Die Stimmung im mittelständischen Straßengüterverkehr ist auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. „Wir sind die Prügelknaben der Nation. Das gilt nicht nur für die Unternehmer, sondern auch für das Fahrpersonal“, schimpft Prof. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Während die Brummifahrer wegen fehlender Stellplätze nachts in irgendwelchen Gewerbegebieten ohne Sanitäranlagen stehen müssten, kämen auf die Betriebe immer höhere Kosten zu.

Der von der Bundesregierung beschlossene CO2-Aufschlag für die Lastwagen-Maut ist dabei eigentlich nur ein weiterer Tropfen, der das Fass für einige mittelständische Unternehmer jedoch zum Überlaufen bringen könnte. „Wir haben ganz viele Transportunternehmer, die keine Lust mehr haben“, berichtet Engelhardt und spricht von einer Beinahe-Verdoppelung der Mautkosten. Für den BGL-Chef ist klar, dass diese Mehrausgaben nicht von den Fuhrbetrieben übernommen werden können. „Die durchschnittliche Marge eines Lastwagen-Transports beträgt 0,1 bis 2 Prozent des Umsatzes. Was bedeutet das für die Erhöhung der Lastwagen-Maut? Sie wird eins zu eins durchgereicht“, sagt Engelhardt.
„Wer es nicht weitergeben kann, wird vom Markt verschwinden“, bestätigt Gitta Connemann, die Bundesvorsitzende der Mittelstand- und Wirtschaftsunion (MIT). Die CDU-Bundestagsabgeordnete aus Leer sieht allerdings keine Möglichkeit für die meist mittelständischen Fuhrunternehmen, die Verträge zum Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Dezember 2023 noch kurzfristig nachzujustieren. „Es gibt Unternehmer, die sagen: Ich schicke meine Fahrer im Dezember in den Urlaub und verhandele im Januar neue Preise aus“, bestätigt Engelhardt. Er fordert deswegen zumindest eine Verschiebung der Erhöhung auf den 1. Januar 2024.
„Von dieser Maut-Erhöhung wird keine Lenkungswirkung ausgehen, es wird keine Verlagerung auf andere Verkehrsträger stattfinden. Sie bedeutet einfach nur eine Steuererhöhung durch die Hintertür“, sagt der BGL-Präsident. Für einen vierköpfigen Haushalt rechnet er mit einer jährlichen Mehrbelastung von 350 bis 400 Euro pro Jahr. „Am einzelnen Joghurt-Becher wird man das nur zu einem ganz geringen Teil merken. Wenn Sie aber als Privatmann ein Gartenhaus aus Hamburg nach Süddeutschland importieren, dann wird ihr Gartenhaus schon um 100 Euro teurer – nur durch die Maut“, sagt Engelhardt. Diese Einschätzung bestätigt auch der Deutsche Brauer-Bund, der durch die Mauterhöhung mit Mehrkosten von bis zu 50 Cent pro Kasten Bier oder Mineralwasser rechnet.

Daran, dass 84 Prozent der Güter in Deutschland mit dem Lastwagen transportiert werden, werde die erhöhte Lastwagen-Maut nichts ändern, prognostiziert Engelhardt. Für die Logistiker gebe es gar nicht die Möglichkeit, die immer kleinteiliger werdenden Sendungen mit anderen Verkehrsmitteln zu transportieren. Und die Fuhrunternehmen hätten in der Regel gar nicht die Möglichkeit, auf Elektrofahrzeuge oder alternative Kraftstoffe auszuweichen. „Wir als Transportbranche sind nicht diejenigen, die am Diesel kleben“, sagt Engelhardt. Ein Elektro-Lastwagen koste aber das Drei- bis Dreieinhalbfache eines Dieselfahrzeugs. „Jetzt müssen wir nur noch den Verlader finden, der bereit ist, die höheren Frachtpreise zu bezahlen“, höhnt der Branchenvertreter und betont: „Solange der Benchmark der osteuropäische Lastwagen auf Dieselbasis ist, wird keine Lenkungswirkung erreicht werden.“

Hart ins Gericht gehen Engelhardt und Connemann deswegen auch mit der CO2-Preisanhebung für Kraftstoffe, die sie in Verbindung mit dem CO2-Aufschlag bei der Lastwagen-Maut als Doppelbelastung bewerten. „Deutschland ist mal wieder ganz weit vorne, wenn es um die Kreierung von Zusatzbelastungen geht“, spottet die MIT-Vorsitzende und warnt vor einem deutschen Alleingang, der die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft schwächt. Schon jetzt schlage die CO2-Bepreisung beim Diesel mit 8 Cent pro Liter zu Buche, erläutert Engelhardt. Dieser Anteil werde auf fast 11 Cent steigen, wenn die Bundesregierung den nationalen CO2-Preis von 30 auf 40 Euro pro Tonne erhöht. Dieser Schritt ist zum 1. Januar 2024 geplant.
Anders als die Fuhrunternehmer aus dem Ausland könnten die deutschen Betriebe diese Zusatzkosten nicht umgehen. „Der polnische Unternehmer hat einen 600- oder 1000-Liter-Tank an seinem Lastwagen. So ein Fahrzeug verbraucht 20 bis 25 Liter pro hundert Kilometer. Jetzt kann jeder ausrechnen, wie viele Tausend Kilometer er durch Deutschland und Westeuropa tourt, bis er wieder zurückfährt, um zu tanken“, sagt Engelhardt. Seine Botschaft an die Politik: „Die Branche kann ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten, aber das wird zum Ende der Dekade möglich sein – dann, wenn die entsprechenden Fahrzeuge verfügbar sind und die Tank- und Ladestruktur vorhanden ist. Solange müssen die Verbraucher einfach mehr bezahlen.“