Der Sturm wütender Trump-Anhänger auf das Kapitol, den Sitz von Senat und Repräsentantenhaus in der US-Hauptstadt Washington, hat in Niedersachsen blankes Entsetzen ausgelöst. Hunderte Anhänger des abgewählten US-Präsidenten hatten, nachdem Trump selbst sie zuvor mit einer Rede dazu aufgerufen hatte, einen Marsch auf das Parlamentsgebäude gestartet. Sie überwanden die Sicherheitskräfte, warfen Scheiben ein und verschafften sich gewaltsam Zugang zu dem Gebäude. Drinnen sollte das Ergebnis der US-Wahlen, das Trumps Herausforderer Joe Biden als Sieger ermittelte, formell festgestellt werden. Diese Sitzung musste wegen der Proteste, in deren Zusammenhang vier Menschen gestorben sein sollen, für Stunden unterbrochen werden. Formell ist Trump, der persönlich diese Eskalation angezettelt hatte und seine Anhänger später dann – nach Bekanntwerden der Ausschreitungen – halbherzig zur Mäßigung aufrief, noch bis 20. Dezember im Amt. Gegenüber dem Politikjournal Rundblick äußerten sich mehrere niedersächsische Politiker hoch besorgt angesichts dieser Abläufe. „Theoretisch kann dieser Mensch noch einen Krieg beginnen. Wir können nur hoffen, dass sich in den letzten zwölf Tagen seiner Amtszeit nichts weiter zuspitzt“, sagte Landtagsvizepräsident Bernd Busemann (CDU). Landtagspräsidentin Gabriele Andretta (SPD) zeigte sich nach eigenen Worten erschüttert: „Der Präsident der ältesten Demokratie der Welt hat seine Anhänger dazu aufgerufen, gegen die Ergebnisse einer legitimen, demokratischen Wahl aufzubegehren und er hat Gewalt billigend in Kauf genommen.“ Busemann meinte, schon seit Wochen und Monaten zeige das Verhalten von Trump, der die Ergebnisse der US-Präsidentenwahl leugnete und die Aggressivität im Kampf gegen seine politischen Gegner geschürt habe, „kriminelle Züge“. Eine denkbare Variante sei nun sogar, dass Trumpwenige Stunden vor Ablauf seiner Amtszeit zurücktrete, dann Vizepräsident Mike Pence für wenige Stunden Präsident werde und dieser dann Trump für die bereits laufenden Strafverfahren eine Begnadigung ausspreche. Solange Trump Präsident ist, bleibt er noch kraft Amtes vor Strafverfolgung geschützt.
Im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick äußerte sich der Mainzer Historiker Prof. Andreas Rödder zu den aktuellen Entwicklungen in den USA. Die Demokratie, sagt er, habe einige wenige „Minimalbedingungen“, die sie historisch auszeichneten. Dazu gehöre „die gewaltfreie Übergabe der Macht nach einer verlorenen Wahl“. Insofern sei das Verhalten von Trumps Anhängern „ein Anschlag auf die Demokratie“. Das zeige zum einen, wie gespalten die amerikanische Gesellschaft sei, andererseits könne Trump den Bogen hier überspannt haben und den Weg zurück zur demokratischen Normalität erleichtern. „Entscheidend ist, dass sich die Republikaner vom Trumpismus befreien“, betont Rödder.
Der Grünen-Landtagsabgeordnete Helge Limburg sagte dem Rundblick, das Parlament in den USA habe trotz des Angriffs Stärke bewiesen und sich vom eigenen Weg nicht abbringen lassen. Trump habe nicht zum ersten Mal rechtsextreme Gewalttäter ermutigt und für seine Zwecke genutzt. Die Vorgänge zeigten, wie wichtig es auch in Deutschland sei, das Agieren rechtsradikaler Gruppen, die die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie zum Ziel haben, zu beobachten und zu verfolgen. Der niedersächsische CDU-Generalsekretär Sebastian Lechner meinte: „Am Beispiel dieses Sturms auf das US-Parlament wird sichtbar, wohin Populismus, Aggressivität und eine viel zu starke politische Zuspitzung führen können.“ Die SPD-Politikerin Immacolata Glosemeyer, europapolitische Sprecherin ihrer Landtagsfraktion sagte: „Nach den furchtbaren Ausschreitungen wäre es nur konsequent, dass über eine mögliche Absetzung von Präsident Trump durch sein eigenes Kabinett beraten wird.“