und gesunde Ernährung geht“, erklärte sie gestern. Sie spricht von einer „historische Chance“, die sich biete, da durch einen nationalen Strategieplan künftig die Leitplanken der GAP in Deutschland selbst festgelegt werden können. „Die Arbeiten am nationalen Strategieplan laufen bereits. Dabei müssen wir Wirtschaftlichkeit und Ökologie vereinen. Konkrete Vorschläge für Niedersachsens Landwirte werden wir aktiv in den weiteren Entscheidungsprozess einspeisen.“
Die Planungen für die freiwilligen Ökoregelungen gehen in Richtung einer Flächenstilllegung.
Beim niedersächsischen Bauernverband, dem Landvolk, blickt man derweil mit Sorge auf die geplanten Änderungen. Landvolk-Präsident Albert Schulte to Brinke fürchtet, durch die neuen Vorgaben zu streng seinen und das Höfe-Sterben noch verstärkt sowie insgesamt die landwirtschaftlich genutzt Fläche dadurch stark verringert werden könnte. Beim Landvolk schätzt man, dass aufgrund der neuen Regelungen landesweit mehr als 100.000 Hektar Acker- und Dauergrünland nicht mehr produktiv genutzt werden können. „Die Planungen für die freiwilligen Ökoregelungen gehen ebenfalls in Richtung einer Flächenstilllegung“, erklärte Schulte to Brinke.

Umweltverbände sind enttäuscht

Aus der anderen Perspektive kritisieren die Naturschutz- und Umweltverbände die Reformpläne. Tilman Uhlenhaut, stellvertretender Geschäftsführer des BUND Niedersachsen, nennt die Verhandlungsergebnisse „eine große Enttäuschung“. „Die notwendigen Veränderungen in der Agrarpolitik finden nicht statt“, klagte er im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Sein Verband fürchtet, dass die ökologischen Standards im nun beginnenden Trilog noch weiter abgeschmolzen werden könnten. Vor allem die Testphase bei der Umsetzung der Öko-Regeln kritisiert Uhlenhaut. Das hätte man vor Jahrzehnten noch ausprobieren können, nun sei die Lage angesichts des Einbrechens der Artenvielfalt allerdings eine andere, für Übergangsfristen fehle die Zeit.
Wir erleben ein Weiter-so bei dem nach wie vor rund zwei Drittel der Gelder nach Größe der Flächen ausgezahlt werden, ohne dass es nennenswerte Umweltauflagen gibt.
Auch die Grünen im niedersächsischen Landtag sind von den Beschlüssen der EU-Agrarminister enttäuscht. Die Chance für eine notwendige Agrarwende werde für weitere knapp zehn Jahre vertan, erklärte die agrarpolitische Sprecherin der Grünen, Miriam Staudte, gegenüber dem Politikjournal Rundblick. „Wir erleben ein Weiter-so bei dem nach wie vor rund zwei Drittel der Gelder nach Größe der Flächen ausgezahlt werden, ohne dass es nennenswerte Umweltauflagen gibt.“ Zudem kritisiert sie, dass die Gelder für die Eco-Schemes zumindest in den ersten Jahren auch noch problemlos für andere Bereiche eingesetzt werden könnten. Staudte zeigt daher auch kein Verständnis für die Haltung der niedersächsischen Agrarministerin. Diese solle sich für einen Kurswechsel einsetzen, fordert die Grünen-Politikerin. „Wir brauchen endlich gleichhohe, ambitionierte Vorgaben für den Tierschutz und eine umwelt- und klimagerechte Landwirtschaft.“
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #188.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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