Ein Verlierer dieses Wochenendes: Armin-Paul Hampel
Noch im März scheiterte sie bei der Wahl des Vorsitzenden, nun aber ist sie mit einem deutlichen Vorsprung AfD-Spitzenkandidatin zur Landtagswahl geworden. Dana Guth (47), Finanz- und Versicherungsmaklerin aus Herzberg (Kreis Göttingen), steht auf Platz eins der Landesliste. Als das Ergebnis um 14.35 Uhr in der gedämpften Stadthalle von Walsrode verkündet wird, brandet Jubel auf – und zwar im hinteren Teil des Saales, wo die Vertreter aus dem Nordwesten und Süden Niedersachsens sitzen. Die Gesichter vorn am Vorstandstisch wirken ernst und reglos, aber Armin-Paul Hampel, der Landesvorsitzende, klatscht immerhin trotzdem, wenn auch nur mäßig. Schnell hat er erkannt, nun umschalten zu müssen – die Mehrheitsverhältnisse in der Partei haben sich geändert, die Herrschaft Hampels, teilweise von Kritikern als „diktatorisch“ bezeichnet, ist nicht mehr unumschränkt. Es hat Verschiebungen gegeben, die Partei wird vielfältiger.
[caption id="attachment_18722" align="aligncenter" width="768"] Dana Guth führt die niedersächsische AfD in den Landtagswahlkampf - Foto: KW[/caption]
In Walsrode hatte sich die Partei getroffen, um die Landesliste für die Landtagswahl aufzustellen. Alle 2300 Mitglieder waren eingeladen, knapp 400 sind gekommen. Beide Seiten, das Hampel-Lager und die sogenannten „Rebellen“, hatten vorbereitete Kandidatenlisten verteilt. Daneben versuchten noch etliche Mitglieder, die sich keinem Flügel zugehörig fühlen, selbst auf die Landesliste zu kommen. Im Vorfeld hatte man gemeinhin mit einem klaren Sieg der Hampel-Leute gerechnet, zumal der Landesvorstand nach dem quälenden, letztlich aber glücklich beendeten Streit über die Zulässigkeit der Landesliste zur Bundestagswahl gestärkt erschien. Allerdings waren auch Auflösungserscheinungen unübersehbar. Peine-Gifhorn, bisher Hampel-treu, wirkt zunehmend kritisch, auch im großen Verband Hannover bekannten sich mehrere engagierte Mitglieder plötzlich als „Rebellen“-Anhänger, in Braunschweig ebenso. Oldenburg, Osnabrück und Stade gelten sowieso als Hampel-kritisch.
[caption id="attachment_18723" align="aligncenter" width="780"] Schmitz unterlag überraschend auf dem Parteitag in Walsrode - Foto: KW[/caption]
Am Anfang noch scheint alles wie geplant zu laufen, der 45-jährige Kaufmann Maik Schmitz aus Northeim scheint beste Aussichten auf die Spitzenkandidatur zu haben. Seine Vorstellungsrede klingt eher schwach, aber richtig aus dem Konzept wird er dann durch Nachfragen eines Gegenkandidaten für die Spitzenkandidatur gebracht, des Gifhorner Radiologen Stefan Marzischweski. Dieser greift zunächst einen Vertrauten von Schmitz an, den ebenfalls aus Northeim kommenden AfD-Generalsekretär Jens Kestner, der „insolvent“ sei. Kestner selbst sagt später, nach seiner Scheidung in finanziell schwierigen Zeiten zu sein, sein Bestattungsunternehmen aber bestehe weiterhin. Als dann Marzischweski auch gegen Hampel wettert, zu Kestner sagt, dieser habe sich „selbst beerdigt“ und anschließend zu „Mut zur Wahrheit“ aufruft, alles begleitet von wachsender Unruhe im Saal, wird Kestner am Vorstandstich wütend – und der nicht weit von ihm entfernt sitzende Schmitz, der sich zur Verteidigung Kestners gefordert sieht, lässt sich von Marzischweski provozieren und ruft ihm zu: „Wo waren Sie am Nachmittag des 22. Juli? Was haben Sie damals bei Herrn Kestner zuhause getan?“ Die rund 400 AfD-Mitglieder, vor denen sich dieses Schauspiel vollzieht, wirken irritiert und peinlich berührt.
Der Hintergrund wird wenig später klar. Offenbar wurde hier die Aussprache zur AfD-Spitzenkandidatur zur Kulisse für persönliche Intimfeindschaften genutzt. Kestner, ein Freund von Schmitz, hatte Hinweise auf eine angebliche Reichsbürger-Mitgliedschaft des Gifhorner AfD-Kreisvorsitzenden Oliver Westphal verbreitet. Westphal, Vize-Landesvorsitzender, war eine Zeitlang selbst als AfD-Spitzenkandidat im Gespräch, zog sich aber nach Kestners Vorwürfen zurück und erschien zum Parteitag nicht mehr. Marzischweski, der sich gut mit Westphal versteht und ihn wohl rächen wollte, startete nun nicht nur die verbale Attacke gegen Kestner, sondern hatte auch im Juli Kestners Geschäftsräume in Northeim fotografiert – und war dabei ertappt worden. Inzwischen soll die Polizei gegen ihn ermitteln, denn kurz nach den Fotoaufnahmen sei bei ihm eingebrochen worden, erklärt Kestner.
Dass diese unappetitlichen Räuber-Geschichten vor der Versammlung ausgebreitet werden, schadete am Ende zwei Kandidaten – Marzischweski, der wohl nie ernsthaft vorhatte, selbst Spitzenkandidat zu werden, und Schmitz, der als Favorit gegolten hatte. Gewinnerin ist am Ende Dana Guth, die mit 212 gegen 163 Stimmen in der Stichwahl gegen Schmitz einen klaren Vorsprung hat. Nach ihrer Wahl sagte sie, man müsse jetzt „Gräben überwinden“ und Feindschaften beenden – immerhin sei die AfD doch eine Partei. Tatsächlich können sich später dann auf der Landesliste sowohl Hampel-Anhänger wie -Gegner durchsetzen. Auf Platz zwei folgt der Lüneburger Krankenpfleger Stefan Bothe, der von Hampel unterstützt wurde und in einer Stichwahl gegen den „Rebellen“ Jens Krause aus Hollenstedt (Kreis Harburg) knapp siegte. Rang drei fällt an den hannoverschen Finanzbeamten Peer Lilienthal von den „Rebellen“, Platz vier an Stefan Henze aus Hannover-Lehrte (Hampel-Lager). Platz fünf geht wieder an die „Rebellen“, es wird der Rechtsanwalt Klaus Wichmann aus Osterholz-Verden. (kw)Dieser Artikel erschien in Ausgabe #132.