1. Strukturen sind kein Allheilmittel
Dass es in der Pflege zahlreiche Probleme gibt, die von zu geringer Bezahlung bis hin zu inakzeptablen Arbeitsbedingungen reichen, ist unbestritten. Der Fehler lag allerdings darin, die Probleme durch Bürokratie beseitigen zu wollen. Die Grünen sind immer noch der Meinung, dass eine Pflichtkammer für Pflegebeschäftigte die Grundlage für Verbesserungen in der Pflege ist. Statt aber den Pflegekräften langfristig Monat für Monat ein paar Euro von ihrem kargen Gehalt für die Kammer abzuknöpfen, sollte diese Summe besser von allen Beitragszahlern in das Pflegesystem fließen. Das wäre zumindest schon einmal ein kleiner Beitrag, um den finanziellen Engpass im Pflegesystem ein wenig zu minimieren. „Der Apparat soll es richten“, lautete die Überschrift in einem Rundblick-Kommentar zur Pflegekammer im Oktober 2016. Fast vier Jahre später steht fest: Der Apparat richtet natürlich wie immer überhaupt nichts, ein unerwünschter Apparat sogar noch viel weniger.2. Anfangsfehler können kaum wieder aufgeholt werden
Die Kammer stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Schon die Einführung verlief nicht konfliktfrei, es folgte der Streit um die kurz vor Weihnachten verschickten Beitragsbescheide, in denen vielfach die Jahreshöchstsumme von 140 Euro gefordert wurde. Die Folge waren Proteste, auf die die Institution, die sich gerade im Aufbau befand, kaum angemessen reagieren konnte. Diskussionen um eine Lobby-Veranstaltung im Neuen Rathaus, eine unglücklich agierende erste Präsidentin, interne Querelen und ein Ministerium, das nicht ein einziges Mal eine richtige Hilfe war. Die Liste der Pannen wurde immer länger. Zwar konnte man am Ende den Eindruck gewinnen, dass die Kammer mit ihrer neuen Präsidentin Nadya Klarmann doch noch in die Spur kommen könnte, aber da war es bereits fast zu spät. Den Schaden haben die mehr als 30 Mitarbeiter, die die Verlierer dieses Polit-Desasters sind. [caption id="attachment_37576" align="alignnone" width="780"]
3. Die Sozialministerin trägt die Verantwortung
Carola Reimann war keine Anhängerin der Kammer, das wollte sie am Montag sicherheitshalber noch einmal deutlich machen. Und sie stellte auch fest, dass man eine Interessenvertretung eben nicht „von oben“ politisch implementieren kann. Das ist alles richtig, spricht sie aber politisch nicht frei. Der Ministerin, die hervorragende fachliche Qualitäten hat und in der Corona-Krise durch ihr Studium der Biotechnologie und ihre naturwissenschaftlichen Kenntnisse ein Gewinn für das Land ist, fehlt es an politischen Management-Qualitäten. Viel zu lange hat sie sich von Interessengruppen für und gegen die Kammer treiben lassen, auch am Montag wirkte sie eher aufgeregt und nicht wie eine starke Ministerin, die einen Schussstrich unter das Kammertheater zieht. Die Taktik Stephan Weils, unschöne Themen besser von der Staatskanzlei fern zu halten, funktioniert nur, wenn starke Minister diese abfangen können. Das ist bei Reimann nicht der Fall.