Der Weg von Marius Beernink – oder: Warum es reizvoll ist, Polizist zu werden
Von Isabel Christian
Es war der Dorfpolizist, der Marius Beernink damals tief beeindruckt hatte. Beernink war Grundschüler, dritte Klasse, und es stand Verkehrserziehung auf dem Stundenplan. Die Tür zum Klassenzimmer ging auf und da stand er – grüne Uniform, weiße Schirmmütze, ein freundliches Gesicht – der Polizist, der ihnen beibringen sollte, wie man sich sicher im Straßenverkehr bewegt. „Die Uniform und sein ganzes Auftreten, das hat mich total begeistert“, sagt Beernink. Fast fünfzehn Jahre nach der Begegnung mit dem Polizisten trägt der heute 24-Jährige selbst Uniform. Nach der Schule hat er seinen Heimatort Westerkappeln bei Osnabrück verlassen, um an der Polizeiakademie zu studieren. Seit fast zwei Jahren besitzt er die Bachelor-Urkunde und arbeitet als Polizeikommissar im Streifendienst in Hannover. „Ich habe mir meinen Kindheitstraum erfüllt“, sagt er und man hört Stolz in seiner Stimme.
Zu viel Arbeit für zu wenige Beamte, zu schlechte Entlohnung und vielfältiger werdende Gefahren – es wird viel über die Probleme der niedersächsischen Polizei gesprochen. Doch noch hat die Polizei zumindest zahlenmäßig kein Nachwuchsproblem. 5713 hatten sich im vergangenen Jahr beworben, 1136 wurden zum Studium an der Akademie zugelassen – durch die im Koalitionsvertrag vereinbarte, schrittweise Aufstockung schon mehr Anwärter als in den Vorjahren. Und in diesem Jahr sollen es nochmal 500 mehr werden.
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„Nicht für alle Aufgaben brauchen die Polizisten ein Studium“
Ein künftiger Polizist muss nicht nur sportlich sein. Er muss auch Einfühlungsvermögen besitzen, Zusammenhänge schnell begreifen können und die deutsche Sprache perfekt beherrschen. Vor allem an Letzterer scheitern immer mehr Bewerber. „Für mich war die Polizei immer Freund und Helfer“, sagt Beernink. Dass Polizeiarbeit im Streifendienst aber hauptsächlich aus Routinearbeit wie die Aufnahme von Verkehrsunfällen oder Kontrollen bei Ruhestörungen besteht, sei ihm erst als junger Erwachsener klargeworden. Trotzdem biete der Job ihm den Reiz, morgens nicht zu wissen, was der Tag für ihn bereithält. „Die Lage kann sich ständig ändern. Ich mag diese Ungewissheit.“
„Merke schon, dass Einsatzbelastung steigt“
Als Kommissar im Streifendienst arbeitet Beernink in Schichten. „Da baut man zwangsläufig Überstunden auf“, sagt er. Denn wenn man etwa gerade einen Streit unter Betrunkenen schlichten muss, kann man nicht einfach mittendrin Feierabend machen. „Sieben bis acht Überstunden im Monat kommen da schon zusammen.“ Vor allem im Frühling und Sommer, wenn es viele Menschen nach draußen zieht. Dann steigt auch das Konfliktpotenzial. Doch auch in der täglichen Routine fällt immer mehr Arbeit an, vor allem bürokratischer Natur. „Ich merke schon, dass die Einsatzbelastung steigt“, sagt Beernink. Man müsse zwangläufig länger arbeiten, als der Schichtplan vorgibt, um alles zu schaffen. „Ich glaube, man wird deshalb nicht drumherum kommen, mehr Polizisten einzustellen.“
Standartisierte Ausbildung hat Vorteile
Dass viel Arbeit auf ihn warten würde, war Beernink schon während seiner Studienzeit bewusst. „Die Polizeiakademie bereitet einen gut auf den Berufsalltag vor“, lobt Beernink. Doch er hätte sich noch mehr praktische Übungen gewünscht. „Es gibt zwar schon einen großen Praxisanteil, doch bei dem habe ich am meisten gelernt.“ Die Kritik der Kriminalpolizisten, die Anwärter würden durch den einheitlichen Studiengang nicht mehr richtig auf eine Karriere als Ermittler vorbereitet, teilt Beernink nicht. „Ich finde eine standardisierte Ausbildung gut, denn sie hat den Vorteil, dass alle die gleiche Wissensgrundlage haben.“ Aus- und Fortbildungen für spezifische Bereiche fielen dadurch leichter. „Außerdem zeichnet sich die Polizei ja genau dadurch aus, dass sie einem so viele Chancen bietet“, sagt Beernink. Man müsse nur selbst die Initiative ergreifen.
Keine Illusion mehr von der Unverwundbarkeit
Nach dem Studium hat Beernink sich gegen den Kriminaldauerdienst und die Bereitschaftspolizei entschieden. Er wählte den Streifendienst. „Ich bin Polizist geworden, weil ich Leuten helfen will.“ Ein Praktikum im Streifendienst habe ihm gezeigt, dass er damit in einem Kommissariat besonders gut aufgehoben ist. Auch, wenn er als Polizist auf der Straße oft die Rolle des Spielverderbers einnehmen muss. „Als Polizist muss man mit Ablehnung umgehen können.“ Dass die Respektlosigkeit und Gewalt gegenüber Polizeibeamten zugenommen hat, kann Beernink aus eigener Erfahrung bisher nicht bestätigen. „Der Großteil der Bevölkerung begegnet uns immer noch mit Respekt.“ Doch eine gefährliche Situation hat er in seiner Dienstzeit schon erlebt. „Wir waren zu einem Einbruch gerufen worden und wussten, der Täter ist noch vor Ort“, erzählt Beernink. Als der Mann die Polizisten bemerkte, rannte er zu einem am Straßenrand geparkten Auto, sprang hinein und der gab Gas. Beernink und sein Kollege traten auf die Straße, um den Täter zum Anhalten zu zwingen, doch der drückte das Gaspedal nur weiter durch. Nur mit einem Sprung zur Seite konnten sich die Polizisten retten. „In dem Moment habe ich gemerkt, dass es Leute gibt, die deine Verletzung oder deinen Tod in Kauf nehmen,“ sagt Beernink. Seit diesem Tag gebe er sich nicht mehr der Illusion von Unverwundbarkeit hin.
Der Dorfpolizist ist immer noch in Beerninks Heimatort im Einsatz. „Ich habe ihn vor einiger Zeit gesehen.“ Angesprochen und von der eigenen Karriere erzählt – von ihm inspiriert– hat Beernink ihn jedoch nicht. „Aber vielleicht mache ich das irgendwann noch.“