Ein Tag für Frauen und auch für die Männer
Darum geht es: Am morgigen 8. März wird der internationale Frauentag gefeiert. Dazu ein Kommentar von Isabel Christian.
Angefangen hat es mit dem Protest für Frauenwahlreicht – und allmählich wandelte sich der Frauentag über die Jahrzehnte zum sozialistischen Gedenktag und zum Aktionstag für die Rechte der Frauen. Aber ist ein Frauentag in Zeiten von Gleichstellungsbeauftragten, Frauenquoten und Elterngeld für Väter überhaupt noch notwendig?
Ausgerechnet Alice Schwarzer, Leitfigur der deutschen Emanzipationsbewegung, forderte vor einigen Jahren die Abschaffung des Frauentags. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau 2010 nannte sie den Tag „gönnerhaft“ und forderte stattdessen an 365 Tagen im Jahr Aufmerksamkeit für die Belange von Frauen – und Männern. Die Idee, den alljährlich am 8. März begangenen Frauentag abzuschaffen, ist keineswegs indiskutabel. Eine Frau, die Ende der achtziger Jahre geboren wurde, kennt keine eklatanten Ungleichbehandlungen in Deutschland mehr. Sie ist aufgewachsen in dem Bewusstsein, dass sie das Abitur machen und studieren kann. Dass sie Ingenieurin werden kann oder Geschäftsführerin eines Unternehmens. Dass ihre Karriere nicht vorbei ist, wenn sie Kinder bekommt. Dass sie finanziell nicht von einem Mann abhängig sein muss. Alles hängt von Leistungsbereitschaft und Können ab. Kurzum: von ihr selbst.
Zumindest in der Theorie ist damit weit mehr erreicht worden als das, wofür Frauen über die Jahrzehnte am Frauentag demonstrierten. Erst war es das Wahlrecht, was die Aktivistinnen vor dem Ersten Weltkrieg auf die Straße trieb. Darüber hinaus kämpften sie für das Recht auf Bildung und das Recht, einer angemessen bezahlten Arbeit nachgehen zu können. Damals gab es noch kein festes Datum für den Frauentag. Den 8. März legte die kommunistische Regierung der Sowjetunion 1921 fest, um den Frauen zu gedenken, die an der Februarrevolution 1917 mitgewirkt haben. Während der Frauentag in der DDR als ein ideologisch geprägter Feiertag begangen wurde, nutzte die Frauenbewegung im Westen in den Sechzigern den Frauentag, um auf massive Diskriminierungen aufmerksam zu machen. Damals ging es um die Benachteiligung von Müttern, das Abtreibungsverbot und die Geschäftsfähigkeit von verheirateten Frauen. All das ist glücklicherweise längst Geschichte.
Doch so einfach ist es nicht. Noch immer verdienen viele Frauen – gerade in Spitzenpositionen – schlechter als Männer. Noch immer nehmen viele Frauen den Großteil der Elternzeit, weil der Arbeitgeber Vätern die Möglichkeit dazu einschränkt. Noch immer müssen Frauen sich zwischen Kind und Karriere entscheiden, weil es zu wenig Plätze für eine Ganztagsbetreuung gibt. Und noch immer werden auch aus diesem Grund in wichtigen Positionen Männer bevorzugt eingestellt. Diesen Missstand mit einer Frauenquote beheben zu wollen, stellt allerdings wieder eine Diskriminierung dar. Denn Frauen wollen nicht eingestellt werden, weil sie Frauen sind. Sondern, weil sie genauso gute Arbeit zu leisten imstande sind wie Männer. Gleichberechtigung ist nicht, wenn der Unternehmensvorstand aus zwei Frauen und vier Männern besteht. Gerecht wäre es, wenn dort die sechs Menschen arbeiteten, die am meisten geeignet für die Posten sind.
Der Tag an sich also, an dem auf die Ungerechtigkeiten zwischen Frauen und Männern hingewiesen wird, hat noch immer seine Daseinsberechtigung. Doch das Beispiel der Frauenquote zeigt, dass die Emanzipation auch dazu führen kann, dass nun Männer benachteiligt werden. Alice Schwarzer liegt richtig, indem sie statt an einem festgelegten Tag an allen Tagen im Jahr Aufmerksamkeit für die Belange von Frauen und Männern fordert. Doch bei allen Entwicklungsprozessen ist es notwendig, dass man ab und zu zurücktritt und den Stand der Dinge bewertet. Nur so zeigt sich, was erreicht wurde und was noch erreicht werden muss. Der 8. März ist ein historisch aufgeladenes Datum für das Ringen um Gleichberechtigung. Ihn aufzugeben, sollte deshalb nicht sein. Doch ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung wäre eine Umbenennung: In „Tag der Chancengleichheit“.