Am Ende könnte auch eine Minderheitsregierung stehen
Noch zeichnet sich nicht ab, von welchen parlamentarischen Mehrheiten die nächste Landesregierung getragen wird. Dabei könnte es durchaus sein, dass es sich um eine Minderheitsregierung handeln kann. Die Verfassung sieht diesen Weg vor – für den Fall, dass in den nächsten gut sechs Wochen keine Verständigung auf eine neue Koalition zustande kommen sollte. Gegenwärtig wirkt die Lage recht verwirrend: Eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP wird von der FDP ausgeschlossen, ein Jamaika-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen stößt auf Ablehnung bei den Grünen und eine Große Koalition aus SPD und CDU wird von der SPD als „unwahrscheinlich“ bezeichnet. Mit der AfD, soviel ist klar, will keine der anderen Parteien zusammenarbeiten. Bei dieser Ausgangslage spricht manches dafür, dass die Verhandlungen über die neue Regierung sehr zäh und langwierig werden könnten.
[caption id="attachment_27633" align="aligncenter" width="780"] Wer auf den Regierungsbänken des Plenarsaals Platz nehmen wird, ist noch unsicher - Foto: MB.[/caption]
Der neugewählte Landtag wird voraussichtlich am Dienstag, 14. November, zusammentreten. Dann dürfte die Landtagspräsidentin gewählt werden, viel spricht für Gabriele Andretta (SPD). Sollten die Parteien wider Erwarten schnell zu einer Verständigung über eine neue Regierung kommen, könnte an diesem Tag auch schon der Ministerpräsident gewählt werden – in geheimer Wahl. Er müsste anschließend sein Kabinett vorstellen, das wiederum vom Landtag in offener Abstimmung bestätigt wird. Vorausgesetzt ist in diesem Modell also, dass eine Mehrheit im Landtag den Ministerpräsidenten und die Regierung trägt. Es gäbe aber auch einen anderen Weg. Sollte binnen drei Wochen nach der konstituierenden Sitzung, also bis zum 5. Dezember, keine Verständigung auf eine neue Koalition möglich sein, würde der Landtag bis spätestens 19. Dezember über seine Selbstauflösung abstimmen – für die dann, anders als sonst üblich und im August geschehen, nicht mehr eine Zweidrittelmehrheit nötig wäre, sondern nur eine Mehrheit der Mitglieder.
[caption id="attachment_27314" align="aligncenter" width="780"] Könnte Landtagspräsidentin werden: Gabriele Andretta - Foto: SPD-Fraktion Nds.[/caption]
Wenn die Mehrheit des Landtags in diesem möglichen Fall Mitte Dezember jedoch trotz der verfahrenen Situation keine vorgezogenen Neuwahlen wünscht und die Selbstauflösung ablehnt, müsste unmittelbar anschließend die Wahl des Ministerpräsidenten im Landtag folgen. Wieder wäre diese Wahl geheim, aber nötig wäre dann nicht wie üblich die Mehrheit der Mitglieder des Parlaments, vielmehr wäre der Kandidat mit den meisten Stimmen als Ministerpräsident gewählt. Stephan Weil oder Bernd Althusmann könnten also über diesen Weg auch dann Regierungschef werden, wenn sie nicht mindestens die Hälfte der Abgeordneten hinter sich haben.
Spannend dürfte in einem solchen Fall auch die Frage sein, ob die Stimmen der neun AfD-Abgeordneten, die keine der anderen Parteien als Partner haben wollen, den Ausschlag geben. Da jede Wahl eines Ministerpräsidenten geheim abläuft, wäre am Ende nicht nachprüfbar, welche Fraktion wie gestimmt hat. Ein auf diesem Weg nach Artikel 30 der Landesverfassung gewählter Ministerpräsident wäre übrigens auch von der Pflicht befreit, die Mitglieder seiner Regierung von der Mehrheit des Landtags bestätigen zu lassen. Über eine solche Bestätigung, wenn sie denn nötig wird, wird immer offen abgestimmt.
Unterdessen zeichnet sich ab, dass die neuen Fraktionen sich auf ein neues Landtagspräsidium verständigen. Die spannende Frage wird sein, ob es bei der üblichen Verteilung der Kräfte nach dem für Ausschussbesetzungen üblichen Auszählverfahren nach d‘Hondt bleibt. Bisher gehört der Landtagspräsident der CDU an, die SPD hat zwei Vizepräsidenten und die CDU einen. Wenn man daran festhielte, würde neben der sozialdemokratischen Landtagspräsidentin die CDU womöglich zwei Vizepräsidenten stellen können und die SPD einen. Die drei kleinen Fraktionen – Grüne, FDP und AfD – würden danach leer ausgehen.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #183.